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„Wir werden nicht vergessen“Kölner gedenken der Opfer des Stadtarchiv-Einsturzes

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Reker Gedenken 030319

Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Köln – Wie sich die Kölner den angemessenen Umgang mit einer Tragödie vorstellen, ließ sich am Sonntag um 11.45 Uhr an der Ecke Severinstraße und Löwengasse beobachten. Die Schull- und Veedelszöch stoppten nur wenige Meter von der Einsturzstelle des Stadtarchivs entfernt, um der beiden jungen Männer zu gedenken, die vor genau zehn Jahren ihr Leben verloren.

Doch es blieb nicht dabei, einfach nur innezuhalten. Die Mitglieder der Gruppe Hellige Knäächte und Mägde der Lyskircher Junge tanzten anschließend ausgelassen zu den drei Karnevalsklassikern „Lur ens vun Düx noh Kölle“, „Dat Hätz vun dr Welt“ und „Lange Samstag en d’r City“. Aktivisten der Initiative Archivkomplex hielten währenddessen ein Banner mit dem Schriftzug „Zehn Jahre Einsturz – dat jeit uns nit am Arschiv vorbei“ in die Höhe. Trauer und Freude könnten kaum enger beieinanderliegen. „Wir werden nicht vergessen, aber wir gehen auch miteinander in den Heilungsprozess und blicken in die Zukunft“, sagte Pfarrer Hans Mörtter und ordnete damit das fröhliche Tanzen während des traurigen Gedenkens ein.

Die Initiative Archivkomplex, die sich Ende 2011 gründete, hatte das Anhalten der Schull- und Veedelszöch gemeinsam mit den Freunden und Förderern des Kölnischen Brauchtums, unter deren Schirmherrschaft der Zug steht, geplant. „Das ist eine großartige Geste der Lyskircher Hellige Knäächte und Mägde“, sagte Günter Otten, Sprecher von Archivkomplex. Der 3. März solle die Kölner „mahnen und ermahnen“. Die Unterbrechung dauerte insgesamt fünf Minuten, bis die Karnevalisten weiter durch die Stadt zogen.

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Als um 13.15 die Gedenkfeier zwischen der Einsturzstelle und der Kneipe Papa Rudis begann, fielen deutlich härtere Worte. „Wir stehen auch nach zehn Jahren vor einem Loch, das aufgrund einer organisierten Verantwortungslosigkeit entstanden ist“, sagte Dorothee Schneider von der Initiative Köln kann auch anders, die das Gedenken seit dem ersten Jahrestag organisiert. Vertreter der Stadtverwaltung hatten sich dabei in den ersten Jahren nach dem Einsturz nicht blicken lassen.

„Zeichen für Wandel“

„Es ist ein Zeichen für den Wandel, dass die Oberbürgermeisterin und weitere Vertreter der Stadtspitze heute hier sind“, sagte Frank Deja von Köln kann auch anders. Neben Henriette Reker befanden sich auch Stadtdirektor Stephan Keller und Baudezernent Markus Greitemann vor Ort. Rekers Büro hatte sich zudem darum gekümmert, eine professionelle Lautsprecheranlage aufzustellen. Deja bekräftigte die Absicht, das „kölsche Karussell der Verantwortungslosigkeit endlich zu durchbrechen“.

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Inkompetenz und Schlamperei hätten zum Einsturz des Stadtarchivs geführt und auch die Opernbaustelle am Offenbachplatz sei so an die Wand gefahren worden. Zwar sei nicht die gesamte Stadt dysfunktional, aber der Gedanke, die Bürger stärker einzubeziehen, sei bislang noch nicht in der gesamten Stadtverwaltung angekommen, so Deja. „Das ist wirklich eine Tragödie, die wir nie vergessen werden“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie denke an die Angehörigen der beiden jungen Männer, die bei dem Einsturz tödlich verunglückten und an die der Seniorin, die sich nach dem Verlust ihrer Wohnung wenige Woche später das Leben nahm. Reker berichtete von einem Treffen mit dem Kinderdreigestirn und ihrer Erkenntnis, dass alle drei Kinder genau gewusst hätten, was mit dem Stadtarchiv geschehen ist, obwohl sie vor zehn Jahren noch gar nicht geboren waren. Sie sei sich sicher, dass an der Einsturzstelle auf Dauer ein Ort der Erinnerung entstehen werde.

„Ich danke denen, die dafür sorgen, dass hier jedes Jahr ein Gedenken stattfindet“, sagte Reker in Richtung der Organisatoren von Köln kann auch anders. Deren Sprecherin Dorothee Schneider kündigte am Ende der Veranstaltung überraschend an, dass Köln kann auch anders ab sofort keine weiteren Gedenkfeiern zum Archiveinsturz mehr organisieren werde. Sie sei überzeugt, dass die Stadt das übernehmen werde. Reker sagte daraufhin zu, sich zu kümmern. Exakt um 13.58 Uhr, dem Zeitpunkt des Einsturzes, ertönten schließlich die Glocken der Südstadt-Kirchen, deren Läuten sich mit der lauten Karnevalsmusik der im Hintergrund vorbeiziehenden Schull- und Veedelszöch mischte.

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