Weiter Streit um KHD-Gelände„Ort der Industrie-Tradition darf nicht verschwinden“

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Luftaufnahme der ehemalige KHD Hauptverwaltung an der Deutz-Mülheimer Straße 147

Köln – Anton Schneider tritt aus dem Zimmer, in dem er einst die Vorstandssitzungen eines Kölner Weltkonzerns geleitet hat. Der große schwere Tisch und die dicken Polsterstühle in der ehemaligen Machtzentrale der Motorenfabrik Klöckner Humboldt Deutz sehen immer noch so aus, als wenn hier noch kürzlich gearbeitet worden sei. „Die Stadt tut zu wenig“, sagt der 69-Jährige beim Blick aus dem Fenster auf die Hallen hinter dem Gebäude der ehemaligen KHD-Hauptverwaltung. Die dem Verfall überlassenen alten Industrie-Hallen seien ein Sinnbild für trübe Zukunftsaussichten. Industrie, Handel, Medien – alles sei im Wandel. „Tausende Arbeitsplätze werden wegfallen.“

Zusammen mit dem Kölner DGB-Chef Witich Roßmann lässt sich Schneider von den Künstlern Anja Kolacek und Mark Leßle der Initiative „Raum 13“ durch das „Zentralwerk der schönen Künste“ führen. So haben die beiden die ehemalige KHD-Hauptverwaltung genannt, als sie vor acht Jahren hier als Mieter einzogen.

Ex-KHD-Chef Anton Schneider mit DGB-Chef Witich Roßmann sowie den Künstlern Anja Kolacek und Marc Leßle (v. r.) beim Rundgang durch die zum „Zentralwerk der schönen Künste“ umgewandelten ehemaligen Konzernzentrale

Ex-KHD-Chef Anton Schneider mit DGB-Chef Witich Roßmann sowie den Künstlern Anja Kolacek und Marc Leßle (v. r.) beim Rundgang durch die zum „Zentralwerk der schönen Künste“ umgewandelten ehemaligen Konzernzentrale

Aus einer Zwischennutzung für die Kunst wurde eine Vision für eine andere Art der Stadtentwicklung und einen anderen Umgang mit Grund und Boden. Schneider und Roßmann gehören zu den Unterstützern der Idee. „Dieser historische Ort der Kölner Industrie-Tradition darf nicht verschwinden“, sagt Schneider. „Die Stadt muss diesen Teil ihrer Geschichte erhalten. Hier kann Neues entstehen, das Antworten auf ihre Probleme gibt.“

Werbung für eine gute Mischung

Er wirbt für ein durchmischtes Viertel, in dem Wohnen, Arbeiten und Kultur zusammengehören. „Hier kann man junge Unternehmen ansiedeln, ihnen zwei, drei Jahre mietfreies Arbeiten anbieten, damit sie zukunftstaugliche Konzepte entwickeln können.“ Beim Umgang mit Grund und Boden dürfe es nicht immer nur um Rendite und Gewinn gehen. „Alle wissen um die Chance, die die Stadt hier hat“, sagt auch DGB-Chef Roßmann. „Warum wird das hier nicht energisch vorangetrieben?“

Manager in schwerer Krise

Anton Schneider (68) war von 1995 bis 2000 Vorstandsvorsitzender von Klöckner-Humboldt Deutz. In seine Amtszeit fällt die Umbenennung in Deutz AG. Der neue Name stand nach der Überwindung einer schweren Krise auch für einen Neuanfang des Traditionsunternehmens. Auf die ersten Sanierungserfolge zu Beginn seiner Amtszeit folgte ein tiefer Sturz, nachdem klar wurde, dass Geschäfte der KHD-Tochter Wedag in Saudi-Arabien aus den Jahren 1993 und 1994 zu einem Verlust von rund einer halben Milliarde Euro geführt hatten. Mit gefälschten Abrechnungen hatten die Verantwortlichen bei Wedag versucht, die Verluste zu vertuschen. Die KHD-Spitze um Schneider stand ebenfalls unter Druck. Nach intensiven Verhandlungen machten Zugeständnisse von Gläubigern, Banken und der Belegschaft die Rettung von KHD möglich. Der gebürtige Österreicher blieb nach Ablauf seines Fünf-Jahres-Vertrags, den er nicht verlängern wollte, in Köln. (fra)

Der Interessenvertreter der Kölner Arbeitnehmer und der ehemalige Spitzenmanager lassen sich gleichermaßen von dem begeistern, was Architekt Paul Böhm „Mustersiedlung für die Zukunft der Stadt“ nennt. Schneider sagt, dass sich die Stadt viel zu wenig um zentrale Zukunftsfragen kümmert. „Nur Radwege zu bauen, reicht nicht.“

Pulsierendes Zentrum für neues Viertel

Er sieht nicht nur bei der Stadt Versäumnisse. Den ersten großen Fehler hätten seine Nachfolger im zur Deutz AG umgetauften Motoren-Konzern gemacht, als sie entschieden haben, den Traditionsstandort zwischen Mülheim und Deutz aufzugeben und nach Porz zu ziehen. Die Deutz AG hätte selbst Verantwortung für das Areal übernehmen können, anstatt es einfach zu versilbern. Die Folgen lassen sich entlang der Deutz-Mülheimer Straße beobachten, wo wenig Innovatives entsteht. Um so wichtiger sei nun, das letzte noch nicht verwertete Grundstück, das sogenannte Otto-und-Langen-Quartier, zu erhalten. Es könnte das pulsierende Zentrum in einem neuen Stadtviertel sein. Roßmann und Schneider unterstützen damit auch die Künstlerinitiative „Raum 13“, die als Ankerpunkt für die Weiterentwicklung bleiben müsse.

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So hat es auch der Stadtrat beschlossen. Doch im Moment scheinen Stadt und Politik recht machtlos dem Eigentümer der ehemaligen KHD-Hauptverwaltung, Gottfried Eggerbauer, gegenüberzustehen, der sich für all die Ideen nicht zu interessieren scheint und das Gebäude weiter verkaufen will. Eggerbauer hat den Künstlern gekündigt. Am Freitag wird vor dem Landgericht seine Räumungsklage verhandelt . Das Zukunftsprojekt könnte seinen Antrieb verlieren, wenn „Raum 13“ ausziehen muss . „Da muss man doch vorher eine Einigung finden können“, fordert der leidenschaftliche Wahlkölner Schneider. „Man kann doch nicht einfach dasitzen und sagen, dass man nichts machen kann“, kommentiert er die letzten öffentlichen Aussagen der Stadtspitze um Stadtentwicklungsdezernent Markus Greitemann. „Man kann immer etwas machen.“

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