„Menschenverachtend“Gewalttäter flüchtet vor Urteil – Richter attackiert Anwalt

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Benjamin Roellenbleck, Vorsitzender Richter am Landgericht Köln.

Köln – Der Kölner Richter Benjamin Roellenbleck ist für seine deutlichen und kompromisslosen Worte bekannt. „Menschenverachtend“, so nannte er das Vorgehen eines Verteidigers im Verfahren um eine brutale Messerattacke in einem Fitnessstudio. Noch außergewöhnlicher war allerdings die Tatsache, dass der Angeklagte nicht mehr auftauchte. Dieser erhielt ein Hafturteil in Abwesenheit.

Dreifacher Familienvater auf der Flucht

Sechs Jahre und neun Monate Gefängnis wegen gefährlicher Körperverletzung hatte Roellenbleck ausgeurteilt. Und das hätte er dem Täter, der nicht in Untersuchungshaft saß, am Freitag in Saal 112 des Landgerichts auch gerne persönlich mitgeteilt. „Vielleicht hatte er eine Vorahnung, dass er eine härtere Strafe bekommen könnte“, so der Richter, der den Umstand „misslich“ nannte.

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Der Angeklagte beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.

Der Beschuldigte, 42 Jahre alt und dreifacher Familienvater, befindet sich somit auf der Flucht und wird per Haftbefehl gesucht. Es erscheint möglich, dass er sich in die Türkei absetzen will, wo die Familie ein Grundstück mit Haus und Walnussplantage besitzt. Grundsätzlich habe der Angeklagte aber seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland, zumal er in Velbert geboren und aufgewachsen sei.

Angeklagter sprach von Bedrohungslage

Dass der Prozess überhaupt ohne Angeklagten zu einem Ende geführt werden konnte, liegt daran, dass dieser bei vier Verhandlungstagen anwesend war. Er hatte gestanden, im Mai 2019 in der Umkleide der McFit-Filiale an der Bonner Straße einen weiteren Kunden mit dem Messer verletzt zu haben. Er habe sich bedroht gefühlt, doch dieser Aussage hatte der Richter nicht geglaubt.

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Der Täter habe zugestochen, nachdem sich die Kontrahenten zunächst um einen Spind gestritten und später mit beleidigt hätten. „Wie Kinder, die sagen: Du bist blöd, nein du bist blöd“, führte der Richter aus. Als das 31-jährige Opfer bereits gedacht habe, der Streit habe sich gelegt, habe ihm der Täter ein Bein gestellt, ihm das Messer in die Seite gerammt und gesagt: „Das hast du nun davon.“

Richter attackiert Anwalt: „Das ist zynisch!“

Panisch war das Opfer, dessen Lunge verletzt worden war, dann durch das Fitnessstudio gerannt und habe um sich geschrien. Laut Richter habe der Verteidiger im Plädoyer behauptet, das Opfer habe damit die Verletzungen verschlimmert. „Das ist zynisch. Was sollte er denn lieber machen? Schnauze halten, Wunde abdrücken und sich hinlegen?“, fragte Roellenbleck in Richtung des Anwalts.

Der 31-Jährige, dessen Leben nur durch eine Not-Operation gerettet werden konnte, leide bis heute unter Alpträumen, könne nicht mehr schwer heben, was dessen Ausbildung zum Koch gefährde. Die harte Strafe hätte der Täter daher auch ohne seine Flucht bekommen, „das können Sie ihm ausrichten“, so der Richter zum Anwalt. Der entgegnete trocken: „Das gebe ich so weiter.“

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