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Aikido Forum KishintaiEine Schule des Lebens

Lesezeit 2 Minuten
Jörg Kretzschmar (r.) demonstriert seinen Schülern die komplexen Bewegungen des Aikido.

Jörg Kretzschmar (r.) demonstriert seinen Schülern die komplexen Bewegungen des Aikido.

  • In unserer Serie "Was wär' ich ohne..." beschreiben Redaktionsmitglieder das Geschäft, den Dienstleister, die Werkstatt, den Betrieb oder den Handwerker, ohne den sie nahezu aufgeschmissen wären.
  • Bettina Janecek ist Redakteurin in der Lokalredaktion.

Köln – Alles begann damit, dass mein Mann und ich für unsere sechsjährige Tochter eine Beschäftigung suchten, die ihre Konzentration fördert. Irgendwie stießen wir auf die Kinderkurse des Aikido-Forum Kishintai. Jörg Kretzschmar, Leiter des Dojo, wie der Trainingsraum bei japanischen Kampfkünsten heißt, überzeugte uns sofort mit seiner aufgeschlossenen Art, und fortan lernte meine Tochter Aikido.

Wie bei jeder ordentlichen Musikschule gab es auch hier eines Tages eine Präsentation für die Eltern. An jenem Tag vor mittlerweile zehn Jahren habe ich Aikido für mich entdeckt. Wer das Dojo an der Beethovenstraße betritt, wird häufig von Klavierspiel empfangen, denn Jörg, der den 5. Dan innehat, nutzt die Zeit vor dem Training, um an seinem Flügel zu üben, der prominent im Vorraum steht. Nach einem anstrengenden Tag ins Dojo zu gehen ist für mich wie in einen Hafen der Ruhe einzulaufen. Alles, was draußen wichtig erscheint, verblasst, und der Kopf wird frei.

Körperkraft spielt keine Rolle

Bei Außenstehenden weckt der Begriff Kampfkunst oft die Assoziation von actionkrachenden Filmen in Jackie-Chan-Manier. Doch beim Aikido geht es nicht um Gewinner und Verlierer, nicht um Körperkraft und nicht vordergründig darum, den „Gegner“ auf den Boden zu werfen – auch wenn das in der Regel am Ende dabei herauskommt. Es ist eine Form der Selbstverteidigung, bei der man sich die Energie des Angreifer zunutze macht. Ein Prinzip, das auch Jörgs Lebensphilosophie entspricht: „Es macht keinen Sinn, gegen die Herausforderungen des Lebens anzukämpfen. Besser ist es, sich dem anzupassen, was man vorfindet.“ Aikido ist für den 45-Jährigen deshalb auch „Erziehung des Herzens“ und eine Schule des Lebens.

Die komplexen Bewegungsabläufe bringt Jörg uns mit scheinbar nie endender Geduld näher, wobei auch hier gilt, siehe oben: Sich über Schüler aufzuregen, bringt ja nichts. Lieber führt er uns unsere Fehler mit Humor und erheblichem komödiantischen Talent vor Augen. Für einen Akidoka ist sein Dojo ein Stück Heimat. Wer in eine andere Stadt zieht, scheitert nicht selten bei dem Versuch, ein passendes neues zu finden. Hört gar ein Dojo-Lehrer auf, kann das zu Eruptionen führen und Trainingsgemeinschaften sprengen. Was wär ich ohne...? Das möchte ich mir lieber nicht vorstellen.

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