50 Jahre Bläck FöössTommy Engel über den Durchbruch: „Auf einmal waren die Leute da“

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Den grauen Kittel zieht Tommy Engel zu „Huusmeister Kaczmarek“ noch heute an.

Den grauen Kittel zieht Tommy Engel zu „Huusmeister Kaczmarek“ noch heute an.

  • 50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
  • Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
  • In diesem Serienteil: Gründungsmitglied Tommy Engel über das Fööss-Jubiläum und den Durchbruch auf den Fastelovendsbühnen.

Herr Engel, 50 Jahre Bläck Fööss – und das Jubiläumsprogramm fällt weitgehend aus ...

Ich habe dem Erry gesagt, feiert das 50. 2021. Macht es richtig. Wie es angedacht war, auf dem Roncalliplatz, das war ja dreimal ausverkauft.

Und Sie wären dreimal dabeigewesen?

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Klar, so war es gedacht und abgesprochen. Fürs Programm hätten wir uns was Schönes überlegt. Muss ja jetzt nicht zum hunderttausendsten Mal „Veedel“ oder „Meiers Kättche“ sein. Vielleicht was Schönes von früher, a capella , irgendwas Nettes. Jot, der Kaczmarek könnte auch im Kittel auf die Bühne kommen mit der Werkzeugkiste.

Oder die drei vun d’r Eierquell?

Keine Ahnung, ob auf dem Roncalliplatz die Leute die Muße hätten, das über sich ergehen zu lassen. Das ist ja sehr feinfühlig, voller Nuancen. Da muss man schon genau hinhören und hingucken. Das müssten wir auf jeden Fall noch mal genau besprechen. Es soll ja noch andere Gäste geben, der Wolfgang Niedecken etwa. Der war beim 40-jährigen ja auch auf der Bühne. Und es gibt noch eine andere schöne Idee: eine LP, auf der andere Musiker Fööss-Songs interpretieren.

Hätten Sie da auch mitgemacht?

Schon, aber die haben mich ja nicht gefragt. Ich bin aber auch Ex-Fooss, kein Gast. Hape Kerkeling dagegen ist Gast, der war ja nie Mitglied.

Die Zeit bei den Fööss werden Sie nicht mehr los.

Nein, da habe ich aber auch kein Problem mit. Das ist so lange her – von meiner Seite ist da eine ziemliche Ruhe eingekehrt. Ich muss mir da auch nichts ankreiden lassen. Ich habe nie Böses über die Fööss gesagt, ich war da immer respektvoll. Und hoffe, dass das bei denen genauso ist.

Aber entspannt war das Verhältnis lange Zeit gar nicht.

Ja. Gut. Aber die Zeit, die bringt es. Man nimmt die Vergangenheit immer mit. Das ist dann die Frage, welchen Stellenwert sie bekommt. Wenn du die Vergangenheit immer wieder mitnimmst, verblassen irgendwann die Farben. Ich war neulich mit dem Erry essen. Und dann kommt man ja zwangsläufig auf früher. Schön, dann han mer jet zo laache. Da einen Groll zu haben oder einen dicken Hals, dafür haben wir doch gar keine Zeit mehr. Wenn wir Glück haben, sind wir noch ein paar Jahre da, un dann kütt der Deckel drop.

Der Ärger kommt ja aus einer Zeit, als es die Fööss schon über 20 Jahre gab. Anfangs gab es den doch nicht?

Anfangs war eh alles anders. Die Erde war öd und leer. Wir, die Stowaways, waren eine Beatband. Und machten auch diese Musik – Beat! Und dann kam die Idee, weil man noch zwei Lieder geschenkt bekommen hatte vom Luckenbach aus Porz, die „Silberhuhzich“ und den „Rievkoochewalzer“. Bei der EMI hat man dann überlegt, wer das singen kann, und dann haben sie mich ausgeguckt. Loss d’r Klein dat singe. Dann hab ich das gesungen.

Da gab es den Namen Bläck Fööss aber noch nicht.

Stimmt. Den guten Namen Stowaways wollten wir dafür nicht benutzen, das wäre Blödsinn gewesen. Die Songs hatten ja nichts mit Beat zu tun. Ich habe mit einer Band angefangen, die hießen Black Birds, dann habe ich bei Black Beats gespielt, dann gab’s Black Phantom. Dann habe ich gedacht, Black is doch schon gut. Das hat man dann mit ä geschrieben, das war kölsch, und die Fööss kamen fast zwangsläufig dazu – ein kleiner Katzensprung. Da kommt jeder drauf. Ich will nicht sagen, dass ich das war, sonst heißt es wieder „Ne, ne, ne, ich hab aber auch …“. Interessiert nicht. Es ist so gekommen. Beim ersten Cover hat man noch nicht mal ein Foto genommen. Drei Paar behaarte Beine gemalt. Fertig.

Mit Erfolg...

Schon, aber beim nächsten Mal denkst du, das kann jetzt nicht so weitergehen. Mit solchen Liedern. Da muss was anderes her. Und dann kommt man auf die geistreiche Idee, die Musik zu machen, die man auch als Beatband macht. Und bei „Drink doch eine met“ hört man das schon, obwohl das ja noch nicht selbst gespielt war. Das wurde unter großem Zeitdruck von Studiomusikern eingespielt. So richtig wollte die EMI das Ding ja nicht, aber Graham Bonney und sein Manager Terry Young haben das durchgesetzt. Der Graham hat das gefördert mit dem Dialekt, aber mal ehrlich: Kölsch han mer vürher och schon jesunge. Wir haben gemerkt, wir müssen unsere eigene Musik machen. Dann ist das okay, auch mit unseren Texten.

