„Endlich Feierabend!“Kölner Student warnt mit eigenem Brettspiel vor Pflegenotstand

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Simon Büngener und sein Brettspiel

Köln – Ein neuer Patient soll auf die Pflegestation aufgenommen werden, ein anderer fühlt sich schlecht und bedarf ärztlicher Hilfe und die Schicht ist sowieso unterbesetzt. Das Pflegepersonal musste auch schon vor der Corona-Pandemie psychisch und körperlich viel aushalten und wird obendrein auch noch schlecht bezahlt. Der Kölner Pädagoge Simon Büngener will nun mit dem Spiel „Endlich Feierabend!“ auf das ernste Thema aufmerksam machen. Es dürfte das erste Spiel in Deutschland sein, das den Pflegenotstand thematisiert.

Drei Jahre Entwicklungszeit für Brettspiel

Drei Jahre und etwa 2000 Stunden hat Büngener an dem Spiel getüftelt. Herausgekommen ist mit „Endlich Feierabend“ ein klassisches Brettspiel, bei dem man mit einem Würfel seine Figur in Richtung Ziel bewegt. „Man durchläuft einen Tag in einer Pflegeschicht“, erläutert Büngener. „Durch Fachwissen, richtiges Handeln und eine Prise Glück wollen die Mitspielerinnen und Mitspieler die Schicht so schnell wie möglich hinter sich bringen.“

Auf diesem Weg werden die Spielelenden unter anderem von einem Diagnose- und Anatomieheft begleitet sowie von Übergabe-, Pausen- und Überstundenkarten. 400 Karten hat sich der 27-Jährige ausgedacht, bei denen eine Menge gelernt werden kann. Wie viel soll ein Menschen am Tag trinken? Was macht man, wenn jemand einen Olivenkern verschluckt hat, der im Hals steckengeblieben ist? Was ist Krupp-Husten?

Büngener kennt sich im Thema Pflege aus. Er hat in einer Psychiatrie gearbeitet, wurde dort Stationsleiter und schließlich Pflegedienstleiter. „Aber irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich kündigen musste. Ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass das wirtschaftliche Interesse soweit über dem Wohl der Mitarbeitenden und Patienten liegt.“

Heute arbeitet Büngener in der Jugendhilfe, wo er Menschen, die es auf dem ersten Bildungsweg schwer hatten, bei der Ausbildung unterstützt. Büngener selbst stammt aus einer Nicht-Akademiker-Familie und hat nach dem Hauptschulabschluss sein Fachabitur und studiert derzeit an der Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM) in Köln den Bachelorstudiengang Gesundheits- und Sozialmanagement.

Zeitnot, Überstunden, wenig Lohn

Das Thema Pflegenotstand ist für Büngener, der privat auch seinen querschnittgelähmten Vater pflegt, eine Herzenssache. Pflegekräfte würden zu schlecht bezahlt, arbeiteten unter Zeitnot, leisteten Überstunden und erhielten zu wenig Wertschätzung. Dies seien Gründe, warum so wenige junge Menschen den Beruf ergriffen. „Wenn es aber nicht genug Pflegekräfte gibt, die sich um ihre Patienten kümmern, leiden letzten Endes die Patienten darunter.“ Überlastete Pflegekräfte hätten mitunter keine Zeit, die Arbeit so zu verrichten, wie sie getan werden müsste. „Dinge werden übersehen und es schleichen sich Fehler ein.“

Spieletests mit 150 Pflegekräften

Sein Spiel hat er bereits mit 150 Pflegekräften getestet, das Feedback sei überwiegend positiv gewesen. „Es ist extrem wichtig, es immer wieder zu spielen, um so Denkfehler zu bemerken und sicherzustellen, dass auch alle mathematischen Grundsätze stimmen“, sagt Büngener. Bei der Vermarktung habe er zunächst Probleme bekommen.

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„Viele Verlage haben sich nicht getraut, ein Spiel mit einem ernsten Thema herauszubringen.“ Nun sei das Spiel bereits auf dem digitalen Innovationsforum vorgestellt worden, man kann ihm auf der „Startnext“-Webseite, einer Crowfunding-Plattform, „folgen“ und erhält eine Nachricht, sobald es verfügbar ist, sagt der Spielentwickler. Im November sei es bei Amazon, dem Adellos-Shop und in Geschäften erhältlich.

Büngener hat selbst schon weitere Projekte in Planung. Einerseits will er nach dem Bachelorstudium seinen Master an der FOM im Studienfach Public Health machen. Zum anderen bereitet er ein Kinderbuch mit dem Titel „Die Gefühlsklinik“ vor, mit dem er Mädchen und Jungen die Angst vor einem Aufenthalt in der Psychiatrie nehmen will. Das Buch soll noch in diesem Jahr erscheinen.

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