Afrikanische SchweinepestEine Seuche, die das Rheinland bedroht

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Wildschweine könnten sich mit Speiseresten, die Reisende aus den betroffenen Gebieten mitbringen, anstecken. 

  • In Belgien ist die Tierkrankheit nachgewiesen. Wegen neuer Fälle in Polen übt Brandenburg bereits den Ernstfall.
  • Lanxess hat die Produktion von einem speziellen Desinfektionsmittel nun vervielfacht.
  • Wie sich Nordrhein-Westfalen auf den Ernstfall vorbereitet, lesen Sie hier.

Köln – Rinderwahn, Geflügelgrippe, Tollwut. Die deutschen Tierhalter scheinen seuchen-erprobt. Doch vor den Toren des Landes steht bereits die nächste schwere Epidemie. Die Afrikanische Schweinepest (ASP) breitet sich in Polen weiter aus – in Brandenburg wächst die Sorge, das Virus könne auch dort Tiere infizieren. Das Land will das verhindern.

Konkrete Maßnahmen hat die dortige Landesregierung am Dienstag präsentiert. Vor einem Jahr schockierten Nachrichten aus Belgien, unweit der NRW-Grenze. Einmal im Land, lässt sich das Virus schwer wieder tilgen. Binnen eines Jahres breitete sich der für Haus- und Wildschweine tödliche Erreger in Teilen Chinas und Vietnams aus. Auch Osteuropa, Russland, die Mongolei, weitere asiatische und viele afrikanische Staaten sind betroffen.

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Die Karte zeigt gemeldete Ausbrüche in Europa.

Die deutschen Bauern sind besorgt: Beim ersten Nachweis bei einem Wild- oder Hausschwein sind Exporte außerhalb der EU laut Deutschem Bauernverband nicht mehr möglich. Landwirte sehen Nordrhein-Westfalen mit einer schnellen Eingreif-Einheit zumindest gerüstet gegen die drohende ASP. Die vom Land finanzierte Wildtierseuchen-Vorsorge-Gesellschaft (WSVG) sei schon jetzt im Standby-Modus und könne bei einem Ausbruch schnell aktiv werden, sagte der stellvertretende Geschäftsführer des Landwirtschaftsverbands Westfalen-Lippe, Bernhard Schlindwein. „Wir sehen das Land gut gewappnet, um einen Ausbruch der ASP im Wildschweinbestand bekämpfen zu können.“

In NRW wäre man bei einem Ausbruch der Schweinepest schnell handlungsfähig

Mit der WSVG nach tschechischem Vorbild werde NRW bei einem Ausbruch der Seuche schnell und konsequent agieren können, sagte Schlindwein: Kadaver einsammeln und untersuchen, Zäune aufstellen und über Maßnahmen informieren. „Es wurden jetzt schon Zäune eingekauft, das technische Equipment, das man braucht, um Kadaver zu bergen und zu suchen. Hätten wir einen Ausbruch von ASP, wären wir sehr schnell handlungsfähig“, sagte Schlindwein. Tschechien habe es mit dieser Strategie geschafft, innerhalb eines Jahres nach Ausbruch wieder seuchenfrei zu sein.

Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums wird das Virus direkt über Tierkontakte oder indirekt – zum Beispiel über Fleisch oder Wurst von infizierten Tieren übertragen. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ruft zur Wachsamkeit auf. „Das richtige Verhalten der Menschen kann die Ausbreitung der ASP verhindern“, sagte Heinen-Esser auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. So könne der Erreger über Kleidung, Autoreifen oder Nahrungsmittel, wie zum Beispiel ein achtlos entsorgtes Wurstbrot übertragen werden. In nicht erhitzten Fleisch- und Wurstwaren könne der Erreger monatelang infektiös bleiben.

Auf Rastplätzen sei Vorsicht geboten

Besonders kritisch sind dabei Reste von Lebensmitteln einzustufen, die aus betroffenen Regionen stammen. „Gerade auf Rastplätzen entlang der Reiserouten zwischen Ost und West ist Sorgfalt beim Umgang mit Lebensmitteln angezeigt“, sagt die NRW-Ministerin. Die Seuche ist für den Menschen ungefährlich, für infizierte Schweine liegt die Sterblichkeitsrate jedoch bei nahezu 100 Prozent. Der Landwirtschaft drohen mehrstellige Millionenschäden, Tausenden Tieren der Tod.

