„Für «schwul» kämpfen müssen“Warum der CSD Köln mehr als eine bunte Parade ist

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CSD Straßenfest 020722

Viele Besucherinnen und Besucher beim CSD-Straßenfest in der Kölner Altstadt.

  • Beim Christopher Street Day denken wir häufig an die große Parade und bunte Kostüme.
  • Doch der CSD in Köln ist viel mehr als ein schrilles Spektakel.
  • Ein Rundgang auf dem Straßenfest in der Kölner Altstadt zeigt die vielen Facetten des queeren Lebens.

Köln – Arno Höffels-Dehnen hatte ein Suchtproblem. Er ist schwul, konnte das 1994 aber nicht offen zeigen. Alkohol half ihm, dachte er. Doch in Wahrheit konnte er irgendwann nicht mehr ohne. Er wollte sich Hilfe holen, wegkommen vom Alkohol. Also ging er zu einer Selbsthilfegruppe. Doch als er sich dort vorstellte und sagte, dass seine Sucht mit seiner Sexualität und dem gesellschaftlichen Umgang damit zusammenhängt, hieß es, das Thema habe keinen Platz in der Gruppe.

Also gründete er gemeinsam mit seinem Ehemann Knut Dehnen ShalkNRW – eine Suchtselbsthilfe für queere Menschen. Allein in Köln gibt es jetzt zwei Selbsthilfegruppen. Zum CSD informieren sie jetzt schon zum wiederholten Male mit einem Stand am Alter Markt. Ihre Erfahrung zeigt ihnen, dass auch heute noch queere Menschen oft von Suchtproblemen betroffen sind. Den Zusammenhang mit dem Coming-Out hören sie regelmäßig.

Beratung auf dem CSD Köln: „Ein Coming-Out ist nicht nur ein Problem der Neunziger“

„Durch unser Angebot gibt es jetzt aber wenigstens einen sicheren Raum, in dem man über diesen Zusammenhang spricht und daran arbeite kann“, sagt Höffels-Dehnen. Der Fokus bei ihnen liegt zwar auf homosexuellen Menschen, aber es kommen Personen mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten, sexuellen Präferenzen und Suchterfahrungen, um sich Hilfe zu holen.

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Auch Menschen jeden Alters kommen zur Suchtselbsthilfe. „Ein Coming-Out ist nicht nur ein Problem der Neunziger“, sagt Höffels-Dehnen. Auch heute sei es noch schwierig, obwohl vieles schon besser läuft. Für junge Menschen gibt es in Köln beispielswese viele Beratungsangebote wie das Jugendcafé anyway.

Deren aufblasbarer Pavillon ist eine orangene Insel im Meer der tausenden Besucherinnen und Besucher, die mittags in der prallen Sonne über den Alter Markt laufen. Jugendliche sitzen hier in Campingstühlen und tauschen sich aus, einige haben Regenbogenfahnen um den Hals gewickelt.

„Wir haben uns den Begriff ,schwul‘ erkämpfen müssen“

Gegenüber vom anyway-Pavillon steht Andreas Kringe vom Verein rubicon. Die beiden Gruppen „Golden Gays“ und „Golden Girls“ informieren hier über Angebote für schwule und lesbische Menschen über 50.

Aber auch über die eigenen Erfahrungen wollen sie erzählen unter dem Motto: „Unsere Freiheit hat Geschichte.“ Hier zeigen sich Debatten über die Generationengrenzen hinweg: „Wir haben uns den Begriff ,schwul‘ erkämpfen müssen“, sagt Kringe. „Heute wird viel unter ,queer‘ zusammengefasst – aber denken die Menschen bei diesem modernen Begriff auch an uns Ältere?“

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Doch es gibt viel Austausch zwischen den Generationen. So treffen sich die „Golden Girls“ und jüngere lesbische Frauen vom Café anyway regelmäßig. Und bei, „Dyke-March“, bei dem vor allem lesbische und queere Frauen demonstrieren, fahren viele Jüngere die Rtischkas der „Golden Girls“, die teilweise nicht mehr gut zu Fuß sind. Auch wenn in der Community viel diskutiert wird, demonstrieren hier Alt und Jung für eine gemeinsame Sache.

Politische Debatten haben ihren festen Platz am CSD. Auf der Bühne am Heumarkt sprachen Politikerinnen und Politiker aller Bundestags-Parteien bis auf die AfD über die Situation der LGBTIQA*-Community in Deutschland. Doch die Demonstrationen, die Aufklärungsarbeit und die Vernetzung innerhalb der Community kennen keine Ländergrenzen, wie Draqueen Tatjana Taft sagt. „Wir sind nicht am Ende des Kampfes und werden es wohl auch nie sein. Aber es ist mein dreiundzwanzigster CSD und jedes Jahr werden wir mehr – für die queeren Menschen auf der ganzen Welt.

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