„Seelsorgerin von Zollstock“Margaret Jonen führt seit 28 Jahren Kiosk am Südfriedhof

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Brigitte Mohr (links, mit Snoopy) und Sohn Thomas kommen täglich bei Margret Jonen (r.) vorbei. 

Zollstock  – „Hallo Thomas, wie war der Urlaub“, begrüßt Margret Jonen ihren Kunden, der kurz nach zehn Uhr ihren Kiosk am Höninger Weg betritt. „War toll, ich bin mit einem Roller rumgefahren, wunderschöne Gegend. War nur zu kurz“, antwortet Thomas Mohr und schwärmt von seinen Ferien am Gardasee, während Margret ihm einen Kaffee macht. Mohr ist langjähriger Stammkunde in Margrets Büdchen, außerdem Nachbar und Freund. „Ich kenne dat Margret schon seit bald vierzig Jahren, ich gehöre hier sozusagen zum Inventar“, lacht er.

Die meisten kommen, wie Thomas, nicht einfach in den Kiosk, um sich Zigaretten, eine Zeitung oder ein Bier zu holen, sondern auch um zu plaudern – und wegen Margret. „Ich komme fast täglich herein, um hallo zu sagen und um diese Frau zu sehen. Sie hat ein großes Herz, ein Ohr für alle und ist ein bisschen die Seelsorgerin von Zollstock“, sagt ein junger Mann, der mit Margrets Enkeln spielt. „Ich kann gut zuhören, aber auch gut weghören, wenn ich merke, da erzählt mir jemand vom Pferd“, lacht die Kioskbesitzerin.

Seit 28 Jahren betreibt Margret Jonen ihr Kiosk

Der Kiosk wirkt ein bisschen wie die Küche einer Großfamilie - es ist immer jemand da, es kommt immer jemand herein, alle werden mit Vornamen begrüßt – eine vertraute, selbstverständliche Atmosphäre. „Ich würde sagen, hier trifft sich halb Zollstock“, schmunzelt Margret. Manche kämen nur einmal die Woche, die meisten jeden Tag und einige auch mehrmals am Tag, beschreibt sie.

Vor 35 Jahren zog die gebürtige Kölnerin nach Zollstock, den Kiosk betreibt sie seit 28 Jahren, mit Unterbrechung. Nach der Trennung von ihrem ersten Mann gab sie ihn ab, übernahm ihn aber kurz darauf wieder.

Jeden Tag steht die 58-Jährige von Montag bis Sonntag in ihrem Büdchen, von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Frei hat sie nur jeden zweiten Sonntag, da löst ihre Tochter sie ab. „Es geht nicht anders. So viel wirft ein Kiosk nicht ab, dass ich mir mehr Aushilfe leisten könnte“, schildert die Besitzerin. Hadern tut sie damit aber nicht, sind ihre Kunden doch auch ihre Freunde. „Wir kennen uns alle“, erzählt sie.

Während sie erzählt und Thomas seinen Kaffee trinkt, kommt dessen Mutter Brigitte herein. Sie holt Snoopy zum Spazierengehen ab. Den kleinen, weißen und zutraulichen Hund hatte Margrets Schwiegersohn angeschafft, aber letztendlich landete er bei Margret. Brigitte Mohr hatte früher auch einen Hund, aber aus Altersgründen will sie sich keinen eigenen mehr anschaffen. Da passt es wunderbar, dass es Snoopy gibt. „Meine Mutter kommt durch Snoopy jeden Tag raus und bewegt sich eine Stunde an der frischen Luft“, freut sich Sohn Thomas. Gut auch für Margret, die im Kiosk stehen muss und ohne Frage super für Snoopy, der so täglich seine Runde im Grünen dreht. „Wir helfen uns gegenseitig, das ist schön. Es kommen auch viele Rentner, die alleine leben und zwischendurch Hilfe brauchen können“, meint Margret.

