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„Wir sind nicht mehr als ein Feigenblatt“Kölner Seniorenvertretern platzt der Kragen

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 Karl-Heinz Pasch (r.) und Hans Anton Meurers von der Seniorenvertretung Innenstadt

  • In Köln gibt es 46 Seniorenvertreter, die sich um die Belange der Älteren in Köln kümmern sollen.
  • Karl-Heinz Pasch und Anton Meurers sind frustriert: Die Stadt reagiere nicht auf ihre Hinweise etwa zur Barrierefreiheit.
  • Die Stadt hält dagegen: Die Seniorenvertreter seien nur Berater, keine Entscheider. Ein Gespräch mit den beiden Senioren über KVB-Aufgänge, Pflastersteine, Verzögerungen bei Bauarbeiten und das belastete Verhältnis zur Verwaltung.

Innenstadt – Wenn Karl-Heinz Pasch und Hans Anton Meurers den Reichenspergerplatz passieren, steht ihnen der Unmut ins Gesicht geschrieben.

Gleich zwei Missstände für die älteren Menschen im Veedel beklagen die beiden Mitglieder der Seniorenvertretung Innenstadt dort: „Der Vorplatz und die Parkplätze des Gerichts sind weitflächig mit Kopfsteinpflaster ausgelegt“, so Pasch. „Für ältere Menschen mit Rollator oder Rollstuhl ein wahrer Albtraum. Wer aus dem Auto aussteigt und eine Gehhilfe nutzt, kann den Platz kaum passieren – ein unhaltbarer Zustand.“

Sein Mitstreiter Hans Anton Meurers, selbst stark gehbehindert, thematisiert gleich das nächste Problem: „Die U-Bahn-Haltestelle Reichenspergerplatz ist für uns ältere Menschen – vor allem mit Rollator oder Rollstuhl – mit das Schlimmste, was Köln zu bieten hat. Um auf die Zwischenebene zu gelangen, gibt es hier nur Treppen. Und um die Haltestellenebene zu erreichen, ist nur eine Rolltreppe vorgesehen, die meistens defekt ist.“ Für ältere Menschen, die mithilfe der öffentlichen Verkehrsmittel mobil bleiben wollen, ein unüberwindliches Hindernis, so der 72-Jährige.

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Neben solchen Problemen setzt sich die Vertretung auch oft mit Hindernissen auf Verwaltungsebene auseinander – zum Beispiel in Fragen rund um Pflegeheime und Sozialfälle. „Eine Dame hatte beispielsweise aufgrund ihrer Schwerbehinderung Anspruch auf Mehrbedarf im Rahmen der Grundsicherungsrente“, erklärt Meurers. „Den Mehrbedarf hat das Amt ihr aber erst angerechnet, nachdem ihr die Ausweispapiere über die Schwerbehinderung ausgestellt wurden.“

Das habe 16 Monate in Anspruch genommen – Zeit, in der die Seniorin den Mehrbedarf nicht geltend machen konnte. „Da haben wir damals richtig Druck gemacht“, so Meurers. „Schließlich haben die Senioren in dieser Situation ein Recht auf diese Unterstützung.“ Seitdem dauere die Ausstellung solcher Papiere nur noch zwei bis drei Monate. „Ein kleiner Zwischenerfolg für uns.“

Um diese und andere häufig wiederkehrende Probleme älterer Menschen kümmert sich die Seniorenvertretung Innenstadt, bestehend aus Karl Heinz Pasch, Hans Anton Meurers, Maria Flöge-Becker und Karin Will. Sie nehmen die Interessen der rund 30 000 in der Kölner Innenstadt lebenden Senioren wahr. Gewählt wird die Vertretung alle fünf Jahre in freier Briefwahl. „Eigentlich ein riesiger Vorteil. Denn in anderen Städten berufen die politischen Parteien die Seniorenvertreter. Durch die freie Wahl sind wir in Köln nicht an Parteien gebunden und können dadurch noch kritischer hinschauen“, so Meurers. „Mit den geringfügigen Befugnissen, die uns als Vertretung zustehen, können wir daraus aber leider nicht viel machen.“