Die Wertigkeit hat sich zugunsten der Fööss verändert.

Wir haben gemerkt, dass das funktioniert. Kölsch und Karneval. Ich kannte das ja über meinen Vater, der bei den Vier Botze gespielt hatte. Und die ganzen Akteure, Literaten und Präsidenten kannten mich. Mein Patenonkel war Thomas Liessem. Da konnte ich allerdings nichts für. Aber so war unser Entrée ziemlich gesichert. Wir wurden dann zu einem Literatenstammtisch in die „Laila“, eine Kneipe hinter dem alten Pressehaus, eingeladen. Das war so ein Schlauch, und ganz hinten durch saßen die dann, die großen Literaten dieser Stadt, ruude, jröne, jääle Dingens-Funke, all woren do. Und wir drei, Peter, Erry und ich, sind mit einer alten Revox-Tonbandmaschine aufgetreten. Da waren die beiden Nummern drauf, und wir haben das vorgetragen. Schon als wir reinkamen, haben die getuschelt, „Dat is doch dä Sohn vum …“. Klar hat das geholfen. Wenn der so ein Talent hat wie sein Vater, dann ist das gut, haben die gedacht. Wir hatten ja nicht mal Gitarren dabei. Ich habe dann noch gesagt, dass wir noch „Kayjass Nr. Null“ vom Papa spielen würden und „Zo Fooss noh Kölle jonn “, also op bläcke Fööss noh Kölle jonn. Mit vier Nummern ging die Sache los. 80 Mark pro Auftritt.

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Und anfangs hat ihnen der Karneval auch Spaß gemacht.

Ich will nicht sagen, dass mir das keinen Spaß gemacht hätte. Aber wir waren ja eher unangepasst. Im Gürzenich, in den Sälen, saßen die Leute alle in Schwarz, im feinen Zwirn. Ich hatt en avjeschnittene Butz an, bläcke Fööss, nackten Oberkörper und ne Frack drövver und en Fleech um d’r Hals. Jeder hatte ’ne lange Matte. So kamen wir auf die Bühne (lacht) – ich sag mal: Das war schockierend für die Leute. Wat wolle die dann? Aber wir hatten ja noch nicht die Lieder, mit denen man aneckt. „Silverhuhzick“ war ne schöne Ballade, der „Rievkoochewalzer“ ’ne freche Nummer für junge Leute, das passte. Da haben die gedacht, da kommt was. Das ist anders. Mit den anderen beiden Songs kam das locker vom Hocker.

Und in der ersten Session waren Sie nur zu dritt.

Im Gürzenich ging das, wenn eine Band wie die von Hardy von den Driesch dich begleitet hat. Aber die Kapellen auf dem Land, das waren nicht alles Notisten. Der Hartmut als unser Manager hat dann immer die Noten verteilt, aber da kam – nix! Dann haben wir im zweiten Jahr mit Bömmel, Hartmut und Joko E-Gitarre, Bass und Quetsch mitgebracht. Klaviere gab es ja selten, und wenn, dann stand die Tombola drauf. Jetzt hatten wir überall Sound, das war gut. Technisch gab es eigentlich gar nichts. Ein Mikro für drei Sänger, Knoblauch durfte man da nicht essen. Keine Monitore, nichts. Das war eine Pionierleistung von uns – wir haben Verstärker und Kabel und alles in den Karneval gebracht. Das war lustig anfangs, aber ich hab auch gedacht, das geht schnell vorbei. Ich war ja eigentlich Schlagzeuger.

Wann hat sich das geändert?

Auf einmal waren die Leute da, hinten im Publikum. Vorne saßen ja immer dieselben, und hinten ging die Post ab. Das Volk, das froh war, überhaupt ’ne Karte für den Gürzenich bekommen zu haben, die wollten uns hören. Bei der karnevalistischen Hitparade haben wir dann alles abgeräumt, weil die Leute uns hören wollten.

Das haben Sie dann auch genossen.

Natürlich habe ich das genossen. Wir hatten einfach gute Nummern. „De Mama kritt schon widder e Kind“ – da ging musikalisch richtig was ab. Und wenn du eine Nummer wie „Mer losse d’r Dom in Kölle“ auch gut spielen kannst, stehen die Leute auf den Stühlen. Wir waren sehr fleißig und hatten viele Ideen. Wir sind nicht durch den Karneval hochgespült worden, das ist Quatsch. Der Karneval war ein Brett, auf dem man stehen konnte, aber man hätte auch leicht fallen können. Und später wurde der Druck auch hoch, jedes Jahr liefern zu müssen. Wobei auch Nummern, die erst mal nicht so viel mit Karneval zu tun hatten, gut ankamen. „Meiers Kättche“ – Ich kann mich an eine Herrensitzung erinnern, da sagte der Literat vor dem Auftritt noch „Tommy, dunn dat nit, bla, bla, bla.“ Ich habe es trotzdem gesungen – finge die all an zu kriische unge (lacht). Worn die Männer feedisch em Ääpel. Und der Literat war verschwunden.

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