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„Gab es noch nie“Kölner Uniklinik wird zum Dreh- und Angelpunkt der Corona-Forschung

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Virologe Florian Klein (l.) und Infektiologe Gerd Fätkenheuer im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

  • Es ist ein beispielloses Vorhaben: 150 Millionen Euro werden den Unikliniken vom Bund für Studien zur Verfügung gestellt, damit diese in groß angelegten Kooperationen gemeinsam forschen können.
  • Das Ziel: Alle Facetten des Coronavirus sollen analysiert und besser verstanden werden. Insgesamt sind 13 Projekte geplant. Die Kölner Uniklinik arbeitet an zwölf mit – und leitet gleich vier selbst.
  • Jeweils eines wird von Virologe Florian Klein und Infektiologe Gerd Fätkenheuer geleitet. Sie erklären, wie sie die Forschung voranbringen wollen – und warum sich der Bund für Köln als zentralen Standort entschieden hat.

Köln – „Wir wollen hier einen Beitrag leisten, um die Pandemie schneller in den Griff zu bekommen“, sagt Gerd Fätkenheuer. Der Infektiologe von der Kölner Uniklinik ist am Donnerstag offiziell mit der Leitung eines bundesweiten Forschungsprojekts zu Covid-19 betraut worden. „B-FAST“ heißt es und wurde in die Welt gerufen, um besser zu verstehen, wie die die Übertragung des Virus genau funktioniert.

Mehrere hundert Menschen forschen in den kommenden Monaten unter seiner Leitung. An insgesamt 25 Standorten soll untersucht werden, wie genau sich Covid-19 verbreitet: Schulen und Seniorenheime werden unter die Lupe genommen, Stichproben in der Bevölkerung durchgeführt. Auch Teststrategien sollen entwickelt und verglichen werden. „Es geht darum, das Infektionsgeschehen – zum Beispiel an Schulen – gut zu überwachen und einen möglichen Ausbruch schnell in den Griff zu bekommen.“ Erprobt werden auch sogenannte Pool-Tests, bei denen Speichelproben einer ganzen Klasse auf einmal einem Virus-Test unterzogen werden können.

Projekt-Aufträge für Köln „ein großer Erfolg“

Es ist eines von 13 Projekten, die ab sofort vom Bundesforschungsministerium gefördert werden – mit insgesamt 150 Millionen Euro. Wie viel Geld in die Arbeiten welcher Uniklinik fließt, ist nicht bekannt. Wohl auch, um den Netzwerk-Charakter der Studien zu betonen, den es in dieser Form laut Fätkenheuer „noch nie gab“. Alle 36 deutschen Unikliniken sind involviert und arbeiten zusammen. Für die Krise gilt: Kooperation statt Konkurrenz.

Und dennoch möchte jeder einen möglichst großen Teil vom Kuchen haben. Es ist davon auszugehen, dass Köln in der Verteilung der Gelder an der Spitze steht: An zwölf von 13 Projekten ist man beteiligt, vier werden von der Uniklinik aus geleitet. „Ein großer Erfolg“, so Fätkenheuer, um schnell hinterherzuschieben: „Und eine große Herausforderung.“ Florian Klein, Leiter des Instituts für Virologie, pflichtet ihm bei: „Die Zahlen sprechen für sich.“ Die beiden Wissenschaftler schwanken im Gespräch zwischen Stolz und Bescheidenheit. Klar ist: In Köln soll die deutsche Corona-Forschung entscheidend vorangebracht werden.

„In Köln arbeiten Klinik und Virologie Hand in Hand“

Aber warum hier? „Man sieht und hört derzeit viele Virologen, die für sich allein sprechen. In Köln ist das anders: Klinik und Virologie arbeiten Hand in Hand, Theorie und klinische Praxis finden ständig zusammen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal“, so Fätkenheuer, der selbst beides ist: Arzt und Forscher. Auch der Virologe Klein lobt die „enge Kooperation“ zwischen beiden Bereichen.

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Der 43-Jährige leitet ebenso wie Fätkenheuer eines der Projekte, „COVIM“ heißt es. Das Ziel der hier geplanten Studien sei, die „Entwicklung von Immunität gegen SARS-CoV-2 genau zu entschlüsseln.“ Analysiert werden dafür Patienten- und Labordaten. Das Team um Professor Klein besteht aus 50 Forschern, die bundesweit arbeiten.

Corona-Immunitätsausweis als Folge der Studien?

Wann können sich Infizierte erneut anstecken? Führt auch eine Infektion mit schwachem Verlauf zur Immunität? Welche Rolle spielen Superspreader genau? Klein wird sich auf die Suche nach Antworten begeben. Antworten also, die vonnöten sind, falls ein Immunitätsausweis in Zukunft ernsthaft diskutiert werden sollte. Die Finanzierung durch Bundesgelder könnte als Hinweis hierauf gelesen werden. Doch Klein stellt klar: „Die Frage nach einem Immunitätsausweis wird nicht direkt adressiert.“ Im Moment sei es „nicht sicher möglich, zu sagen: Diese Person ist immun und kann ohne Bedenken Kontakt zu Covid-19-Patienten haben. Wir arbeiten daran, dies zu ändern.“ Ein Immunitätsausweis sei also „eine mögliche Ableitung aus unseren Forschungen“. Keineswegs aber die Intention selbiger.

„Am Ende wollen wir daraus Therapien und präventive Ansätze entwickeln“, sagt Klein. Es geht bei den neuen Studien um Vernetzung der zahlreichen Teilinformationen, die in den vielen deutschen Kliniken, Gesundheitsämtern und Laboren oft verwahrlost herumliegen. Stellt man sie schlüssig zusammen, so die Hoffnung, ergibt sich ein vollständigeres Bild.

Das finanzielle Ausmaß, die bundesweite Kooperation und die Geschwindigkeit haben „eine neue Qualität“, so Fätkenheuer: „Eine ganz tolle Chance für uns alle“ sei das. Gemeint sind wohl wirklich alle: Köln, die Unikliniken, Deutschland und der Rest der Welt. Die Corona-Pandemie ist eben auch eine Sternstunde der Wissenschaft.

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