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Ein Thema, bei dem Pasch fast der Kragen platzt. Verärgerung hervorruft. „Auf städtischer Ebene sitzen wir zusammen mit politischen Vertretern und Sozialverbänden in einer sogenannten Stadtarbeitsgemeinschaft“, so der 68-Jährige. „Dort können wir zwei Mal im Jahr für zwei Stunden unsere Anträge vorstellen. Ob die angenommen und zum Entscheid gestellt werden, entscheiden im Endeffekt die Vertreter der Parteien und Sozialverbände – denn die haben die Mehrheit im Gremium.“ Dadurch würden viele Anträge mit den Begehren der Senioren gar nicht erst zur Diskussion gestellt, so Pasch. Eine effektive Arbeit im Interesse der älteren Generationen sei damit kaum möglich. „Mit diesen Befugnissen sind wir nicht mehr als ein Feigenblatt“, stellt Meurers klar. „So können wir keine positiven Veränderungen im Sinne unserer älteren Mitmenschen umsetzen – die Vertretung und die Wahl sind so nur eine Farce.“

Auf eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den Vorwürfen der Seniorenvertretung Stellung bezogen. So sei die Sitzungsdauer der Stadtarbeitsgemeinschaft zwar in der Regel auf zwei Stunden angesetzt, allerdings seien die Sitzungen in ihrer Zeitspanne nicht reglementiert. Fristgerecht angemeldete Anträge, die in demokratischer Abstimmung auf die Tagesordnung genommen wurden, würden vom Gremium und der Seniorenvertretung auch behandelt. Ebenso weist die Stadt den Vorwurf einer Allianz von Wohlfahrtsverbänden und Ratsfraktionen in der Stadtarbeitsgemeinschaft Seniorenpolitik gegen Anträge der Seniorenvertretung entschieden zurück – die Abstimmungen würden immer sachbezogen durchgeführt.

Die KÖlner Seniorenvertretung

Die Seniorenvertretung wird alle fünf Jahre gewählt. Dazu aufgerufen sind alle Kölnerinnen und Kölner, die 60 Jahre oder älter sind und die ihren Hauptwohnsitz in der Stadt haben. Das sind etwa 250 000 Menschen, also fast ein Viertel der Einwohner. Die nächste Wahl findet im Jahr 2021 statt. Seit 1978 gibt es das Gremium, das keine direkte politische Einflussmöglichkeit hat. Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre. Das Gremium soll die Interessen älterer Menschen in Gesellschaft und Politik vertreten. Es berät die Entscheidungsträger bei Planungen und Vorhaben, die für die ältere Generation von Bedeutung sind. Die Mitarbeit in den Bezirksvertretungen, Ausschüssen des Stadtrates und Arbeitsgemeinschaften gehört ebenso zu den Aufgaben wie der Austausch mit den Wohlfahrtsverbänden. Der Seniorenvertretung der Stadt Köln gehören aktuell 46 Mitglieder an, davon fünf im Bezirk Innenstadt.(red)

Pasch und Meurers sind dennoch nicht zufrieden. Seit der Wahl 2016 habe die Seniorenvertretung in der Innenstadt schon oftmals auf diese Missstände hingewiesen, erklären die beiden. Auf Bezirksebene mit Erfolg: „Der Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke, hat die Zusammenarbeit mit uns intensiviert“, so Meurers. Pasch fügt hinzu: „Anders als auf städtischer Ebene sucht der Bezirk auch das Wort mit uns und konsultiert uns bei Fragen, die die Senioren betreffen. Bei der Stadt bleiben uns hingegen die Türen bis auf die zwei besagten Termine im Jahr meist verschlossen.“

Schon vor zwei Jahren hat das Team die Ausweitung ihrer Antragsrechte beantragt – bislang ohne Erfolg. „Außerdem brauchen wir bei für Senioren relevanten Themen ein Anhörungsrecht und ein Blockaderecht, um die älteren Menschen wirkungsvoll vertreten zu können“, so Pasch.

Dagegen wendet die Stadt Köln ein, dass die Seniorenvertretung lediglich ein beratendes Gremium sei. Die Forderungen von Pasch und Meurers überstiegen somit die Kompetenzen, die der Vertretung laut Satzung zustehen. Dennoch gibt sich Pasch kämpferisch: „Wir werden der Stadtverwaltung weiterhin im positiven Sinne lästig sein und ihr Handeln kontrollieren.“ Am Reichensperger Platz jedenfalls tut sich was.

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