4000 Proben am TagWie Deutschlands größtes Corona-Labor in Köln arbeitet

Lesezeit 5 Minuten
Labor_Marsdorf1

Hinter einer Plexiglasscheibe befüllt Labormitarbeiterin Melanie Polke die Ampullen mit den Corona-Proben.

  • Im bundesweit größten Corona-Labor in Köln-Marsdorf wurden bisher 35.000 Proben ausgewertet – Tag und Nacht.
  • Jeder einzelne Test dauert mehrere Stunden und ist sehr aufwendig.
  • Wie die Tests funktionieren und was die Labormitarbeiter in den kommenden Wochen erwartet. Ein Besuch in Köln-Marsdorf.

Köln  – Eine Palette mit Dutzenden kleinen Kartuschen liegt in einer Maschine, die Thermal Cycler heißt und 94 Menschen Gewissheit bringen wird. Jetzt etwa beginnt die kritische Phase, in der auf dem Bildschirm nebenan die ersten bunten Kurven eines Echtzeitdiagramms ansteigen, während andere flach bleiben.

Jede Kurve ist eine Probe, ein Patient, ein Schicksal. Bleibt sie unten, ist der Patient gesund. Innerhalb der nächsten Minuten aber werden einige Kurven einen Punkt erreichen, der keine Zweifel lässt: Sieben Patienten sind positiv. Sars-Cov-2, im Volksmund: Corona.

Sieben weitere Neuinfizierte allein in dieser Testung, Hunderte werden es über den Tag verteilt sein. „Wir sind uns im Klaren darüber, dass hinter jedem Ergebnis Patienten stehen, die in Sorge sind – vom Säugling bis zur 90-jährigen Großmutter“, sagt Melanie Polke, während sie gerade das gute Dutzend Thermal Cycler bedient. Alle sind permanent im Betrieb, 24 Stunden, sieben Tage die Woche.

labor_Marsdorf3

Die Proben kommen vom Wattestäbchen in eine Ampulle.

Der Testschnitt sei üblich, sagt die zierliche Frau mit weißem Kittel und roten Haaren. „Ungefähr acht Prozent der Proben fallen positiv aus.“ Statistisch aber kann es in jeder Palette Schwankungen geben.

Polkes konzentrierter Blick, ihr Lächeln lassen nicht ahnen, dass sie eine doppelte Nachtschicht am Wochenende hinter sich hat. An vorderster Front in Zeiten der Krise ist maximaler Einsatz nötig in Deutschlands größtem Corona-Labor in Marsdorf. Die Immunologin leitet hier den Infektbereich.

Jede zehnte deutsche Corona-Probe kommt nach Marsdorf

Jede zehnte bundesweit untersuchte Corona-Probe kommt hierher, im Moment sind es täglich 4000, so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland – Tendenz steigend.

Die positiven Tests müssen nun an die Ärzte und das Gesundheitsamt gemeldet werden. Durch ein chemisches Verfahren wurden in den Tests vorher die Viren von Wattestäbchen in Ampullen überführt, dort vermehrt und mit Sonden angereichert, die Lichtsignale abgeben.

Labor_Marsdorf4

Das Labor in Köln-Marsdorf

Alles unter höchster Sicherheit und mit hohem personellen Aufwand. Der Thermal Cycler erfasst die Lichtsignale und lässt die Kurven im Diagramm steigen. Die Untersuchung jeder Palette von der Anlieferung bis zum Ergebnis benötigt bis zu vier Stunden und bindet fünf Mitarbeiter, sagt Polke.

Zwischen Probe und Benachrichtigung für den Patienten vergehen etwa 24 Stunden. Eilige Tests etwa von Verdachtsfällen aus Feuerwachen oder Polizeidienststellen werden priorisiert, damit die Ergebnisse schneller vorliegen. In der Krise braucht niemand einen lahmgelegten Rettungsapparat.

