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„Wie sollen wir das noch schaffen?“Kölner Arzt kritisiert Bedingungen in Corona-Krise

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Allgemeinmediziner Klaus Rawe in seiner Praxis in Köln.

Köln – Jeden Morgen, lange bevor die Praxis von Klaus Rawe öffnet, beginnen die Telefone zu klingeln. Und sie klingeln weiter, ohne Pause, den ganzen Tag. Eine Patientin hat Halskratzen und will sich jetzt auf Corona testen lassen. Ein anderer ist unsicher, ob er sich angesteckt haben könnte und fragt, was er jetzt tun soll. Alleine diese Beratungsgespräche kosten den Allgemeinmediziner jede Menge Zeit. „Das ist für die Praxen irgendwann einfach nicht mehr leistbar“, sagt er. Und das ist nur eines von vielen Problemen, das die Hausärzte in der Corona-Pandemie belastet. „Ich mache mir schon Sorgen jetzt, wenn die Erkältungswelle kommt – wie sollen wir das alles noch schaffen?“

Reiserückkehrer, Lehrer, Kita-Personal – immer mehr Patienten, die sich testen lassen wollen, kommen zu ihm in die Praxis. „Wir bekommen fast täglich von den kassenärztlichen Vereinigungen Briefe mit neuen Anweisungen. Wer wann, wie, wo zu testen ist und über welchen Kostenträger.“ Er frage sich, ob die Hausärzte diese Testmengen überhaupt noch stemmen können. Ohnehin sieht er eigentlich bei Personen ohne Symptome eher das öffentliche Gesundheitswesen in der Pflicht.

Kölner Arzt: „Kriegen normale Arbeit zunehmend nicht mehr hin“

„Der Test selber ist ja in ein paar Sekunden gemacht – die Aufklärung und die ganze Bürokratie aber nicht.“ Vor allem, weil seine Mitarbeiterinnen erstmal mühsam herausfinden müssten, wer den Test bezahlt: Der Patient selbst? Der Bund? Die Kassen? Nicht immer ist das eindeutig. „Jedes Mal ein entsprechendes Formular rauszukramen und auszufüllen – das stellt die Praxen vor immense Herausforderungen. Das große Problem ist, dass wir deswegen zunehmend nicht mehr unsere normale Arbeit hinkriegen.“

Wenn ein Testergebnis positiv ist, ist Klaus Rawe oft genauso ratlos – zum Beispiel, wenn ein erkrankter Patient wieder vor seiner Praxis steht und einen erneuten Test verlangt. Dafür ist doch eigentlich das Gesundheitsamt zuständig. Das schicke die Patienten aber zu ihm, erzählt er. „Ohne irgendwelche Information und offensichtlichen Auftrag“. Was also tun? Nochmal testen? Nach fünf Tagen? Nach zehn? Überhaupt nicht? „Da sind so viele Unklarheiten, mit denen wir hier täglich umgehen müssen.“ Vom Gesundheitsamt fühlt sich der Arzt allein gelassen. „Ich habe mehrfach versucht, da einen medizinischen Mitarbeiter zu erreichen – vergeblich.“

Eigentlich wolle er seinen Patienten ja gerne die Möglichkeit bieten, sich testen zu lassen, sagt Klaus Rawe. Und die Kapazitäten für Tests seien mit Blick auf den Herbst ohnehin schon knapp. Aber: „Wenn die Belastung zu groß wird, dann müssen wir das hier aufgeben.“

4000 Euro aus eigener Tasche gezahlt

Bislang hat der Mediziner nach eigenen Angaben seit Beginn der Corona-Pandemie draufgezahlt: „Ich habe bestimmt schon 4000 Euro privat für Schutzkleidung und Desinfektionsmittel ausgegeben. Und ich kenne Praxen, die bereits über 6000 Euro dafür investiert haben.“ Seinen eigenen Test hat Klaus Rawe übrigens auch selbst bezahlt – genauso wie die für seine Mitarbeiter.

Was sich Klaus Rawe als Allgemeinmediziner von der Politik in der Corona-Krise am dringendsten wünscht? „Die Sicherheit, dass ich kein finanzielles Desaster erlebe“, sagt er. Am meisten fehlen ihm aber: „klare Regeln.“

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Jürgen Zastrow ist als Hals-, Nasen-, Ohrenarzt in Köln tätig und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. „Natürlich stellen die Abstrich-Untersuchungen eine zusätzliche Belastung da“, sagt er. Daher würden die Abstriche auch zusätzlich bezahlt. Und schließlich sei kein Hausarzt verpflichtet, Corona-Tests anzubieten. „Allerdings sollen die Hausärzte die Abstriche bei den Patienten sicherstellen, also entweder selbst durchführen oder die Durchführung an anderer Stelle organisieren“, so Funktionär Zastrow.

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Was das Chaos bei den Abrechnungen betrifft, stimmt er seinem Kollegen Klaus Rawe zu: „Die Vergütungsregelungen sind tatsächlich sehr kompliziert, das ist der Politik geschuldet. Die einzelnen Kostenträger werden sich nicht einig, und als Konsequenz sind die Regelungen für die Vertragsärzte kaum umzusetzen.“ Bei Unsicherheiten verweist Zastrow auf die kassenärztliche Vereinigung als Ansprechpartner. Er weiß aber auch: „Aufgrund der sich verändernden Lage und der sich damit verändernden politischen Entscheidungen ist der Informationsdruck sehr groß“. Für manche Praxen sei es schwierig, alldem zu folgen.

Wie so oft in der Corona-Debatte gibt es auch beim Thema Schutzanzüge unterschiedliche Meinungen. Für eine Testung seien die gar nicht nötig, sagt Jürgen Zastrow: „Um Abstriche zu machen, reichen Maske und Handschuhe aus. Die Ärzte müssen deswegen keine teuren Schutzanzüge oder Brillen anschaffen.“

Der Hausärzteverband Nordrhein hat Verständnis für Ärzte, die mit Schutzanzügen testen: „Das Risiko, unter Quarantäne gestellt zu werden, will jede Praxis vermeiden. Insofern reduzieren Masken, Handschuhe und Schutzkleidung die Quarantänegefahr“, sagt Pressesprecherin Monika Baaken. „Die Ausgaben dürfen keinesfalls auf die Arztpraxen, Pflege-, Rettungsdienste und Krankenhäuser abgewälzt werden“, mahnt der Hausärzteverband: „Pandemien müssen finanziert werden – aber nicht auf Kosten der Hausärzte.“ Ebenso wie Klaus Rawe verlangt der Verband auch einen „verbindlicher Pandemieplan mit klaren, belastbaren Regeln und Strukturen.“

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