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„Intrigante Unternehmerin“Wer war Klosterfrau-Gründerin Maria Clementine Martin?

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Klosterfrau Maria Clementine Martin

Klosterfrau Maria Clementine Martin

  • Die ehemalige Nonne Maria Clementine Martin gründete 1826 in Köln ihre eigene Firma, aus der später das Traditionsunternehmen „Klosterfrau Melissengeist“ wurde.
  • Martin wurde oft als „vielgeprüfte Duldnerin“ und „mildtätige Heilerin“ beschrieben. Oder war sie vielmehr eine eiskalte Geschäftsfrau?
  • Zwei Autoren beschäftigen sich in einer „kritischen Rückschau“ mit der Legende der Klosterfrau-Gründerin, an der Martin zu Lebzeiten selber fleißig mitgestrickt haben soll.

Köln – Die „vielgeprüfte Dulderin“, deren Leben von „christlicher Liebe“ geprägt war, hat in unermüdlicher Tatkraft „Armen und Bedrängten Linderung und Hilfe“ verschafft und die Fabrikation des „so berühmten Carmeliter-Melissengeistes“ wie auch des Kölnischen Wassers vervollkommnet. So heißt es im Nachruf auf die ehemalige Nonne Maria Clementine Martin, der im August 1843 in der „Kölnischen Zeitung“ erschien. Wer war die „ehrwürdige Jubilar-Klosterfrau“, die im Schatten des Doms eine kleine Firma gründete, aus der ein großer Konzern entstehen sollte?

Um mit der Legende der mildtätigen Heilerin, an der Martin selber fleißig mitgestrickt habe, aufzuräumen, haben Helmut Heckelmann und Georg Schwedt ihr Buch „Kölnisch Wasser und Melissengeist“ geschrieben, das sie als „kritische Rückschau“ verstanden wissen wollen. Das Porträt, das sie von der Ordensfrau zeichnen, ist alles andere als schmeichelhaft. Die Quellenlage, so resümieren sie, vermittle „das Bild einer berechnenden, ja zum Teil intrigant wirkenden Unternehmerin“. Ein „liebenswerteres Bild“ würde sich vielleicht ergeben, könnte man auf private Quellen zurückgreifen; doch gerade an solchen Papieren fehle es.

Maria Clementine bekam eine Leibrente von 160 Talern

Am 5. Mai 1775 in Brüssel geboren, trat Wilhelmine Martin mit 17 Jahren in das Kloster der Annuntiaten in Coesfeld ein; von nun an nannte sie sich Maria Clementine. Als das Kloster im Zuge der Säkularisierung unter Napoleon aufgehoben wurde, zogen die Nonnen in das Kloster Glane bei Gronau um. 1811 schlossen die Franzosen auch diesen Konvent. Maria Clementine musste zusehen, wie sie zurechtkam. 

Eine Wende brachte das Jahr 1815: Weil die ehemalige Nonne am Rande der Schlacht von Waterloo verwundete preußische Soldaten im Lazarett versorgt hatte, setzte König Friedrich Wilhelm III. ihr eine jährliche Leibrente von 160 Talern aus. Starke Zweifel haben die Autoren an Martins Behauptung, wonach sie acht Jahre im Kloster der Karmelitinnen in Brüssel gelebt habe. Nachweisen lassen sich dagegen, dass sie sich spätestens ab 1821 in Münster aufhielt. Hier fällt zum ersten Mal ein Schatten auf Martin als „Heilerin“. Weil sie an Patienten, die an „Fistel- und Krebs-Schäden“ litten, Kuren vornahm, wurde gegen sie wegen Pfuscherei ermittelt. Über den Ausgang des Verfahrens ist nichts bekannt. Jedenfalls wurde ihr Gesuch abgelehnt, weiterhin solche „Schäden“ zu behandeln, und sie verlor ihre „wirtschaftliche Grundlage.“.

Maria Clementine Marin kämpfte mit harten Bandagen

Die Firmengeschichte

Die Firma „Maria Clementine Martin Klosterfrau“ wurde im Mai 1826 gegründet. Im selben Jahr begann Maria Clementine Martin, neben Kölnisch Wasser auch „Carmeliter-Wasser“, das heißt Melissengeist zu produzieren. 1843 verfügte sie in ihrem Testament, dass ihre rechte Hand Peter Gustav Schaeben als Alleinerbe das Unternehmen übernehmen solle. Er weitete das Geschäft Zug um Zug aus. Sein Sohn Robert Schaeben führte es 1885 bis 1933 weiter, dann ging es in Konkurs.