Ministerin Heinen-Esser ruft insbesondere Reisende und Touristen, Jäger, Förster, Fernfahrer und Tierhalter dazu auf, sich zu informieren und durch richtiges Verhalten zur Vorsorge beizutragen. So sollten Reisende auf Rastplätzen keine Lebensmittelreste in offenen Mülleimern entsorgen, in Schweine haltenden Betrieben müssten Biosicherheitsmaßnahmen strikt eingehalten werden. Zudem sind Straßen- und Autobahnmeistereien angehalten, Zäune und Mülleimer zu kontrollieren und auf Wühlspuren von Wildschweinen zu achten.

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Landwirte und Behörden in Deutschland und Niedersachsen bereiten sich wegen der immer näher rückenden Afrikanischen Schweinepest auf den Ernstfall vor. 

Wichtig sei zudem, Funde von toten Wildschweinen unmittelbar unter der Telefonnummer 0201/714488 oder per Mail an nbz@lanuv.nrw.de dem Landesumweltamtes zu melden. Das kümmert sich um die schnelle Untersuchung des aufgefundenen Wildschweins. Zur Unterstützung der Jagd auf Wildschweine wird das Land zur ASP-Prophylaxe im Jahr 2020 die bei den Kreisen und kreisfreien Städten anfallenden Verwaltungsgebühren für die Trichinenuntersuchung übernehmen. Insgesamt wurden in den zurückliegenden Monaten in Nordrhein-Westfalen und in der gesamten Bundesrepublik eine Vielzahl von Vorsorgemaßnahmen ergriffen, um einem drohenden Ausbruch der Tierseuche zu begegnen.

Erfahrung in Bekämpfung von Seuchen

Die NRW-Jäger haben Erfahrung in der Bekämpfung von Seuchen, die von Wildtieren übertragen werden. Die Tollwut etwa, die vor allem von Füchsen übertragen wird, ist seit mehr als zehn Jahren ausgerottet. Als es sie noch gab, lag die Dichte von Füchsen etwa bei bis zu 100 Tieren je 100 Hektar. Wildbiologen gehen davon aus, dass sich die Übertragung der Seuche von Fuchs zu Fuchs ab einer Dichte von zehn Tieren je 100 Hektar nahezu stoppen lässt. Neben der Impfung wilder Tiere durch Köder wurde entsprechend scharf auf Füchse gejagt.

Ähnlich versuchen es nun auch die NRW-Jäger. Laut Landesjagdverband wurde im Vorjahr die Zahl der erlegten Wildschweine in NRW auf 66 000 fast verdoppelt. Andere Bundesländer haben, um den Abschuss zu erhöhen, die Gesetze gelockert. So darf in einigen Ländern mit Nachtsichtgeräten und Lampen gejagt werden. Das ist in NRW weiter verboten. Allerdings: „Die Schonzeit für Wildschweine wurde mit Ausnahme von Tieren, die Junge führen, aufgehoben“, so Andreas Schneider, Sprecher des NRW-Jagdverbandes.

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Nach dem Ausbruch der ASP in China und Europa registriert der Kölner Chemiekonzern Lanxess eine deutlich höhere Nachfrage nach seinen Desinfektionsmitteln der Marke Virkon. „Seit 2017 ist unser Umsatz mit Virkon jedes Jahr um rund ein Viertel gestiegen. Unsere Produktion läuft deshalb auf Volllast. Zudem haben wir die Schichten in unseren Produktionsanlagen aufgestockt, um die Nachfrage bedienen zu können“, sagte Matthias Arnold von Lanxess dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Bisher existieren weder eine Impfung noch eine wirksame medizinische Behandlung gegen die Krankheit. Präventive Maßnahmen wie die Desinfektion von Schweineställen, Ausrüstung, Fahrzeugen und Schuhen sind deshalb entscheidend, um ein Übergreifen der Tierseuche von Wildschweinen auf Nutzschweine zu verhindern.

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