„Die Kölner lieben das Akkordeon“Musikschulen trotz Corona wieder geöffnet

Lesezeit 4 Minuten
Akkordeon

Undine Hölzle mit einem reinen Knopf-Akkordeon

Köln – Es ist nicht so, als wenn Undine Hölzle in den letzten Monaten Däumchen gedreht und an die Decke gestarrt hätte. Die meisten ihrer Schülerinnen und Schüler haben Fortschritte gemacht, obwohl die „Musikschule Colonia“ wie alle Musikschulen der Stadt aufgrund der Corona-Pandemie nach dem ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr noch einmal fast drei Monate geschlossen bleiben musste. Glücklicherweise, sagt die 34-Jährige, ließ sich der Online-Unterricht viel besser umsetzen als zunächst angenommen.  Trotzdem freut sie sich über die Menschen, die wieder durch die reale Tür zu ihr kommen, ihren schweren Rucksack abstellen, den Reißverschluss aufziehen und ihr Akkordeon heraushieven.

„Endlich wieder Musikschule zum Anfassen, das hat mir so gefehlt“, lautet einer der Sätze, den die Diplom-Musikpädagogin derzeit am häufigsten hört. Daniela Seidel, die Klarinetten- und Saxophon-Lehrerin aus dem insgesamt neunköpfigen Team, war auch positiv überrascht, dass „sich die meisten darauf eingelassen haben“. Dennoch begrüßt die 25-Jährige die Rückkehr zum echten Begegnungsunterricht. Es bedeute schon eine Einschränkung, wenn der Klang nur über den Computer übertragen werde. Außerdem sei die Tonerzeugung beim Blasinstrument via Webcam schwer zu vermitteln.  „Das funktioniert nur übers Nachmachen.“ So gesehen fühlt sich Skype-Unterricht für manch einen doch ein klein wenig an wie Kölsch aus Papp-Bechern trinken.

Auf einmal ist das Akkordeon cool

In normalen Zeiten kommen jährlich rund 400 Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger regelmäßig in die private Musikschule  nahe des Barbarossaplatzes,  wo man mit Ausnahme von  Tuba und Trompete nahezu jedes Instrument – auch Ukulele oder kölsche Mandoline – lernen kann.

Undine Hölzle stammt selber gebürtig aus Neuwied, hätte sich für den Unterricht an ihrem Lieblingsinstrument aber kaum eine bessere Stadt als Köln aussuchen können. Denn im Gegensatz zum Saxophon, das seit jeher als cool gilt, hat das Akkordeon in den letzten Jahren eine Art 180-Grad-Kehrtwende in Sachen Reputation vollzogen und ist plötzlich so gefragt wie nie. Nicht erst seitdem Musiker mit Sixpack und Gel-Frisur wie der Südtiroler Multi-Instrumentalist Herbert Pixner auf der Bühne zur Handharmonika greifen, ist das Instrument sein verstaubtes Image quitt. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Kölsche Bands ohne die „Quetsch" kaum vorstellbar

Unter Hölzles Schülerinnen und Schülern waren schon immer solche, die in nicht mehr ganz jungen Jahren nach einer neuen Herausforderung gesucht und sich für dieses Instrument entschieden haben, weil es „kognitive Fähigkeiten und die Konzentration fördert“ und eine ziemliche Herausforderung in Bezug auf die Koordination darstellt. Neu ist, dass diese Menschen ihre Zuneigung offen bekennen. „Niemand findet es mehr peinlich,  erst recht nicht die Menschen in dieser Stadt, sagt Hölzle lachend. „Die Kölner lieben das Akkordeon“, was natürlich mit seiner Tauglichkeit im Karneval zu tun habe und damit, dass man es anders als ein Piano überall mit hinnehmen könne.

Etliche kölsche Bands wie  Brings, Höhner, Paveier, Kasalla, Miljö oder  seit kurzem  Eldorado wären ohne die Quetsch kaum vorstellbar; ein Grund mehr, weshalb sich in der Musikschule die Anfragen jüngerer Leute nach Unterricht am Akkordeon häufen und  nach Worten Hölzles eigentlich noch mehr Lehrer benötigt würden. 

Ein kleines, sich selbst begleitendes Orchester

Bemerkenswert findet sie selber aber auch, dass sogar ausgebildete Musiker zu ihr zum Unterricht kommen; Kölnerinnen oder Kölner, die bereits ein Instrument oder sogar mehrere virtuos spielen und dann beschließen, ihren langgehegten Wunsch aus der Warteschleife zu nehmen. „Ich wollte im Grunde immer schon Akkordeon lernen“, hört die 34-Jährige jedenfalls öfters und kann es auch gut nachvollziehen.

Man könne mit dem Akkordeon Rock-und Popmusik spielen, sagt die 34-Jährige und erinnert an den Song „Stereo Love“ von Edward Maya und Vika Jigulina, der zu einem Nachtclub-Hit wurde. Das Instrument eigne sich ebenso für Klezmer-Musik wie für französische Musette-Walzer, irischen Folk oder schwermütige Balladen.

Einfluss auf die Seele

Die einstige Festlegung als Klanggeber für Volksmusik sei also viel zu kurz gegriffen. Außerdem gehöre das Akkordeon definitiv zu den Musikinstrumenten, die bereits dann schön klingen, wenn man sie noch nicht richtig beherrscht. Und es verträgt es sich nach Einschätzung der Musik-Pädagogin hervorragend mit Saiten- und Blasinstrumenten.

Über den günstigen Einfluss von Musik auf die seelische Gesundheit ist schon viel gesagt und geschrieben worden, aber wahrscheinlich gab es selten so viel Gelegenheit, dies zu überprüfen, wie gerade in der Lockdown-Phase, in der manch einer ohne sein Instrument gänzlich vom Corona-Blues gepackt worden wäre. „Ohne mein Instrument wäre ich wahrscheinlich depressiv geworden“, habe kürzlich eine Schülerin bekannt und dann voller Elan ihre Tango-Fibel auf dem Notenständer aufgeschlagen, und den Verschluss vom Balg gelöst.

www.musikschule-colonia.de

KStA abonnieren