„Welcome Walks“Ehrenamtler zeigen Flüchtlingen Köln und die Veedel

Lesezeit 4 Minuten
Ute P. und Rama A.

Ute P. und Rama A.

Köln – „Ich nehme jetzt vieles ganz anders wahr“, sagt Ute P., „meine Einstellung zu Geflüchteten hat sich durch die persönlichen Kontakte um 180 Grad gedreht.“ Zunächst kam die ehemalige Versicherungsangestellte über Facebook in Kontakt mit einem Syrer, erfuhr einiges über seine Flucht. Davon angeregt, meldete sie sich im vorigen Jahr bei der Kölner Freiwilligen Agentur, um sich für einen der „Welcome Walks“ zur Verfügung zu stellen: Ein Kölner oder eine Kölnerin erkunden mit einem Flüchtling bei drei Spaziergängen, die je drei Stunden dauern, die Stadt, oder sie fahren zusammen Rad, trinken Kaffee, kochen, besuchen ein Museum und anderes mehr.

Redebedarf bei den Flüchtlingen

Ute P. begleitete einen jungen Syrer und stellte nach dessen anfänglicher Zurückhaltung fest, wie groß sein Redebedarf war. So gute Erfahrungen hat sie mit dem „Welcome Walk“ gemacht, dass sie nun wieder dabei ist. Diesmal bildet sie mit Rama A. ein „Tandem“. Die 21-Jährige, die aus Homs stammt, ist 2017 mit ihrer Familie vor dem Krieg in Syrien geflohen.

In ihrer Heimat hat sie Abitur gemacht; das Fernstudium der Journalistik musste sie wegen der Flucht abbrechen. „Ich wollte mehr von Köln sehen als meine Sprachschule und unsere Wohnung“, sagt sie. Vor allem wollte sie deutschsprachige Einheimische kennenlernen. In dem Mietshaus, in dem sie mit ihren Eltern und drei Geschwistern lebt, sei das nicht möglich, fügt ihre Mutter hinzu: Alle Nachbarn seien ebenfalls Ausländer.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zwar nimmt Rama an einem Integrationskurs teil, aber noch hat sie Mühe mit der deutschen Sprache, obwohl sie viel versteht. Die Sprachhürde sei kein Problem, sagt Ute P., die Verständigung funktioniere gut. Zur Not helfe das Internet: „Ich spreche bei Google was rein, und es kommt was auf Arabisch raus.“ Dann schwärmt sie vom guten Essen bei Rama A.s Familie. Was könnten sie und die junge Frau als Nächstes unternehmen, überlegt sie laut. Vielleicht am Aachener Weiher grillen? Es trifft auf Zustimmung.

Förderung des bürgerlichen Engagements

Die Kölner Freiwilligen Agentur wurde 1997 gegründet, um das bürgerschaftliche Engagement zu fördern. Sie informiert über die Möglichkeiten solchen Engagements, berät bei der Suche nach Einsätzen, bringt Freiwillige zusammen, entwickelt Projekte. Die „Welcome Walks“ sind Teil des Projekts „Impulspatenschaften“, konzipiert von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen. Diese Patenschaften wiederum sind Teil des Programms „Menschen stärken Menschen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren Frauen und Jugend.

Die nächsten Vorbereitungstreffen für „Welcome Walks“ finden am Mittwoch, 24. Juli und am 21. August von 18 bis 21 Uhr statt. Interessenten können der Agentur eine E-Mail schreiben oder Corinna Schüler unter der Telefonnummer 0221/888 278-22 anrufen, Geflüchtete sich zudem jeden Montag zwischen 16 und 18 Uhr im Büro, Clemensstraße 7, anmelden. Auf der Website finden sich die Informationen auch auf Englisch, Arabisch und Farsi.

mentoren@koeln-freiwillig.de

www.koeln-freiwillig.de/welcomewalk

Agentur sucht Freiwillige

Den Teilnehmern der „Welcome Walks“ ist freigestellt, wie sie die gemeinsame Zeit gestalten. Seit 2016 haben mehr als 400 Kölner und 400 Geflüchtete an dem Programm teilgenommen. Zurzeit sucht die Agentur weitere Freiwillige, denn etliche Geflüchtete warten auf einen Willkommens-Partner.

Das Engagement für Flüchtlinge, so stark es anfangs gewesen sei, habe nachgelassen, sagt Bereichsleiterin Gabi Klein. In einem dreistündigen Workshop werden die ehrenamtlichen Kräfte, die mindestens 18 Jahre alt sein müssen, auf die „Walks“ vorbereitet; den Abschluss bildet das „Matching“: Anhand von „Steckbriefen“ der Flüchtlinge werden die Zweier-Teams zusammengestellt; Kriterien sind etwa der Stadtteil, in dem die Teilnehmer wohnen, und ihre Interessen.

Selten passiere es, dass der „Welcome Walk“ nicht über das erste Treffen hinausgelange, sagt Bildungsreferentin Corinna Schüler. Dagegen komme es häufig vor, dass sich die Teilnehmer nach den drei Mal drei Stunden weiter treffen, zum Beispiel um dem anderen Deutsch beizubringen beziehungsweise von ihm zu lernen.

Auch das ist für Ute P. ein Gewinn. „Ich denke über die deutsche Sprache nach“, sagt sie. Warum gebe es keine feminine Form von „der Gast“, habe sie der Syrer ihres ersten „Welcome Walks“ gefragt. Einmal habe er sie sogar korrigiert: Nicht „wegen dir“ müsse es heißen, sondern „deinetwegen“.

KStA abonnieren