Abo

„Unfaire Sekten“Kölner Zirkus-Chef ätzt gegen Tierschützer

Lesezeit 5 Minuten
Roncalli-Chef Bernhard Paul (71) hat noch viele Ideen und Pläne.

Roncalli-Chef Bernhard Paul (71) hat noch viele Ideen und Pläne.

Köln – Mit einem Besucherrekord ging das Gastspiel des Circus Roncalli auf dem Neumarkt am Pfingstmontag zu Ende. Mehr als 80.000 Besucher wurden gezählt. Haben die den Zirkus der Zukunft gesehen?

Ich weiß nicht, ob es die Zukunft des Zirkus ist, aber meine Zukunft ist es auf jeden Fall. Das Kunststück, sich zu erneuern und dennoch der typische Roncalli zu bleiben, ist gelungen. Das neue, zeitgemäße Konzept ist aufgegangen und beim Publikum angekommen. Ich freue mich immer, wenn ich Recht habe. Der von mir entdeckte und äußerst vielseitige Spaßmacher Chistirrin aus Mexiko hat sich zu einem regelrechten Publikumsliebling entwickelt. Auch das erstmalig eingesetzte Hologramm hat technisch funktioniert und die Leute begeistert. Das muss noch verfeinert werden. Ich denke schon weiter, habe schon eine neue Nummer mit einem Roboter im Kopf. Auch den Verzicht auf Pferde haben die Zuschauer mitgemacht. Die kommen ja auch nicht wegen der Ponys, sondern wegen der herausragenden Clowns, der Weltklasse-Artisten, der gesamten Atmosphäre.

Mit Pferden hat doch das Zirkusgeschäft Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt erst angefangen.

Alles zum Thema Circus Roncalli

Das weiß ich doch. Früher gehörten Pferde zum Straßenverkehr. Auch da sind sie verschwunden. Ich kann den Tieren leider keine große grüne Wiese bieten, ich bin ja ein Großstadtzirkus. Wir gastieren auf den großen Plätzen mitten in der City. Das ist für Pferde keine vernünftige Umgebung. Aber der Verzicht auf Pferde im Zirkus ist meine Entscheidung. Ansonsten sind das Haus- und Nutztiere. Wenn man mit denen nichts mehr machen dürfte, würde sie keiner mehr halten und sie würden aussterben. Deshalb sollten Pferde auch weiter im Rosenmontagszug mitlaufen – wenn man's richtig macht, sie die richtigen Hufe haben und die Sache zeitlich begrenzt ist. Ich wünsche mir ja auch, dass die Zirkusunternehmen, die auf Tierdarbietungen setzen wie „Krone“ und „Knie“, weiter fortbestehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Aber die leiden unter ständigen Anfeindungen, Beschimpfungen und Demonstrationen von selbst ernannten Tierschützern.

Sogenannte Tierrechtsorganisationen wie Peta sind für mich nichts anderes als unfaire Sekten. Die ticken nicht mehr richtig, wollen vom Therapie-Pferd bis zum Blindenhund fast alles verbieten lassen. Die schreien von Tierquälerei, obwohl sich „Krone“ und „Knie“ an alle gesetzlichen Auflagen halten und viel mehr tun, als der Tierschutz verlangt. Zirkus hat doch viele verschiedene Facetten. Ich habe mich für Theater-Zirkus entschieden. Dafür habe ich noch viele Ideen.

An diesem Sonntag haben Sie Ihren 71. Geburtstag gefeiert. Denkt man da nicht mal langsam an Loslassen und Ruhestand?

Was ist das denn? Mick Jagger und Keith Richards sind noch fünf Jahre älter und stehen mit den Rolling Stones immer noch auf der Bühne. Auch Eric Clapton ist älter als ich und noch unterwegs. Meine Reise zum Regenbogen geht jedenfalls noch weiter und endet irgendwann in der Kiste. Ich habe doch einen künstlerischen Beruf, der mir Spaß macht. Das ist ja keine Last, das ist eher wie in einer großen Familie, in der man gern zusammen ist. Warum sollte ich da aufhören?

Köln ist längst Ihre zweite Heimat. Hier haben Sie ihren Wohnsitz und das Winterquartier von Roncalli. Wie sehen Sie die Stadt?

Inzwischen bin ich länger hier als in meiner Heimatstadt Wien. Man schlägt Wurzeln. Ich liebe die Kölner und die Stadt. Köln ist nicht gerade ein architektonisches Juwel, aber ich bin nicht zufällig hier. Ich war hier auf Anhieb zu Hause. Meine beiden Töchter Vivian und Lili sind hier geboren und beide sind irgendwie auch positiv verrückt auf Köln. Am liebsten würde ich alles, was ich mache, in Köln machen. Aber es gibt auch einiges zu kritisieren. Und ich kann das vergleichen, denn ich bin in vielen Städten unterwegs. Nirgendwo anders gibt es so viele Baustellen, an denen es nicht richtig vorangeht. Mir fehlt da eine konsequente Stadt-Planung. Zudem wird Köln immer schmutziger. Die Leute lassen alles fallen. Und es gibt zu viel Plastik-Müll. Im Zirkus versuchen wir nach und nach ganz plastik-frei zu werden. Es ist gar nicht so schwer, das zurückzuschrauben. Das müsste in der Stadt doch auch gehen. Solche Ideen müssten die Händler aufgreifen. Um dauerhaft etwas zu verbessern, auch was das Image Kölns nach außen angeht, braucht man nicht unbedingt viel Geld, aber ein Konzept.

Zumindest rund um Ihr Winterquartier in Mülheim haben Sie ein Konzept.

Ja klar, da kommt mein Museum hin. Das ist so etwas wie mein Geschenk an die Stadt und an die Kölner. Die zugehörigen Pläne sind schon lange fertig und bei der Stadtverwaltung eingereicht. Ich versuche gerade noch ein benachbartes Grundstück hinzuzukaufen und warte auf die notwendigen Baugenehmigungen. In diesem „Museum of Broken Dreams“ werden meine Zirkus- und Clown-Sammlung gezeigt, aber auch Musikinstrumente und Anzüge der Beatles, das von Coco Chanel entworfene Kleid, das Marlene Dietrich in ihrem letzten Film „Gigolo“ trug, und dazu eine Gitarre von David Bowie, der auch im Film mitspielte. Und noch vieles mehr. Wenn alles gut läuft, können wir einiges zeigen, wenn Roncalli das nächste Mal in Köln gastiert – im Frühjahr 2020.

KStA abonnieren