Der Autohändler Wilhelm Doerenkamp, der als Kommanditist in das Unternehmen eingetreten und Hauptgläubiger war, erwarb und sanierte die Firma, die sich fortan auf die Herstellung von Melissengeist konzentrierte. 1962 entstand in Berlin als zweitem Produktionsstandort die Tochtergesellschaft Klosterfrau Berlin GmbH. 1972, nach Doerenkamps Tod,wurde im Chur in der Schweiz die Wilhelm Doerenkamp Stiftung als Holding der verschiedenen Länder- und Firmengruppen gegründet.

Seit 2006 heißt die Firma, die an ihren deutschen Standorten rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt, Klosterfrau Healthcare Group. Die Klosterfrau Zürich AG, wie sich das Schweizer Pharmaunternehmen auch nennt, hat ihren Sitz in Zürich. Die operative Hauptzentrale befindet sich aber in Köln, am Stammsitz in der Gereonsmühlengasse. Von hier aus werden Herstellung und Vertrieb von mehr als 220 Produkten gelenkt, die ein Sortiment mit dem Schwerpunkt Selbstmedikation bilden. (cs)

Maria Clementine Martin war fast 50, als sie 1825 nach Köln, „um zu helfen, zu heilen und Unternehmerin zu werden.“ Das würden Heckelmann und Schwedt als beschönigende Darstellung zurückweisen. Allerdings können sie den letzten Teil gelten lassen – mit dem Zusatz, dass Martin als Unternehmerin mit harten Bandagen zu kämpfen und zu flunkern verstand, wenn es ihrem Geschäft nutzte. Zunächst verlegte sie sich darauf, „ein sich selbst empfehlend ächtes Kölnisch Wasser“ zu destillieren. 

Die Konkurrenz war groß; für 1821 sind 64 Hersteller von Eau de Cologne ausgewiesen, darunter die Familie Farina. Dass auch die Konkurrenz nicht zimperlich in der Wahl der Mittel war, zeigt der Umstand, dass Maria Clementine Martin ein halbes Jahr nach Eröffnung ihres Geschäfts mit dem Vorwurf angeschwärzt wurde, sie habe die Gewerbesteuer nicht gezahlt. Offenbar eine Lüge.

1827 entschied die Unternehmerin, dass sie außer Kölnisch Wasser nun auch „Carmeliten-Geist“, Lavendel-Wasser und den so genannten „Essig de quatre voleurs“, der vor pestartigen Krankheiten schützen sollte, im Angebot habe. Melissen- oder Karmelitergeist ist ein stark alkoholhaltiger Extrakt aus 13 – lange geheim gehaltenen – Kräutern. Das Hausmittel soll gegen drohende Erkältungen und bei Magen-Darm-Beschwerden zu sich genommen werden – oder man rieb sich damit ein; außerdem fand sie als Parfüm Verwendung. Auch wenn im Dunkeln bleibe, wie Martin ihr Kenntnisse zur Herstellung des Destillats erworben habe, sei ihre „Fertigkeit als Fabrikantin des eigene Karmeliter Melissengeistes unbestritten“.

Fehlende Warmherzigkeit

Bereits Jahre vorher hatte Martin bei sich einen 14-jährigen Jungen aufgenommen: Peter Schaeben, der zum unverzichtbaren Mitarbeiter wurde. Kurz vor ihrem Tod setzte sie ihn zum Universalerben ein. Am 9. August 1843 starb die Unternehmerin in Köln. Resümierend kritisieren die Autoren Martins Wahl der Mittel: „nicht nachweisbare Behauptungen“ und „fehlende Rücksichtnahme gegenüber Konkurrenten“.

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Allerdings habe die Frau einen eisernen Willen“ bewiesen. Mit dem verkaufsfördernden Namen habe sie zudem ihrer Firma „den Nimbus mittelalterlicher Klostermedizin erworben“. Daneben aber bleibe das wenig schmeichelhafte Bild einer Person, „die nur für ihr Geschäft und ihren orthodoxen Glauben lebte und Warmherzigkeit vermissen ließ“.

Buchtipp: G.Schwedt/ Helmut Heckelmann: Kölnisch Wasser und Melissengeist. Die Geschichte der Klosterfrau Maria Clementine Martin (1775 – 1843). LIT-Verlag, 192 S., 24,90 Euro.

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