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„Vorsätzliche Tötung“ ist kein ThemaBGH entscheidet über die Raser vom Auenweg

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Die Radfahrerin hatte keine Chance, dem BMW auszuweichen.

Die Radfahrerin hatte keine Chance, dem BMW auszuweichen.

Köln – Kann eine Bewährungsstrafe genügen, wenn bei einem illegalen Autorennen ein Mensch getötet wird? Das muss nun der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem Fall aus Köln entscheiden.

Ein „spontanes“ Rennen mit über 95 km/h

Zwei junge Männer, Erkan F. und Firat M., wollten im April 2015 frühabends von Niehl zu den Rheinterrassen fahren. F. im BMW und M. im Mercedes. An der Ampel zum Auenweg stoppten sie ein letztes Mal, dann brauste F. mit einem Blitzstart davon, M. dicht hinterher. Es sei ein „spontanes“ Rennen gewesen.

Nach wenigen hundert Metern verlor der vorausfahrende F. bei 95 Stundenkilometern in einer Kurve die Kontrolle über seinen BMW. Er kollidierte mit einer 19-jährigen Jurastudentin, die auf dem Radweg neben der Straße fuhr. Sie starb wenige Tage später im Krankenhaus.

Angeklagte und Staatsanwaltschaft gingen in Revision

Das Landgericht Köln verurteilte F. und M. ein Jahr später wegen „fahrlässiger Tötung“ zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren (F.) und einem Jahr neun Monaten (M.). Beide Haftstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Die Führerscheine wurden für jeweils dreieinhalb Jahre entzogen. Gegen das Urteil waren Angeklagte und Staatsanwaltschaft in Revision gegangen.

Die Revision der Angeklagten hatte der BGH schon am Dienstag im schriftlichen Verfahren abgelehnt. In der mündlichen Verhandlung ging es nun also nur noch um das Rechtsmittel der Anklage, die ausschließlich die Strafhöhe und die Aussetzung zur Bewährung beanstandet hatte.

Landgericht habe sich nicht mit der Wirkung des Urteils auseinandergesetzt

„Wir müssen uns heute also nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob hier auch die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts möglich gewesen wäre“, sagte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible zu Beginn der Verhandlung. Das Landgericht Berlin hatte Anfang des Jahres zwei Raser, die den Tod eines Rentners verursacht hatten, wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft Annette Böringer monierte vor allem die Aussetzung der Freiheitsstrafen zur Bewährung. Laut Gesetz sei dies nicht möglich, wenn die „Verteidigung der Rechtsordnung“ den Vollzug einer Gefängnisstrafe erfordere. Das Landgericht, so Böringer, habe sich aber gar nicht mit der Wirkung seines Urteils auf das „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ auseinandergesetzt.

Firat M. sorgte sich um seine teuren Felgen

In Köln hätten die Bewährungsstrafen „große Bestürzung“ ausgelöst, was durch zahlreiche Medienberichte belegt sei. Michael Biela-Bätje, der Verteidiger des Todesfahrers F., entgegnete: „Man darf nicht jede Presseveröffentlichung mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung gleichsetzen“.

Die Anklage-Vertreterin monierte außerdem, dass sich das Kölner Gericht nicht genug mit dem empathielosen Verhalten von Firat M. nach dem tödlichen Unfall auseinandergesetzt habe. Dieser hatte sich nicht dafür interessiert, wie es dem Opfer geht, sondern nur Sorgen um die teuren Felgen seines Mercedes gemacht.

Urteil wird am 22. Juni verkündet

Sein Verteidiger Sebastian Schölzel argumentierte vor dem BGH, dass M. zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst war, dass er als Teilnehmer eines illegalen Rennens Mitverantwortung für den Tod der Studentin hatte.

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Auch die Vorsitzende Richterin wollte dem Verhalten M.s kein rechtliches Gewicht zumessen. „Das mag charakterlich anstößig sein, daraus folgt aber noch keine rechtsfeindliche Haltung“. Der BGH dürfe in der Revision nur Rechtsfehler korrigieren, sich aber nicht mit eigenen Wertungen an die Stelle des Landgerichts setzen.

Die beiden Angeklagten waren nicht nach Karlsruhe gekommen. Anwesend waren aber Vater und Bruder der getöteten Studentin. Das Urteil wird am 22. Juni verkündet.

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