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5000. Kind im Kölner GeburtshausHebammen betreuen bis zu vier Geburten gleichzeitig

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Hebamme Silke Mehler besucht Karl und seine Eltern Dominique und Nino Zettner im Rahmen der Wochenbettbetreuung.

Köln – Karls Plan ist aufgegangen: Der kleine Kerl, der auf dem Arm seiner Mutter Dominique Zettner (31) zufrieden gähnt, sollte eigentlich längst da sein. Dann hat er sich genau die neun Tage Zeit gelassen, um punktgenau als Jubiläumsbaby das Licht der Welt zu erblicken: Der Junge aus Nippes ist das 5000. Baby, das im Kölner Geburtshaus in Ehrenfeld zur Welt gekommen ist. Und das im Jubiläumsjahr der Einrichtung, die in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag feierte.

Hebamme Silke Mehler hatte die werdende Mutter in den Tagen davor schon bei täglichen Hausbesuchen intensiv betreut, Herztöne kontrolliert, akupunktiert und Tipps gegeben, wie man das Baby locken und die längst überfällige Geburt in Gang setzen könnte. Für den Tag von Karls Geburt hatte sie einen Saunabesuch vorgeschlagen. Da hat der Sohn von Dominique und Nino Zettner dann doch die Flucht nach vorne angetreten.

5000. Kind in Kölner Geburtshaus geboren

Um 8.30 Uhr kamen die werdenden Eltern am Geburtshaus in Ehrenfeld an, drei Stunden später war Karl da. Zwei Stunden danach war die kleine Familie schon wieder daheim in Nippes bei Schwester Ida (2). „Es war total entspannt“, schwärmt Zettner, der man die Geburtsstrapazen nicht mehr ansieht. Ein Baby, das sich seine Zeit nehmen kann, um auf die Welt zu kommen, eine Mutter die entspannt ist, ihre Hebamme vorher kannte und in ruhiger Atmosphäre ihr Kind bekommen konnte – Dominique Zettner weiß, dass sie einen Luxus genossen hat, der nur noch sehr wenigen Kölner werdenden Müttern zuteil wird: Während der Geburt vertrauensvoll von einer Hebamme begleitet zu werden.

„Eigentlich wollten wir das schon für unser erstes Kind. Aber damals waren wir nicht schnell genug mit der Anmeldung, und Ida musste im Krankenhaus zur Welt kommen.“ Bei der zweiten Schwangerschaft waren die Zettners vorbereitet und machten sich direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest auf den Weg. „Wer nach der sechsten Woche kommt, ist meist schon zu spät dran“, erläutert Friederike Hoffmann, erste Vorsitzende des Geburtshauses. Unter den dann noch zu vielen Frauen entscheidet das Los. „Wir haben einfach Glück gehabt“, sagt Dominique Zettner.

Zu wenig Hebammen in Köln

Sonst wären sie auf einen der Kölner Kreißsäle angewiesen gewesen, wo sich die Situation seit der Geburt ihrer älteren Tochter zugespitzt hat: Dort, wo 98 Prozent der Kölner Babys geboren werden, gibt es viel zu wenige Hebammen. In Köln sind es nur noch 300 Hebammen für 14.000 jährlich geborene Kinder. Der weitaus größte Teil von ihnen arbeitet wegen der hohen Arbeitsbelastung und mangelnder Vereinbarung von Familie und Beruf in Teilzeit.

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Jede zweite Geburtsstation hat Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen. Nach Angaben der Bundeselterninitiative „Motherhood“ betreuen mehr als die Hälfte der Hebammen standardmäßig drei bis vier Geburten parallel. Da komme es durchaus vor, dass eine Frau im Kreißsaal nur ein paar Minuten bevor das Baby da ist, überhaupt eine Hebamme sieht, erläutert die Kölnerin Anja Biemann, die ihrer Arbeit als fest angestellter Hebamme deshalb den Rücken gekehrt hat. Nicht wenige Frauen werden auch unter Wehen an der Kreißsaaltür abgewiesen: Bei einer aktuellen Umfrage der Hochschule für Gesundheit in Bochum unter knapp 2000 Hebammen gab jede vierte an, dass ihr Kreißsaal in den vergangenen vier Wochen mindestens einmal vorübergehend geschlossen war, weil Personal fehlte oder kein Platz war.

40 Prozent der Kölner Mütter ohne Wochenbettbetreuung

Das Kölner Hebammennetzwerk rät daher allen Schwangeren, sich zur Sicherheit in mehreren Kölner Kliniken parallel zur Entbindung anzumelden, um nicht unter Wehen von einer Klinik ins Ungewisse geschickt zu werden. Nach der Geburt sieht es noch finsterer aus: Inzwischen kann 40 Prozent der Kölner Wöchnerinnen, die sich wegen einer Nachsorgehebamme an das Hebammennetzwerk wenden, keine Hebamme vermittelt werden. Sie müssen ohne Wochenbettbetreuung auskommen, die eigentlich eine Kassenleistung ist, und suchen in unsicheren Situationen dann Frauen- oder Kinderärzte auf oder fahren gleich in die Notaufnahme. Das sorgt für Stress bei Mutter und Kind.

Karl dagegen ist tiefenentspannt, als Hebamme Mehler ihn beim Wochenbettbesuch untersucht und wiegt.

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