„Desaster aus Fehlplanungen“Spielbetrieb in Kölner Oper noch 2024 ist fraglich

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Baustelle der Oper

Die Baucontainer an der Oper werden so schnell nicht verschwinden.

Köln – Als „Desaster aus Fehlplanungen und geplatzten Träumen“ hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Dienstag die Sanierung des denkmalgeschützten Opernhauses am Offenbachplatz beschrieben. Ein Desaster, das den Steuerzahler sehr teuer zu stehen kommt. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits am Montag exklusiv berichtet hatte, wird sich die Wiedereröffnung erneut nach hinten verschieben.

Frühestens im März 2024 will Bernd Streitberger, technischer Betriebsleiter der Bühnen, das sanierte Opernhaus schlüsselfertig übergeben und nicht – wie bislang geplant – bereits im dritten Quartal 2023. Die Verlängerung der Bauzeit um ein weiteres halbes Jahr schlägt sich auch in der Kostenprognose nieder. Lagen die Baukosten bislang bei höchstens 612 Millionen Euro, sind es nun beim Eintritt aller Risiken bis zu 644 Millionen Euro. Als die Sanierung 2012 begann, waren es noch 253 Millionen Euro.

Kosten von mehr als einer Milliarde Euro

Wer die Finanzierungskosten wie die Zinsen für die Baukredite über einen Zeitraum von 40 Jahren (260 Millionen Euro) und die Kosten für die Ausweichspielstätten (bislang 113,5 Millionen Euro) hinzuaddiert, kommt auf einen Betrag von mehr als einer Milliarde Euro.

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„Das ist bitter“, sagte Oberbürgermeisterin Reker am Dienstag. Dennoch zeigte sie sich überzeugt, dass es richtig gewesen sei, die Opernsanierung nach der gescheiterten Wiedereröffnung 2015 fortzusetzen. Die SPD als stärkste Oppositionskraft hatte sich mehrfach dafür ausgesprochen, über einen Abriss nachzudenken, nachdem die Sanierung vor fünfeinhalb Jahren aufgrund von Fehlplanungen scheiterte.

Nach der Barbarei des Naziterrors ein Ort der Begegnung

„Ich sage aus voller Überzeugung, Köln und die Kölner brauchen Oper und Schauspiel“, sagte Reker. Es seien nicht zuletzt die Bühnen gewesen, die einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt wieder auf die Beine geholfen hätten. Die Verantwortlichen damals seien so klug und vorausschauend gewesen zu erkennen, dass nach der Barbarei des Naziterrors einen Ort der Begegnung, des Diskurses und der Unterhaltung nötig sein würde – und das sei das Opernhaus gewesen. Reker erinnerte an bejubelte Opernaufführungen und internationale Stars wie Maria Callas, mit denen Köln geglänzt habe. „Die Oper wird vielleicht nicht glänzen wie die Elbphilharmonie in Hamburg, aber sie wird strahlen“, sagte Reker.

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Bis dahin ist allerdings noch ein weiter und teils auch ungewisser Weg zu gehen. Ein Ingenieurbüro hat die unzureichende Planung der Haustechnik – die aus Sicht der Bühnen einer der ausschlaggebenden Gründe für das bisherige Scheitern der Sanierung war – noch einmal völlig neu aufgesetzt. Das habe länger gedauert als zuvor gedacht und zur Verzögerung der Wiedereröffnung beigetragen, sagte Bernd Streitberger am Dienstag.

Weitere Gründe für die Verspätung bei Opern-Sanierung

Der technische Betriebsleiter verwies darauf, dass ein weiterer Grund für die Verspätung die intensive Prüfung der Planungen gewesen sei. Als dritter Faktor seien die umfangreichen Ausschreibungen für die Baufirmen, die am Einbau der Haustechnik beteiligt sind, hinzugekommen.

Streitberger schätzt die neue Planung als „exzellent“ ein und spricht von einer „Tiefe und Breite wie es das Opernhaus noch nie gesehen“ habe. Diese Worte erinnern an seine Worte in seiner damaligen Funktion als Baudezernent. Er bescheinigte den Bühnen 2012 „eine bemerkenswerte Tiefe und Genauigkeit der Planung“. Er und sein Team seien sich sehr sicher, eine gute Grundlage für die nun anstehenden Bauarbeiten geschaffen zu haben. Sicherstellen kann er aber nicht, dass sich die neuen Planungen auch tatsächlich vollständig umsetzen lassen. „Ich kann das nicht garantieren, aber wir sind sehr sicher unterwegs“, sagte Streitberger.

