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Kölner MusikerWie Jules Ahoi durch einen Zufall sein Aussteiger-Leben beendete

Lesezeit 4 Minuten
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Der Musiker Jules Ahoi in seinem Lieblingsveedel: Ehrenfeld. 

  • Nach seinem rastlosen Surfer-Leben in Frankreich, hat der Musiker Jules Ahoi in Köln Fuß gefasst.
  • In seinem neuen Album „Dear_“, das am 12. Juni erscheint, verarbeitet er Persönliches: wie den Tod seines Vaters, die vielen Ortswechsel und Trennungsschmerz.
  • Wir haben mit ihm über sein Aussteiger-Leben, Gender-Klischees und über den Zufall gesprochen, der ihn vor 2,5 Jahren schließlich nach Köln führte.

Köln – Fernweh – der Traum vom salzigen Geschmack im Mund, von endlosen Tagen am Meer, im eigenen Rücken der VW-Bus mit den Habseligkeiten, die wirklich nötig sind. Und vor allem die Abwesenheit von Erwartungs- und Leistungsdruck. Bei den meisten Menschen flackert die Aussteiger-Phantasie nur hin- und wieder auf. Der Musiker Jules Ahoi aber setzte die Vision von der Rastlosigkeit in die Tat um: Er kündigte seine Wohnung, schmiss sein Studium und brach mit seinem Surfbrett und seinem Bus von jetzt auf gleich nach Frankreich auf. Dort tingelte er von Strand zu Strand und wachte mit den Wellen auf.

Im Sommer arbeitete er als Surflehrer und die restliche Zeit verbrachte er mit seiner Gitarre, auf der er seine Folk-Musik komponierte – seinen Song „Robinson Crusoe“ feiert die Surferszene längst als Ausreißer-Hymne.

Jules Ahoi hat sein Herz an Köln verloren

Doch nach zwei Jahren hatte er plötzlich genug und jene Sehnsucht, die ihn einst motivierte, schwand. „Das Meer hatte plötzlich seinen Reiz verloren“, sagt Jules Ahoi alias Julian Braun. Die Einsamkeit der nassen Winter in einem 30-Seelen-Dorf am Atlantik bedrückte den 30-Jährigen. „Diese kindliche Aufgeregtheit, die ich mein Leben lang hatte, bevor ich mit dem Brett ins Wasser ging, war weg. Ich hatte daran zu knausern, weil ich immer dachte, es sei das Beste, hier zu leben“, erinnert er sich. Es brauchte nur einen glücklichen Zufall, damit der Musiker seinen Lebensmittelpunkt hier nach Köln verlagerte: „Ich habe einen Freund von meinem jetzigen Manager am Strand in Spanien kennengelernt. Er fand mein Gitarrenspiel cool und sagte, ich sollte mal meinen besten Song spielen“.

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Der Manager aus Köln hörte am anderen Ende der Leitung zu und lud ihn ein. Er blieb – das war vor etwa drei Jahren. „Am Anfang war ich überfordert, weil vorher am Strand keine Menschenseele war. Und dann diese wuselige Stadt. Aber es dauerte nur kurz bis ich mein Herz absolut an Köln verloren habe. Seitdem kann ich wirklich das erste Mal behaupten, dass ich mein Zuhause, zumindest gerade, gefunden habe“, so der Musiker, der im Landkreis Osnabrück aufgewachsen ist. 

Alles, was ihm in den vergangenen Jahren widerfahren ist – die Ortswechsel, die Trauer um seinen verstorbenen Vater und Trennungsschmerz – verarbeitet Jules Ahoi in seiner neuen Platte „Dear_“, die am 12. Juni erscheint. Seine bereits veröffentliche Single „Oh, Agnes“ handelt von Geschlechterrollen und -klischees und einer Prägung, die solche Vorstellungen zementiert. „Für mich waren diese Grenzen nie verständlich. Ich hatte immer mehr weibliche Freunde, auch heute noch, dafür wurde ich als Kind gehänselt“.

„Ein Wendepunkt in meinem Leben“

Musikalisch bewegt sich der Künstler darin weg vom Surfer-Folk hin zu einem poppigeren Ansatz mit elektronischen Details und sogar Elementen aus dem Hip-Hop, mit dem er sich in seiner Jugend intensiv beschäftigt hat. „Januarysteps“ etwa ist ein Skit, ein kurzes hörspielartiges Stück, was im Rap häufig als Stilmittel eingesetzt wird. Es gibt die Geräuschkulisse von seiner Bergbesteigung des Adams Peak in Sri Lanka wieder, die er mit dem Handy aufgenommen hat. „Der Gipfel, den ich erklommen habe, war ein Wendepunkt in meinem Leben und daher musste es auch unbedingt in die Mitte des Albums. Ich bin dort hingegangen, um mit persönlichen Dingen abzuschließen“, sagt er.

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Diese akustischen Momentaufnahmen sind für ihn essentiell. Aus seinem Geräusch-Tagebuch erwachsen mit der Zeit Lieder. In „Dear_“ versteckt sich in jedem Stück ein solches Sound-Fragment. Über allem ragt Jules Ahois Stimme, der man das bewegte Leben anhört, und die den Raum mit vibrierender Intensität füllt. Derweil ist auch die alte Freude wieder da, wenn er nach Südwestfrankreich fährt, um sich in die Wellen zu stürzen. „Es ist weiterhin mein Rückzugsort“.

Das Album „Dear_“ erscheint am Freitag, 12. Juni. Statt eines Auftritts bei der c/o-Pop gab es ein Livestream-Konzert im Club-Bahnhof Ehrenfeld: dringeblieben.de/videos/jules-ahoi-1

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