„Wir wollen 100 Prozent weniger“KVB erhöht Preise für Schülertickets

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Symbolbild

Köln – Für den Kölner Schulpflegschaftsvorsitzenden Lutz Tempel ist die Sache ganz einfach: Schülertickets sollten generell kostenlos sein. „Wir fordern seit Jahren, dass alle Kinder eine freie Fahrt in Köln haben sollen – und zwar 365 Tage im Jahr.“ Dass die Preise stattdessen zum 1. August erneut um knapp drei Prozent steigen sollen, findet Tempel völlig unverständlich. „Statt drei Prozent mehr wollen wir 100 Prozent weniger.“ Das zusätzliche Defizit, dass der KVB dadurch entstehen würde, müsse die Stadt ausgleichen.

Tatsächlich erhöht der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) die Preise für die Schülertickets von 34,10 Euro um einen Euro. Auch bei der KVB wird der Preis für ein Schülerticket um 70 Cent auf 22,10 Euro ansteigen. Die Preise liegen hier niedriger, weil die Stadt die Tickets subventioniert. Kritiker monieren aber, dass eine Preiserhöhung in der Corona-Krise den Kunden kaum zuzumuten ist. Immerhin hätten die Schüler das Ticket seit Wochen kaum nutzen können, weil die Schulen im Regelbetrieb geschlossen waren. Gebührenerlass im Süden

Aus diesem Grund hat zum Beispiel das Land Baden-Württemberg den Eltern die Gebühren für den öffentlichen Nahverkehr für zwei Monate komplett erlassen. Für diese Entlastung der Familien wendet das Land bis zu 36,8 Millionen Euro auf. Mit den Maßnahmen wollte Innenminister Winfried Hermann verhindern, dass zahlreiche Familien das Abonnement für den öffentlichen Nahverkehr stornieren. „Das ist ein wichtiges Signal an die Familien und an die Nahverkehrsbranche, die auf diese Weise vor massiven Einnahmeausfällen geschützt wird“, wird Hermann auf dem Landesportal „baden-württemberg.de“ zitiert.

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VRS-Sprecher Holger Klein weist darauf hin, dass es für Familien in den vergangenen Wochen die Möglichkeit gab, die Abos ruhen zu lassen. Per E-Mail konnten die Kunden das bis zum 30. Juni einfordern. Zudem sei die Gebührenerhöhung, die zum 1. August in Kraft trete, bereits 2019 beschlossen worden. Der Verkehrsverbund könne auch nicht ohne weiteres auf die Einnahmen verzichten. „Wir hatten auch in der Corona-Zeit 100 Prozent der Kosten zu tragen, aber viel weniger Einnahmen durch Fahrgäste.“ Bundesweit rechne der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen damit, dass zur Hochzeit des Lockdowns die Fahrgastzahlen um 90 Prozent eingebrochen seien. Derzeit lägen die Werte um etwa 50 Prozent unter der Vor-Corona-Zeit, so Klein.

Ohnehin verursache der öffentliche Nahverkehr hohe Defizite, die die Kommunen ausgleichen müssten. 2018 meldeten die KVB trotz eines Fahrgastrekords von 282 Millionen Kunden einen Fehlbetrag von 90 Millionen Euro, der durch die Gewinne anderer Unternehmen aus dem Stadtwerke-Konzern ausgeglichen werden muss. 70 bis 75 Prozent der Kosten könnten die Verkehrsgesellschaften erwirtschaften. Wie viel es nun im Jahr 2020 seien, sei ebenso ungewiss wie die Fahrgastzahlen in diesem Jahr. Diese Bilanzen müsse man abwarten, bevor man mögliche Preiserhöhungen aussetze. „Erst wenn alle Zahlen auf dem Tisch liegen, kann man handeln“, sagt Klein.

Ralph Herbertz, Experte des Verkehrsclubs Deutschland, kann Kunden und VRS verstehen. „Wir wollen auf der einen Seite einen starken öffentlichen Nahverkehr, andererseits günstige Tickets.“ Angesichts der klammen Kassen vieler Kommunen, müsse Hilfe von außen kommen. Zum Beispiel mittels einer Unternehmensabgabe oder Zuschüssen vom Bund. „Wir müssen den Nahverkehr auf neue Füße stellen.“ Der ÖPNV müsse ausgebaut werden, damit er attraktiver sei und preiswerte Tickets anbieten könne. Die Stadt Wien macht es vor: Hier zahlen Abo-Kunden einen Euro pro Tag. Damit wäre man schon ganz nahe an der Forderung des Schulpflegschaftsvorsitzenden Lutz Tempel.

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