„Ziemlich unvergleichlich“Lars Eidinger über Köln, Instagram und Isabelle Huppert

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Lars Eidinger IV

Lars Eidinger spricht über seine Beziehung zu Köln. 

  • Lars Eidinger (46) spielt eine Hauptrolle in „Die Zeit, die wir teilen“. Eine zentrale Szene wurde in Köln gedreht.
  • Eidinger bezeichnet sich als großen Köln-Fan: Die Stadt sei einzigartig.
  • Kölner seien besonders offen und kontaktfreudig, sagt er.

Köln – Teile von „Die Zeit, die wir teilen“ wurden in Köln gedreht. Welche Rolle spielt die Stadt in dem Film? Lars Eidinger: Es ist eine zentrale Szene im Film. Tim Ardenne, die Rolle die ich spiele, gesteht Joan, der Rolle von Isabelle Huppert, seine Liebe. Das war auf der Empore vor dem Schokoladenmuseum. Ich habe diese Szene auch genutzt, um auf einer Metaebene Isabelle Huppert meine Liebe zu gestehen. Ich hatte mitbekommen, dass Isabelle mit der Kamerafrau diskutiert hatte. Es ging darum, eine Lösung zu finden, dass sich in Zeiten von Corona die Lippen nicht berühren sollten. Und ich dachte: Jetzt habe ich einmal die Möglichkeit, eine Kuss-Szene mit Isabelle Huppert zu drehen, und unsere Lippen sollen sich nicht berühren? Ich habe mich dann eingemischt – und als wir gedreht haben, hat sie mich dann wirklich geküsst. Das war wie ein Bekenntnis, ein Vertrauensbeweis.

Sie haben also auch privat eine Bewunderung für Isabelle Huppert?

Ja, absolut. Ich kenne sie auch schon lange, weil sie eine begeisterte Theaterzuschauerin ist und wir mit der Schaubühne wahnsinnig viele Gastspiele in Paris hatten. Isabelle hat das alles gesehen.

Wie haben Sie Köln erlebt, als Sie hier gedreht haben?

Ich bin sowieso großer Köln-Fan. Meine Galerie ist auch in Köln, die Galerie Ruttkowski. Ich habe mal in einer Nachfolge-Gameshow von „Eins, Zwei oder Drei“ mitgemacht, die hieß „Telefant“. Da war ich zehn Jahre alt, das war mein erster Fernsehauftritt in meinem Leben. Das ist meine erste Erinnerung an Köln. Ich bin wirklich oft hier, habe hier viel gedreht. Mir wurde es mal so beschrieben, und ich glaube, dass es auch stimmt: Köln ist die einzige Stadt in Deutschland, in der man sich, wenn man in ein Lokal kommt und ein Tisch besetzt ist, dazu setzt.

Und auch wenn die Stadt komplett zerstört war, finde ich sie architektonisch sehr interessant. Sehr eigen. Ich bilde mir ein, man könnte mir jede Straßenecke zeigen und ich könnte sagen, es ist Köln. Es ist ziemlich unvergleichlich. Die Menschen sind wesentlicher offener, kontaktfreudig. Wenn ich mich als Schauspieler in Berlin in ein Café setze, um Text zu lernen, finden die Leute es doof. Hier ist es so, dass garantiert jemand kommt und fragt ‚Hey, bist du Schauspieler?‘ – das finde ich total angenehm.

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Ihr Charakter, Tim Ardenne, ist recht exzentrisch. Sind Sie ihm da ähnlich?

Ich finde es erstmal interessant, dass man erwartet, dass man Figuren im Film so eindeutig charakterisieren kann und ihnen Eigenschaften wie ‚exzentrisch‘ zuordnet, wobei Persönlichkeiten ja eigentlich total vielschichtig sind. Ich habe bestimmt auch etwas Exzentrisches, aber ich bin kein Exzentriker. Eine Persönlichkeit ist nichts Starres, sondern etwas, das sich bewegt. Das finde ich auch das Schöne: Dass man sich erlaubt, sich zu widersprechen oder seine Meinung zu ändern. Bei Tim Ardenne ist es so, dass er anfangs zwar sehr exzentrisch ist, aber eine interessante Entwicklung durchmacht und fast zu seinem eigenen Gegenteil wird. Das hat ganz viel mit der Frau zu tun, die Isabelle Huppert spielt.

LarsEidinger

Swann Arlaud als Nathan Verra und Lars Eidinger (r) als Tim Ardenne in einer Szene des Films „Die Zeit, die wir teilen“.

Apropos Entwicklungen. Sie haben Ihren Instagram-Account gelöscht. Warum?

Weil ich finde, dass es diese Beschreibung „Soziale Medien“ nicht trifft. Es hat eher etwas Antisoziales. Vor allem toxisch. Es vergiftet die Moral der Menschen. Sie werden für Missgunst und Hass genutzt. Ich habe gemerkt, es tut mir nicht gut. Mit diesen Inhalten vergiftet man sich sukzessive, langfristig macht das krank.

Sie sind gefragt, aber nicht unumstritten. Ist es ein Vorteil, wenn man polarisiert?

Ich will auf jeden Fall nicht polarisieren. Das ist kein Konzept, es passiert halt. Ich glaube, es ist wichtig sich zu positionieren. Aber ich glaube auch, dass unsere Gesellschaft daran krankt, dass es in unserer Streitkultur immer um Sieg oder Niederlage geht und nicht darum, sich überzeugen zu lassen oder das Gegenüber zu überzeugen. Wie selten sieht man eine Diskussion, an deren Ende einer seine Meinung geändert hat? Das wird einem eher als Schwäche attestiert. Darum sollte es aber eigentlich gehen in einer Auseinandersetzung. Ich will vielleicht provozieren, aber nicht um der Provokation willen, sondern um etwas hervorrufen. Die Schwierigkeit beim Polarisieren um zu polarisieren liegt darin, dass das Gegenüber in eine Distanz geht. Das ist das Gegenteil von dem, was ich will. Ich will mich eigentlich verbünden.

Im Film geht es um die Liebe. Was haben Sie bei den Dreharbeiten über Liebe gelernt?

In der Bibel wird Lieben mit Erkennen beschrieben: ‚Sie erkannten einander.‘ In dem Film ist es auch so, dass sich zwei Menschen erkennen und zu erkennen geben. In dem Moment, als Tim Joan seine Liebe gesteht, habe ich das Gefühl, dass sie sich gar nicht zwingend in ihn verliebt, sondern in seine Sicht auf sie. Ich finde es interessant, dass das auch Liebe sein kann: Dass man sich erkannt fühlt.

Zur Person

Lars Eidinger (46) war jahrelang Ensemble-Mitglied der Berliner Schaubühne; er war zuletzt auch im „Tatort“, in „Babylon Berlin“ und „Faking Hitler“ zu sehen.  Das Drama „Die Zeit, die wir teilen“ erscheint am 31. August im Kino. 

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