„Nicht hinnehmbarer Zustand“Kölner NS-Dok weiter ohne Direktor – Kritik nimmt zu

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Der Eingang zum „El-De-Haus“ in der Kölner Innenstadt.

Köln – Seit dem Ausscheiden des zum 1. November pensionierten langjährigen Direktors Werner Jung ist die Leitung des NS-Dokumentationszentrums im Kölner EL DE-Haus vakant. Ein „nicht hinnehmbarer Zustand, der auch über Köln hinaus kritisch beachtet wird“, findet nicht nur der Förderverein des NS-Dokumentationszentrums unter Vorsitz von Martin Sölle und Claudia Wörmann-Adam. „Schon angesichts der aktuellen Diskussion über Rassismus und Diskriminierung muss auf das Schärfste gegen diese Verfahrensweise der Stadt protestiert werden“, schreiben sie in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung.

Die Direktion einer der politisch wichtigsten und renommiertesten Kulturinstitutionen der Stadt müsse sofort besetzt werden. Obwohl der Verein dies beim Kulturausschuss und in der Öffentlichkeit wiederholt angemahnt habe, geschehe nichts. Unterstützt wird die Forderung auf soforte Neubesetzung von Gerhard Baum, Rolly Brings, Prof. Dr. Jost Dülffer, Irene Franken, alternative Ehrenbürgerin von Köln, Ulrich Soénius, Martin Stankowski, Wolfgang Uellenberg van Dawen, dem Sprecher Kölner runder Tisch für Integration, von Arsch huh und Köln stellt sich quer.

NS-Dok: Erst Konzept für Kölner Mitte entwickeln, dann Direktion besetzen? 

Die Stelle wurde im vergangenen Jahr ausgeschrieben, eine Vorstellungsrunde aber fand nicht statt. Am 8. März brachten Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Volt, unterstützt von SPD und Linke im Kulturausschuss einen Dringlichkeitsantrag ein, die Stelle unverzüglich zu besetzen. Der Antrag wurde jedoch zurückgezogen, nachdem die Verwaltung zusagte, die notwendigen Gespräche zu führen. „Ich werde alles dafür tun, dass dies auch so stattfindet", erklärte daraufhin Kulturausschuss-Mitglied Brigitta von Bülow für die Grünen.

Am 9. März begründete die Stadt die Unterbrechung des Besetzungsverfahrens mit einem Ratsbeschluss, der die Verwaltung beauftrage, die Historische Mitte, zu der auch das NS-Dokumentationszentrum gehöre, zu einem Alleinstellungsmerkmal der Stadt weiterzuentwickeln. Dabei seien „mögliche Synergien zu identifizieren“, wie es in dem Beschluss heißt. In einer Antwort auf eine SPD-Anfrage erklärte die Verwaltung, „zunächst zu eruieren, welchen Einfluss der geforderte Vernetzungsansatz auf die zukünftige strukturelle Ausrichtung der hier betroffenen Einrichtungen nimmt." Eine Wiederbesetzung der fraglichen Stelle solle diesen Überlegungen nicht vorgreifen. Die Entscheidung sei in Abstimmung mit dem Amt der Oberbürgermeisterin und dem NS-Dokumentationszentrum getroffen worden. Fällt das Wort „Synergien“ darf man immer auch Kürzung mitdenken. Will die Stadt die Stelle zukünftig ganz einsparen oder unter einer neu zu schaffenden Direktion der „Neuen Mitte“ das NS-Dok mitverwalten lassen?   

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Der Förderverein hatte nach eigenem Bekunden bereits Anfang Januar um ein Gespräch mit dem Beigeordneten Charles gebeten. Zu diesem Gespräch sei es in der vergangenen Woche gekommen. „Auf unsere Nachfragen wurden wir informiert, dass eine ‚Neuausschreibung‘ in ein, zwei oder auch drei Monaten erfolgen könnte, wenn es denn bis dahin ‚ein abgestimmtes Konzept zur historischen Mitte‘ gäbe.“ Der Verein erklärt nun, es dürfe nicht sein,  dass die bisher außerordentlich erfolgreiche Arbeit des NS-Dok und seine Reputation „zur Verfügungsmasse im Zusammenhang mit einem noch zu entwickelnden Konzept der ‚Historischen Mitte‘ werden“. Prof. Düllfner  erklärt auf Anfrage des Kölner Stadt-Anzeiger: „Das NS-Dok hat weitere Dimensionen, die nichts mit der Gestaltung der Kölner Mitte zu tun haben.“ 

Die SPD-Fraktion will nun auf Sitzung des Kulturausschusses am 5. April erneut den Antrag auf Neubesetzung einbringen. „Weiterhin hat die Verwaltung den Kulturausschuss und die Öffentlichkeit transparent über alle weiteren Schritte des Besetzungsverfahrens in Kenntnis zu setzen.“ Die Neubesetzung solange nicht einzuleiten, bis etwaige konzeptionelle Möglichkeiten der Vernetzung für die Historische Mitte angestrengt würden, sei „schon deshalb unverständlich, weil damit die neue Leitung vor vollendete Tatsachen gestellt würde“. Vielmehr sei es geradezu unabdingbar, dass die neue Leitung „in einen solchen Prozess, wenn er denn tatsächlich ansteht, einbezogen wird“. 

Langfristig Eigenständigkeit bewahren

Das NS-Dokumentationszentrum müsse weiterhin in seiner Eigenständigkeit bewahrt bleiben, so die SPD-Ratsfraktion. „Selbst wenn man es langfristig konzeptionell in die Historische Mitte einbetten wollte, was erst noch dargelegt und diskutiert werden müsste, rechtfertigt das nicht den derzeitigen Umgang mit dem Haus und seine Mitarbeitenden“, erklärt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Mike Homann.

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