„Die Wiedergutmacher“-SerieDie Kölnerin Sarah Stahl repariert Bücher

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Buchbindermeisterin Sarah Stahl

Buchbindermeisterin Sarah Stahl

Köln – Manchmal ist unsere schöne deutsche Sprache irreführend. Etwa bei dem Wort „Buchmacher“, das viel eher auf eine alte Handwerkskunst hindeuten könnte, als die aus dem Englischen abgeleitete Umschreibung für einen Wettanbieter. Schließlich tun Menschen wie Sarah Stahl doch weitaus mehr, als Seiten verbinden. Die 36-Jährige Buchbindermeisterin betrachtet die Bezeichnung ihres Berufs dennoch nicht als Herabstufung ihres Tätigkeit, weil es in ihrem Metier, wie sie sagt, um so vielfältige Verbindungen geht.

Eine sehr außergewöhnliche Arbeit, mit der sie zurzeit befasst ist, kann man gerade in ihrer Werkstatt in der Weyerstraße bewundern: ein etwa drei alte Telefonbücher dickes Messbuch aus dem Kloster Marienstatt im Westerwald. Die Seiten sind neu geheftet und damit stabilisiert. Als nächster Schritt muss einer neuer Lederrücken angepasst werden. Bei der Gestaltung hat Stahl etwas Spielraum. Den Auftraggebern geht es vor allem darum, dass die mehr als hundert Jahren Buchdeckel original erhalten bleiben.

Kölnerin Stahl repariert auch Tagebücher

Auch wenn die Reparatur von Büchern allenfalls 20 Prozent ihrer Aufträge ausmachen, ist es doch der Bereich, der mit den berührendsten Momenten einhergeht; etwa, wenn ihr das durch unzählige Hände gegangene und deshalb schon ziemlich zerfledderte Rezeptbuch der Großmutter gebracht wird. Oder ein altes Tagebuch. „Das liest man natürlich nicht“, betont Stahl, die oft danach gefragt wird. Gleichwohl hätten solche Lieblingsstücke ja alle ihre Geschichte.

Über die „Die Wiedergutmacher“-Serie

Immer mehr Menschen möchten kaputte Dinge nicht einfach wegwerfen und durch neue ersetzen, sondern suchen nach Fachleuten, die sie reparieren können. In unserer Serie „Die Wiedergutmacher" stellen wir die Interessantesten aus Köln vor. 

Anders als Restauratoren, die sich bemühen, einen zerstörten Gegenstand in seinen ursprünglichen Zustand zu bringen, liebt Stahl in ihrem Beruf den größeren Handlungsspielraum. Letzte Woche beispielsweise hatte sie „einen Halblederband von achtzehnhundertirgendwas“ in der Mache. Bei diesem Auftrag hätte sie ein beliebiges Füllmaterial in den Buchdeckel einbringen können. Aber sie hat sich für das ursprüngliche Innenmaterial aus Sägefurnier entschieden, obwohl man das von außen nicht sehen kann. In ihrem Beruf sei es nicht nur wichtig, Papier zu lieben. „Man muss auch das Bewusstsein für die Ästhetik behalten“.

Stahl kam zufällig zur Buchbinderei

Auch wenn man dafür mitunter etwas tiefer in die Tasche greifen muss, wie kürzlich in Hamburg, wo sie auf alte Messingschriften stieß und sich unmöglich für einzelnen Buchstaben entscheiden könnte. „Ich musste alle kaufen.“

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Zum Glück habe sie einen Mann, der sie in allem unterstütze. Das habe er bereits getan, als sie sich mit gerade mal 25 Jahren in der Südstadt selbstständig machte. Dabei ist die gebürtig aus Königswinter stammende Frau den eigenen Worten nach „total zufällig“ zu ihrem heutigen Beruf gekommen. Fest stand für sie nach dem Abitur lediglich, dass sie nicht studieren, sondern irgendetwas handwerkliches machen wollte. Als der Vater sie auf Buchbinderei stupste, dachte sie, „das hört sich gut an“ und legte los.

Pandemie brachte Sarah Stahl besonders viele Aufträge

Die Kunst- und Museumsbibliothek Köln, wo sie ihre Ausbildung absolvierte, sei sehr gut gewesen, um das Fachliche zu lernen. Ihr eigentlicher Mentor wurde Bruno Mensch, dessen Betrieb sie vor drei Jahren übernahm und mit ihm eine Menge an Buchbinderei-Inventar, wie die uralte eiserne Prägepresse neben dem Ladeneingang.

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Sarah Stahl gehört zu den Menschen, die teilweise sogar von der Corona-Pandemie profitieren konnten. Weil viele Menschen in dieser Zeit ihre Dachböden oder Keller auf Vordermann gebracht haben, und die Buchbinderei Edmund Schaefer im Belgischen Viertel seit kurzem nicht mehr existiert, landeten etliche Aufträge bei Stahl und ihrem „reinen Weiberhaufen“, wie sie ihren ausschließlich auf Frauen-Power basierenden Betrieb nennt. Und ungeachtet aller Digitalisierungsbestrebungen und der Tendenz zum papierfreien Büro werde es immer Liebhaber für das althergebrachte, haptisch erlebbare Buch geben.

Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite der Buchbinderei Mensch.

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