„Long Covid“Viele junge Patienten leiden nach Corona-Infektion unter Langzeitfolgen

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Frauen sind grundsätzlich häufiger von Langzeitfolgen betroffen als Männer.

Köln – Grundsätzlich kann eine Infektion mit dem Coronavirus nach rund zwei Wochen überstanden sein. Nach Symptomen wie Fieber, Husten und Gliederschmerzen können die genesenen Personen wieder am Familienleben teilnehmen, Sport machen, anfangen zu arbeiten. Doch es geht auch anders. Viele Menschen leiden auch Wochen und Monate später noch unter den Folgen der Infektion. Forscherinnen und Forscher nennen dieses Phänomen „Long Covid“. Auch in Köln sind davon viele Menschen betroffen.

Das zeigt eine medizinische Untersuchung der Uniklinik Köln. 958 Personen wurden nach ihrer abgeschlossenen Corona-Infektion in diesem Rahmen für sieben Monate beobachtet. Das Ergebnis: Auch junge Menschen, die teils lediglich einen leichten Krankheitsverlauf hatten und nicht in einer Klinik behandelt werden mussten, leiden unter Langzeitfolgen, die die Lebensqualität einschränken. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Worauf beruhen die Ergebnisse der Uniklinik Köln?

Zu Beginn der Pandemie hatte die Uniklinik Köln Personen, die zu dieser Zeit bereits eine Corona-Infektion durchgemacht hatten, dazu aufgerufen, Blut und Plasma zu spenden. „Grundsätzlich wollten wir durch die Beobachtung lernen, die Langzeit-Immunität nach einer Covid-Erkrankung überhaupt zu verstehen – also wie sich das Immunsystem in dieser Zeit verändert“, sagt Prof. Clara Lehmann, Leiterin des Infektionsschutzzentrums an der Uniklinik Köln. Doch im Juni sei den an der Beobachtung beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufgefallen, „dass es einige Patienten gibt, die auch Monate nach der Erkrankung immer noch Beschwerden haben“, so Lehmann. Grund genug, um sich dieses Thema in einer weiteren medizinischen Beobachtung näher anzuschauen.

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Was sind die häufigsten Langzeitfolgen?

Dazu gehören vor allem Geruchs- und Geschmacksveränderungen, extreme Müdigkeit sowie Lungenfunktionsstörungen. Die in einem offiziellen Manuskript veröffentlichten Ergebnisse der Uniklinik zeigen, dass vier Monate nach der überstandenen Infektion von 442 Personen 8,6 Prozent unter Kurzatmigkeit litten, 12,4 Prozent unter einer Riechstörung, 11,1 Prozent unter einer Geschmacksstörung und 9,7 Prozent unter Müdigkeit. Auch sieben Monate nach einer durchgemachten Infektion würden bei etwa 15 Prozent aller Patienten noch Beschwerden vorliegen.

Welche Patienten sind von Langzeitfolgen betroffen?

Das kann grundsätzlich jeden treffen. Bei Personen, die einen schweren Krankheitsverlauf haben, auf der Intensivstation behandelt werden und möglicherweise sogar beatmet werden müssen, ist nach Angaben von Medizinerinnen und Medizinern bereits länger bekannt, dass etwa Lungenfunktionsstörungen keine Seltenheit sind und sie länger brauchen, um sich von der Infektion zu erholen.

„Wichtig zu beachten ist aber, dass bei den von uns untersuchten Patienten 98 Prozent nur einen milden Krankheitsverlauf hatten und nicht stationär behandelt wurden“, sagt Clara Lehmann. Bei den etwa 15 Prozent, die nun unter Langzeitfolgen leiden, handele es sich vermehrt um junge Menschen – mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren. „Es waren viele Leute, die über Karneval im Skigebiet Ischgl waren und sich dort sehr früh infiziert hatten“, so Lehmann.

Laut der Medizinerin würden viele junge Menschen sagen, dass für sie eine Infektion nicht schlimm wäre, weil sie dann vermeintlich nur mal zwei Wochen krank sind und danach wieder alles gut zu sein scheint. „Aber das ist falsch, es muss nicht alles wieder gut sein“, sagt Lehmann. Sie selber habe eine 21-jährige Nichte, die sich bereits im September mit Corona infiziert hat und „noch immer keinen Geschmack und keinen Geruch hat, obwohl sie nur einen leichten Verlauf hatte“.

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Die Ergebnisse der Beobachtung zeigen, dass Frauen häufiger von Langzeitfolgen betroffen sind als Männer. „Zudem haben wir noch zwei weitere Beobachtungen gemacht, von denen wir aber noch nicht genau wissen, was es bedeutet“, sagt Lehmann. Zum einen würden Patienten eher ein Long-Covid-Syndrom vorweisen, wenn sie einen niedrigen Antikörper-Spiegel zu Beginn der Erkrankung haben. Den gleichen Effekt hätte zum anderen eine Diarrhö, also eine Durchfallerkrankung, während der akuten Phase. „Viele Dinge wissen wir noch nicht. Aber wir versuchen mit solchen Beobachtungen, das Krankheitsbild besser zu verstehen“, so Lehmann.

Wodurch werden Langzeitfolgen ausgelöst?

Das ist bisher noch unklar. Im Rahmen einer Studie der Rockefeller University in New York sei bei genesenen Patienten eine Darmspiegelung durchgeführt worden. Der Grund: Der Darm ist das größte Immunabwehr-Organ des Körpers. „Er ist quasi wie ein Gartenschlauch im Bauch, ausgekleidet mit einer Tapete aus Immunzellen“, so Lehmann.

Das Ergebnis: Bei mehr als 50 Prozent der Patienten mit einem Long-Covid-Syndrom konnten Viren im Darm nachgewiesen werden. Es könne daher sein, dass bei diesen Personen durch die dort gefundenen Viren, „oder jedenfalls Bruchstücke davon, das Immunsystem weiterhin aktiviert wird und diese Langzeitfolgen erzeugt werden“, sagt Lehmann. Das sei aber bisher nicht bewiesen, sondern nur eine Idee.

Können Langzeitfolgen behandelt werden?

„Bislang können wir sie noch nicht richtig behandeln“, sagt Lehmann. Bei einem Geruchsverlust würden HNO-Ärztinnen und -Ärzte etwa ein Riechtraining durchführen, „aber das ist das einzige, was man in dieser Situation tun kann“.

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