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Wie Peter Frisch. Auch er kommt täglich und setzt sich an einen der Tische vor dem Kiosk. „Ich nehme hier mein zweites Frühstück, weil ich hier Gesellschaft habe“, erzählt Frisch. Wenn er mal ins Krankenhaus muss, springt Margrets Tochter ein und bringt ihm frische Sachen in die Klinik. Oder Anneliese. Sie lebt in einem Seniorenheim und Margret besucht sie alle 14 Tage, an ihrem freien Tag. „Anneliese ist jahrelang hierhergekommen, sie hat immer etwas für meine Kinder mitgebracht und mich unterstützt. Jetzt kümmere ich mich um sie“, beschreibt die Kioskbesitzerin. Auch ihre beiden kleinen Enkelinnen sind unter Woche jeden Tag im Laden, von früh bis zum Nachmittag. Zuviel werden Margret die beiden lebhaften Zweijährigen nicht. „Sie können im Garten spielen und die Kunden passen mit auf sie auf. Es geht auch nicht anders, sonst könnten meine Kinder nicht arbeiten“, erzählt sie und macht währenddessen für Sait Rührei. Auch er kommt fast täglich vorbei. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt er.

Margret kann aber nicht nur lieb, sie kann auch resolut. Als vor etwa zehn Jahren ihr Büdchen überfallen wurde, machte sie sich in Eigenregie über Facebook auf Tätersuche. „Das war ausgerechnet, als ich notfallmäßig mit Snoopy zum Tierarzt musste. Da hat mich meine Schwester vertreten. Es kamen zwei Männer herein und wollten an die Kasse“, erinnert sie sich. Die beiden hätten die Schwester bedroht, die konnte zum Glück auf die Straße fliehen, schildert sie. Die Kasse haben die Räuber nicht aufbekommen und sind mit zwei Dosen Tabak geflohen. „Meine Schwester hatte totale Angst. Die beiden Typen hatten Glück, dass ich nicht da war, ich hätte versucht, ihnen eins mit einer Flasche überzuziehen. Ich weiß, das soll man nicht, aber ich sehe bei so etwas Rot“, bekennt Margret. Angst habe sie im Kiosk nie, meint sie. Sie sei nie alleine, immer sei ein Kunde da und abends nach der Arbeit kommt ihr Mann und sitzt im Büro hinter dem Verkaufsraum.

„Selbst wenn ich im Lotto gewinnen würde, würde ich hier nicht wegziehen“

Die schönen Erlebnisse im Büdchen überwögen eindeutig, sagt Margret. So wurde hier schon mal eine Verlobung gefeiert und Margret und einige Kunden sammeln Geld in einem Sparkästchen. „Davon gehen wir einmal im Jahr essen“, schildert die tatkräftige Frau.

Nicht nur das gemeine Volk, auch „Royals“ schätzen Margret. Als vor einigen Jahren der Sender RTL2 „Promis auf Hartz IV“ drehte, tauchten Fürst Heinz von Sayn-Wittgenstein und seine damalige Frau Andrea bei „Getränke Margret“ auf. Für vier Wochen hatten die beiden ihre Luxusvilla auf Mallorca für eine kleine Wohnung in Zollstock getauscht. Überfordert mit der neuen Realität, suchte das Fürstenpaar Hilfe bei Margret und ihrer Kiosk-Gemeinde – und fanden sie dort auch. „Die beiden waren nett, aber schon ziemlich abgehoben und da war auch eine ganze Menge Schauspielerei dabei“, erinnert sich Margret. Es sei aber spannend gewesen, mal die Arbeiten hinter der Kamera mitzukriegen, schildert sie. „Das Fernsehteam war supernett und wenn sie heute in der Gegend sind, kommen sie auf einen Plausch vorbei“, freut sie sich.

Tauschen wollte sie mit den reichen Promis nicht. Ein bisschen mehr Geld, ein bisschen weniger Arbeit, das wäre ganz schön, meint sie. „Aber selbst, wenn ich im Lotto gewinnen würde, würde ich hier nicht wegziehen. Hier kenne ich doch alle“, meint Margret.

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