„Krise wirkt sich massiv aus“Hohe Baukosten: Was kann sich Köln noch leisten?

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

So könnte der Neumarkt aussehen, wenn die unterirdische Variante der U-Bahn verwirklicht wird. 

Köln – Erst Corona, dann die Flut mit zerstörten Baufirmen, steigende Zinsen und jetzt der Ukraine-Krieg: Krise folgt auf Krise, die Preise im Baugewerbe steigen massiv – mit Konsequenzen für Städte und Gemeinden. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, fordert deshalb: „In Städten und Gemeinden müssen Projekte gestoppt werden oder können nicht weiterbetrieben werden, weil man die finanziellen Folgen nicht abschätzen kann.“

Aber ist das tatsächlich realistisch? Angesichts eines laut Landsberg Investitionsstaus von 159 Milliarden Euro in deutschen Städten und Gemeinden. Angesichts fehlender Schulen, fehlender Wohnungen, veralteten Museen.

Ist eine neue Kölner U-Bahn bezahlbar?

Was hieße das für milliardenschwere Großvorhaben wie eine mögliche neue U-Bahn auf der Ost-West-Achse – auch wenn der Bau ja noch einige Jahre entfernt ist. Landsberg sagt: „Daseinsvorsorge ist wichtig, aber einiges wird ein frommer Wunsch bleiben, es ist Krieg in Europa. Kommunen müssen priorisieren, was unbedingt wichtig ist und was nicht. Da muss die Politik ehrlich sein.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Laut des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB) haben Städte und private Unternehmen schon auf die Bremse getreten, das geht aus den Vergleichszahlen für Bauaufträge aus dem April 2022 und dem April 2021 hervor. Der Wohnungsbau: minus 17,4 Prozent. Der Hochbau: minus 15,3 Prozent. Der Straßenbau: minus 13,6 Prozent.

Krise hat Köln erreicht

Längst ist die Krise in Köln angekommen, das zeigen nicht-öffentlichen Unterlagen, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen: Im Mai waren von 450 Millionen Euro geplanten Bauleistungen für dieses Jahr 258 Millionen Euro von Corona, Flut und Krieg betroffen, steigende Zinsen und der Fachkräftemangel sind da noch gar nicht aufgezählt. Das Urteil des Baudezernates: „Somit ist die Umsetzung von circa 60 Prozent der Jahresbauleistungen stark risikobehaftet.“

Laut Baudezernent Markus Greitemann sollen bestehende Projekte beendet werden, bei anderen müsse man schauen, was die Stadt sich leisten könne.  Ein Überblick.

Schulbau: 54 fehlende Schulen oder Schulerweiterungen hatte die Stadt 2020 mal festgestellt, die Schulplatzvergabe hat sich aufgrund der Platznot zur Lotterie entwickelt, aufgebrachte Eltern und Rektoren inklusive. Greitemann sagt: „Den Schulbau werden wir ohne Wenn und Aber vorantreiben und versuchen zu beschleunigen, trotz der hohen Kosten für das Material.“

Ein Beispiel ist die Erweiterung der Kaiserin-Augusta-Schule in der Innenstadt, zehn der einst vorgesehenen 26,5 Millionen Euro wollte die Stadt dieses Jahr dort verbauen. Das ist nun völlig offen, es heißt im Risikobericht: „Projektsteuerung weist auf mögliche Preissteigerungen und Lieferschwierigkeiten von Material in Bezug auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die damit verbundenen Preissteigerungen von Erdgas und Erdöl hin.“

Laut HDB kam vor dem Krieg die Hälfte des benötigten Stahls in Deutschland aus Russland, Belarus oder der Ukraine. Das ist jetzt vorbei. Laut des Kölner Bauunternehmers Anton Bausinger suchen die Firmen nach Alternativen, Stahl kaufen sie nun in der Türkei.

Museen: Köln ächzt unter einem Sanierungsstau der alten Museen wie dem Römisch-Germanischen (RGM) oder dem Wallraf-Richartz, weitere folgen in den nächsten Jahren wie etwa mit dem Ludwig. Sie sind mit vielen Millionen Euro veranschlagt, das RGM mit 41,7 Millionen Euro. Das war schon vor dem Krieg eine längst überholte Zahl, jetzt ist sie es erst recht.

Laut Greitemann aktualisiert die Stadt gerade die Kostenprognosen für die Museen, nach der Sommerpause will er sie der Politik präsentieren. Es dürfte ein freudloser Vortrag werden.

Wohnungsbau: Für aktuelle Wohnbauprojekte rechnet die GAG allenfalls mit Verzögerungen, für zukünftige sieht das aber anders aus, es fällt dem mehrheitlich städtischen Unternehmen laut eigener Aussage schwerer, akzeptable Handwerkerangebote zu bekommen. „Die negative Zuspitzung der wesentlichen Parameter erfüllt uns durchaus mit Sorge, sagt Chefin Kathrin Möller.

Zum kriselnden Wohnungsbau sagt sie: „Es bedarf keiner Propheten für die Feststellung, dass in diesem Jahr weniger Wohnungen gebaut werden, sowohl öffentlich gefördert als auch freifinanziert.“

Dabei waren die 2520 fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr zwar knapp 500 mehr als im Jahr zuvor, doch sind immer noch weit entfernt von den mittel- bis langfristig angestrebten 4000 bis 6000 neuen Wohnungen im Jahr. Auch Greitemann berichtet von zurückhaltenden Projektentwicklern, von weniger Bauanträgen.

Neue Büroviertel: 7000 Menschen sollen mal im neuen Büroquartier „I/D Cologne“ auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Mülheim arbeiten, Siemens ist schon da, Renault folgt noch. 2026 soll das Quartier nach rund acht Jahren komplett stehen. Andreas Rieger, Geschäftsführer für Planen und Bauen beim Investor Art-Invest, spricht von explodierenden Baupreisen aufgrund der Lieferketten-Probleme: „Der Wind wird schon rauer.“

Die Investoren haben laut Rieger unter anderem ein Problem: Durch die steigenden Zinsen werden die Immobilienprojekte für institutionelle Anleger „nicht interessanter“, die Finanzierung wird teurer.

Für das „I/D Cologne“ geht er davon aus, dass die Probleme zu bewältigen sind, weil die Nachfrage von Mietern konstant ist. Aber Rieger sagt allgemein zum Immobiliensektor auch: „Wenn die Mieten mal sinken, kann es dramatisch werden.“

In Mülheim greifen die Planer ein, überprüfen, was die Gebäude wirklich brauchen und was nicht, etwa bei der Fassade oder der Ausstattung, also alles was nicht die Mietfläche betrifft. Rieger sagt aber auch: „Es werden keine rechteckigen Schuhkartons gebaut.“

KStA abonnieren