„Mehr Weh-Wehchen“Kölner Bobsportlerin spricht über Opfer im Sportleralltag

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Für Bobsportlerin Leonie Fiebig hat Köln große Lebensqualität.

Köln – Leonie Fiebig hasst Kälte. Sie bezeichnet sich selbst als „Frostbeule“ und mutmaßt: „Im nächsten Leben werde ich Beachvolleyballerin.“ Man muss vergnügt stutzen, denn in dieser Welt ist Fiebig Bobsportlerin, vermutlich die einzige in Köln, schließlich „korreliert der Standort nicht gerade mit Wintersport“, sagt die Wahlkölnerin. Hier hat die 29-Jährige dennoch alles, was sie braucht.

An der Sporthochschule Köln, wo sie als Masterstudentin eingeschrieben ist, kann sie trainieren: In der Position als Anschieberin muss sie Krafttraining betreiben und Sprintsprung üben, denn beim Start muss sie ihre Explosivkraft abrufen können. Hundertstel-Sekunden können beim Rennen über den Erfolg entscheiden. Die Geschwindigkeit, das Adrenalin, die Grenzerfahrung – all das reizt die Profisportlerin, wenn sie den 170 Kilo schweren Bob mitsamt Pilotin beschleunigen muss. 

Und wenn sie nach 30 bis 60 Meter auf der Eisbahn selbst in das Gefährt hineinspringt, direkt hinter ihre Fahrerin, heißt es: Kontrolle abgeben. „Das fiel mir am Anfang schwer. Ich kann durch meine Körperverlagerung den Fahrrhythmus zwar unterstützen, aber schwerwiegende Fahrfehler nicht mehr ausgleichen.“

Umfeld der Kölnerin erst skeptisch: „Bist du nicht zu alt dafür?“ 

Fiebig ist in der Nähe von Lohmar aufgewachsen. Weil sie aus einer Nicht-Akademiker-Familie komme, habe sie der Ehrgeiz gepackt, als sie mit ihrem Sportstudium anfing. Dementsprechend schwer fiel ihr die Entscheidung, ihren Master 2018 erst einmal zu unterbrechen. Aber der Bobsport ist ein Vollzeitberuf und „ich bin gemacht dafür“.  So viel Selbstbewusstsein steckt in dieser 1,80 Meter großen Frau mit kräftiger Statur. Ihr Umfeld war zunächst skeptisch. „Ich wurde häufig gefragt: Mit Ende 20 willst du noch anfangen? Du bist doch zu alt dafür!“ Die Zustimmung erhielt sie aber, „als ich 2018 das erste Mal im Fernsehen bei meinem ersten Weltcup-Einsatz zu sehen war. Auf einmal waren meine Familie und meine Freunde stolz.“

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Gerade erst kommt sie von der Weltmeisterschaft in Altenberg zurück: Platz fünf von 20. „Das war eher enttäuschend, dennoch sehe ich das nicht als Niederlage. Das große Ziel ist ohnehin Olympia 2022 in Peking.“

Bald schon geht das Training wieder los, einmal in der Woche muss sie auch nach Winterberg. Natürlich sei es aufwendig, sich allein zu motivieren, zumal ihr  Team, darunter ihre derzeitige Pilotin Stephanie Schneider, in unterschiedlichen Städten wohnt. „Aber Köln gibt mir viel Energie und Wohlbefinden“. Sie will hier nicht weg, denn in ruhigeren Zeiten, kann sie hier auch mal loslassen vom Sport und endlich wieder ausgehen.

Köln: Bierdeckel mit Fiebigs Lächeln in der ganzen Stadt verstreut

Nicht ohne Stolz erzählt sie, dass Bierdeckel mit ihrem Lächeln auf den Theken Kölns verstreut sind. Sie mag die Stadt, sie mag Bier, warum also nicht   Botschafterin einer Kölsch-Brauerei werden?

Am liebsten gehe sie in die Kneipe „Joode Lade“ an der Lindenstraße. Doch Party geht nur in Portionen, denn dem Profi-Sport fällt so manches zum Opfer. Essen, Schlafen, Ausgehen – alles muss genau dosiert werden. „Mit dem Alter bekommt man mehr Weh-Wehchen, mit Anfang 20 habe ich viel mehr weggesteckt. Für die Vor- und Nachbereitung des Trainings geht eben so viel Zeit wie für das Training an sich drauf.“ Dehnen, Yoga, Physiotherapie, Bäder − ein akkurater Plan gibt den Takt in ihrem Alltag vor. Doch es lohne sich, denn die richtige Zeit dafür sei jetzt. „Irgendwann denkt man ja auch daran, vielleicht mal eine Familie zu gründen

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