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„Flutung mit Migranten“Kölner Model wurde von der AfD ins Visier genommen

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Der Kölner Student Philipp Awounou

Der Kölner Student Philipp Awounou

Köln – Philipp Awounous Geschichte beginnt Ende des vergangenen Jahres. Eine gemietete Wohnung in Köln. Ein befreundeter Fotograf macht Bilder, Awounou und seine Freundin Regina sind die Models. Sie lachen viel. Später stellt der Freund die Aufnahmen in die Datenbank seiner Agentur. Awounou und seine Freundin wissen nicht, ob sie jemand kaufen wird.

Dann kommt die DAK-Gesundheit, ein Riese von Versicherung. Im November 2017 startet die Kampagne. Awounou und seine Freundin grinsen von Hausfassaden in ganz Deutschland. 25000 Plakate. Sie zeigen, wie beide auf ein Ultraschallbild schauen. Freunde schreiben ihnen: „Wie lustig, ihr seid überall zu sehen!“

Beschimpfung in Facebook-Kommentaren

Am 5. Februar 2018 postet die Facebook-Seite „Alternative für Deutschland Nordwestmecklenburg“ ein Foto des Plakats auf Facebook. Darüber steht: „Flutung unseres Landes mit Migranten. Die Krankenkassen freut es.“ In der Kommentarspalte entlädt sich der Hass. „Überall jetzt Kanaken-Werbung“ schreibt einer. „Freut sich der Kollege etwa über seinen deutschen Pass?“ ein anderer. Der Beitrag wird bis heute knapp 250 Mal geteilt.

Ein Shitstorm gegen Awounou. Auch wenn sie gar nicht wissen, wie er heißt. Weil er dunkelhäutig ist. „Es scheint Menschen zu geben, die sich nicht vorstellen können, dass ein Dunkelhäutiger auch deutsch ist“, sagt er. Der Student fühlt sich verletzt. Er ist in Deutschland geboren, nahe Karlsruhe großgeworden, schreibt derzeit seine Bachelorarbeit an der Sporthochschule Köln. Im echten Leben hatte der 23-Jährige kaum Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Er fängt an die Kommentare zu lesen, es sind Hunderte.

AfD habe keine Ressourcen Beiträge zu moderieren

Dann beginnt er mit der Dokumentation, notiert die Beleidigungen. Er schreibt der DAK und auch der AfD. Beide antworten: Die Werbeagentur hinter der Kampagne schreibt, sie fand das Motiv einfach passend. Die AfD schreibt, sie habe zu wenig personelle Ressourcen, um die rassistischen Einträge zu moderieren.

Einen Tag später beobachtet Awounou, wie Kommentare, in denen Menschen gegen den Rassismus anschreiben, von der Seite verschwinden. Die AfD löscht sie offenbar. „Da war ich am Boden“, sagt er, „so einen Willen, Hass zu schüren, das musste ich erst einmal verarbeiten.“

In die Offensive gegangen

Dann eben Offensive. Awounou verschickt Nachrichten an rund 30 Leute, die ihn unter dem Bild beschimpft haben. Er will wissen, warum diese Menschen ihn hassen, ohne dass sie – außer seiner Hautfarbe – etwas über ihn wissen. Und warum diese Leute ihren Rassismus so öffentlich machen?

Ein paar Antworten kommen rein. Anja erzählt, ihre Mutter wäre von einer Gruppe Ausländer bedrängt worden. Anja hat Angst vor Ausländern. Awounou sagt: „Ich habe Verständnis für sie.“ Nicht für ihre fremdenfeindlichen Äußerungen. Auf keinen Fall. Aber für Anjas Weg dorthin. „Sie ist in eine Echokammer gerutscht“, sagt Awounou, „Niemand hat ihr wieder andere Meinungen gezeigt. Weil es im Netz nur noch »Die gegen uns« gibt, zwei Fronten, keine Debatte.“

Awounou will Menschen aus der rechten Blase zurückholen

Manchmal schreiben beide heute noch. Anja hat auch Awounous Text auf „Spiegel Online“ gelesen. Awounou versucht in dem Artikel zu verstehen, warum gerade sein Bild so viel Wut geweckt hat. Anja hat geschrieben, sie will nun vorsichtiger werden, bei dem was sie so ins Internet setzt.

Awounou bereut die Fotos nicht. Er ist froh über die Erfahrung. Sie hat ihm gezeigt, was fehlt: der Dialog. Seine Geschichte soll nun enden, findet Awounou. Aber nicht die Debatte. „Nicht alle, die unter dem Bild beleidigend wurden, sind Nazis“, sagt er, „Es gibt keine Entschuldigung für Rassismus, aber es gibt Gründe.“

Rassismus wird Awounou nie verstehen können. Aber er wünscht sich, dass diese Leute zurückgeholt werden können aus ihrer rechten Blase. „Stigmatisieren hilft nicht, diesen Menschen muss zugehört werden“, sagt er.

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