Neue Geräte haben sechs Mal höhere Materialkosten

Anders als ein normaler Influenza-Test erfordert ein Corona-Abstrich deutlich mehr Handarbeit, erklärt Polke. Geräte, die schneller sind und viele Schritte automatisieren, sind gerade erst hergestellt und zugelassen – und sehr teuer. „Ein neues Gerät funktioniert wie ein Nespresso-Automat. Eine Kapsel kommt rein und alles funktioniert automatisch“, sagt Laborleiter Fabian Wisplinghoff. „Aber die Materialkosten sind dann sechs Mal höher als bisher.“

Was Allen in dem privaten Labor zu Gute komme: Die Zahl der Proben auf viele andere Krankheiten wie HIV, Hepatitis oder Chlamydien nehme gerade stark ab. „Weniger Menschen gehen derzeit für aufschiebbare Vorsorgetermine zum Arzt. Der routinemäßige Lebercheck lässt sich auch noch in ein paar Wochen machen“, sagt Wisplinghoff.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Ergebnis: Weniger Routinetests, mehr Platz und Personal für die Corona-Front. Trotzdem ist auch hier gerade Hochbetrieb. „Wir kämpfen jeden Tag, Material zu bekommen“, sagt Wisplinghoff. Er meint Tupfer und Desinfektionsmittel. „Und wir sind schon froh, Masken für unter einen Euro zu bekommen, die vorher ein paar Cent gekostet haben.“

Als hier am 25. Januar der erste Abstrich auf Corona getestet wurde, beging China gerade sein Neujahrsfest. Die Millionenstadt Wuhan, das Epizentrum der Corona-Pandemie, war da seit wenigen Tagen in Quarantäne versetzt worden. Einen Monat später feierte Köln nahezu unbeschwert Karneval.

Auch das ist nun einen Monat her und die Zahl der Proben ist hier bei 35.000 angelangt. Jeden Test bezahlen die Krankenkassen mit 59 Euro. Die meisten stammen aus Nordrhein-Westfalen, wenige aus den Niederlanden, Niedersachsen, und Rheinland-Pfalz, wo die Kapazitätsgrenzen schon erreicht sind. Zwischenzeitlich kamen große Schwünge aus Heinsberg, der am meisten betroffenen Region in NRW.

Tausende Glasröhrchen im Kühlraum

Der Kühlraum des Labors ist jetzt bestimmt doppelt so voll wie üblich. Mehrere Regalmeter sind für die Corona-Proben freigeräumt. Tausende in Glasröhrchen mit rotem Plastikverschluss eingepackte Wattestäbchen liegen nun da, wo sonst andere Proben sind.

Diese stapeln sich stattdessen auf einem behelfsmäßig beschafften Wagen gegenüber den Blutproben. Viel Platz ist hier nicht mehr. Doch die große Welle wird noch kommen, glaubt auch Wisplinghoff.

Labor_Marsdorf2

Die Wattestäbchen in Glasröhrchen lagern zu Tausenden in dem Marsdorfer Labor. 

„Wir stellen uns darauf ein. Und noch sind wir nicht am Limit. Die Welt geht hier nicht unter“, sagt er. „Aber wir hätten auch nicht die Kapazität, innerhalb einer Woche ganz Köln zu testen.“ Dabei nimmt das Labor nur offizielle Proben aus Krankenhäusern und Arztpraxen an. Wer mit dem eigenen Wattestäbchen kommt, oder sich hier testen lassen will, wird abgewiesen. 

Melanie Polke macht indes weiter mit dem, was sie „Fließbandarbeit“ nennt. Doch obwohl sie dieser Tage in Arbeit versinkt, behält sie ihre Zuversicht. Vielleicht ist es die Solidarität der Menschen in der Krise, von der auch sie sich gemeint fühlt.

„Dass gerade so viele Menschen dem medizinischen Personal Zuspruch geben, ist für mich ein großer Antrieb für die Arbeit“, sagt sie, als die nächste Palette gerade ausgewertet ist. 94 Proben, fünf davon sind positiv.

KStA abonnieren