Insolvenz eines Rohbau-Unternehmens als weitere Hürde

Die Arbeiten an der Haustechnik, die seit 2015 ruhen, sollen bereits im März oder April wieder anlaufen. Ab Mitte des Jahres soll der Baubetrieb wieder voll im Gange sein. Streitberger sieht allerdings bereits jetzt die nächste Hürde vor sich. Das Unternehmen, das für den Rohbau verantwortlich war, hat Insolvenz angemeldet. Den Auftrag will er noch im Februar neu vergeben. Ein Gutachter wird zudem die nicht sauber ausgeführte Klinkerfassade untersuchen.

Ob eine Schlüsselübergabe im März 2024 auch bedeutet, dass die Oper auch im Herbst 2024 den Spielbetrieb wiederaufnehmen kann, ist fraglich. Die Oberbürgermeisterin schätzt, dass die neue Intendantin oder der neue Intendant ein halbes Jahr benötigen wird, bis die erste Aufführung gelingen kann. Jede weitere Verzögerung im Bauablauf würde die Wiedereröffnung zwangsläufig erneut nach hinten verschieben.

Die Chronik einer langwierigen Sanierung

Februar 2005 Der damalige Baudezernent Bernd Streitberger schätzt eine Sanierung auf 145 Millionen Euro zuzüglich 30 Millionen Euro für Ersatzspielstätten. Einen Neubau taxiert er auf 190 Millionen Euro.

Juni 2005 Kulturdezernent Georg Quander beziffert die Sanierungskosten auf 150 bis 200 Millionen Euro.

Februar 2006 Quander schlägt vor, das Schauspiel neuzubauen und die Oper zu sanieren.

Juni 2006 Der Stadtrat beschließt den Abriss des Schauspielhauses inklusive Neubau sowie die Sanierung der Oper.

August 2007 Die Kosten für die Sanierung steigen auf mehr als 250 Millionen Euro.

Februar 2010 Der Stadtrat entscheidet sich für den Siegerentwurf der Architekturbüros JSWD und Chaix & Morel für ein neues Schauspielhaus.

April 2010 Die Bürgerbewegung „Mut zur Kultur“ setzt sich dafür ein, das Schauspielhaus nicht abzureißen und es stattdessen ebenfalls zu sanieren. Die nötigen Stimmen für einen Bürgerentscheid kommen zusammen.

Oktober 2010 Der Rat schließt sich der Bürgerbewegung an, verhindert damit einen Bürgerentscheid und beauftragt die Bühnen mit der Planung der Sanierung für beide Gebäude. Die Kosten werden auf 253 Millionen Euro begrenzt.

Juni 2012 Die Bühnen übergeben die Gebäude am Offenbachplatz nach der letzten Aufführung von „Die Meistersinger von Nürnberg“ an die Arbeitsgemeinschaft der Bauunternehmen. Die Sanierung kann beginnen.

September 2014 Die Bühnen geben bekannt, dass das sanierte Opernhaus im November 2015 eröffnen soll.

Oktober 2014 Die Stadt kündigt eine Beschleunigung der Sanierung und höhere Kosten an.

Dezember 2014 Es wird bekannt, dass sich die Eröffnung möglicherweise um einige Monate verzögern wird.

April 2015 Die Bühnen tauschen den externen Projektsteuerer aus - über die Gründe wird Stillschweigen vereinbart.

Juli 2015 Als Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erhebliche Probleme auf der Großbaustelle offenbaren, teilt die Stadt mit, dass die Wiedereröffnung um ein Jahr verschoben werden muss.

November 2015 Die Bühnen kündigen den Vertrag mit dem Ingenieurbüro Deerns, das für die Planung der Haustechnik zuständig war. Oberbürgermeisterin Henriette Reker gibt bekannt, dass die Oper nicht vor 2018 wiedereröffnet werden kann und dass das Projekt bis zu 460 Millionen Euro kosten wird.

März 2016 Der Stadtrat genehmigt das neue Budget in Höhe von 348 Millionen Euro.

Mai 2016 Der ehemalige Dezernent Streitberger übernimmt die neu geschaffene Position des technischen Betriebsleiters der städtischen Bühnen.

November 2016 Das Ingenieurbüro Deerns klagt gegen die fristlose Kündigung seitens der Stadt. Der Stadtrat erhöht das Budget für die Sanierung auf 404 Millionen Euro.

Juli 2017 Bernd Streitberger gibt bekannt, dass die Sanierung bis zu 570 Millionen Euro kosten wird und das Haus erst 2023 bezogen werden kann.

Juni 2019 Streitberger gibt bekannt, dass er die Oper voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2023 schlüsselfertig übergeben kann – die Wiedereröffnung läge ein halbes Jahr danach. Die Prognose für die Baukosten liegt bei bis zu 571 Millionen Euro. 

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