Aktion #liebegewinntKölner Gemeinden beteiligen sich an Segnungen für Homosexuelle

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Die Regenbogenflagge, Symbol der LSGBTIQ+-Bewegung

Köln – Für Karin Hörstmann wird es ein besonderer Tag: „Für uns war es keine Frage, dass wir am Sonntag zu dem Segnungsgottesdienst in Köln kommen.“ Für die 50-Jährige und ihre Frau Britta ist der öffentliche Segen in einer katholischen Kirche ein so wichtiges wie überfälliges Zeichen. „Wir sind seit 20 Jahren ein Paar und standesamtlich verheiratet. Wir sind katholisch sozialisiert und fühlten uns mal dieser Kirche zugehörig. Aber dass man uns als Menschen zweiter Klasse stigmatisiert, das war eine unfassbare Verletzung.“ Dass man in ihrer Kirche, Autos, Gebäuden und Tieren den Segen spende, den man ihnen verwehre, das sei zutiefst kränkend.

Gottesdienste in Köln

Der Gottesdienst am 9. Mai um 18 Uhr in der Kirche Christi Auferstehung in Lindenthal ist Teil der deutschlandweiten Initiative #liebegewinnt (hier finden Sie weitere Infos). Bundesweit finden in diesem Rahmen um den 10. Mai an die 100 Gottesgottesdienste für Liebende statt, in denen alle Paare gesegnet werden, die das wünschen – ohne dass sie nach ihrer sexuellen Orientierung gefragt würden. Die Aktion ist eine Reaktion auf eine „Note“ der Glaubenskongregation in Rom. In ihrer Antwort auf ein anonymes „Dubium“, eine zweifelnde Anfrage, bekräftigt die vatikanische Behörde die ablehnende Position zur Segnung homosexueller Paare. Begründung: Gott könne die Sünde nicht segnen.

Neue Stabsstelle

Das Erzbistum Köln hat eine „Stabsstelle Aufarbeitung“ gegründet. Sie soll Veränderungen vorantreiben, die sich aus den Befunden des im März veröffentlichten Gutachtens zum Missbrauchsskandal ergeben, teilte das Erzbistum am Freitag mit. Er setze auf Tempo, sagte Kardinal Rainer Woelki laut Bistumsmitteilung. „Ich habe eine Kirche vor Augen, die jedem Menschen Geborgenheit und Schutz bietet“, so der Erzbischof. Daran werde er „jeden Tag arbeiten“.

Alles zum Thema Rainer Maria Woelki

Die Leitung der neuen Stelle übernimmt Stefan von der Bank, der seit 2018 mit dem Thema Missbrauch und Aufarbeitung befasst ist. (jf)

Dass sich dagegen Widerstand regt und 2600 Seelsorgerinnen und Seelsorger auf Initiative der Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Hamm) und Burkhard Hose (Würzburg) ihre Unterschrift unter eine Solidaritätserklärung gesetzt haben, findet weit über Deutschland hinaus Aufmerksamkeit. Sogar das „Wall Street Journal“ berichtet (hier lesen Sie mehr) in einem langen Artikel über #liebegewinnt. 

Während etwa in Frankfurt die Citykirche Liebfrauen und in Essen sogar der Dom für einen #liebegewinnt-Gottesdienst offenstehen, geht es in Köln vergleichsweise peripher zu: Zwar weht auch hier derzeit an vielen Kirchen die Regenbogenfahne als Zeichen für sexuelle Vielfalt, Toleranz und Solidarität. An der Segnungsaktion beteiligen sich offiziell allerdings nur die Sankt Michael im Belgischen Viertel und eben die Kirche Christi Auferstehung, die zur Pfarrei Sankt Pankratius gehört. Der Jugendverband BDKJ bietet zudem eine Andacht per Zoom an.

Unterstützung vom Pfarrer

Der Pfarrer von Sankt Pankratius, Wolfgang Fey, schreibt im Pfarrbrief, Zukunft habe die Kirche nur mit Mut und Offenheit. In diesem Sinne verstehe er diesen Gottesdienst nicht als populistischen Protest, sondern als „geschwisterliches Zeichen der Achtsamkeit“. Öffentlich äußern möchte er sich zu der Aktion allerdings nicht. Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Christoph Bouillon, betont, das gesamte Seelsorgeteam der vier Kirchen des Seelsorgebereichs stehe hinter der Aktion. Er lobt die mutige Entscheidung, sich von Rom nicht das Segnen verbieten zu lassen. Die Resonanz sei überwältigend. Aus dem gesamten Rheinland hätten sich Teilnehmende angemeldet. Man hoffe, dass es bei guter Witterung ein Freiluftgottesdienst werden könne.

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„Wir hätten uns aber gewünscht, dass gerade in Köln noch mehr Geistliche in Köln den Mut gehabt hätten, mitzumachen“, sagt Bouillon. Vielerorts herrsche immer noch zu viel Angst. Hintergrund ist, dass die deutschen Bischöfe sehr unterschiedlich auf #liebegewinnt schauen: Während die Aktion in Bistümern wie Essen, Münster, Mainz und Limburg geduldet wird und die Bischöfe unmissverständlich ihren Unmut über Rom bekundet haben, stellte Kardinal Rainer Woelki sich ausdrücklich hinter das Nein aus Rom mit der Begründung, das Verbot stärke das katholische Eheverständnis.

Droht die Exkommunikation?

Der Kirchenrechtler Gero Weishaupt, der in Köln als Diözesanrichter tätig ist, wurde im „domradio“ mit der Theorie (mehr dazu hier) zitiert, dass Bischöfe der Exkommunikation anheimfielen, wenn sie die Segnung homosexueller Paare guthießen. Der Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller nennt dies einen juristischen Popanz. „Kein Bischof sollte sich durch kirchenpolitisch inszeniertes kirchenrechtliches Halbwissen, das imaginäre Drohkulissen aufbaut, ins Bockhorn jagen lassen“, schreibt Schüller auf katholisch.de (hier lesen Sie den Beitrag). Auch die Seelsorger und Seelsorgerinnen in den Gemeinden dürften „angstfrei und auf der Spur des Evangeliums allen Menschen Gottes guten Segen spenden“.

Das Erzbistum erklärte auf die Frage, ob Seelsorgern, die sich an der Aktion beteiligen, Sanktionen drohen, man werde „im Nachgang Gespräche mit den betreffenden Seelsorgern führen, um ihre Motive kennenzulernen“. Ein offener, sachlicher Austausch von Meinungen sei unabdingbar, um gemeinsam als Kirche voranzukommen.

Brings ist mit Video und live dabei

Viele Geistliche, vermutet Karin Hörstmann, hätten am Ende doch Angst vor Konsequenzen. „Wir sind aber an einem Punkt, an dem sich keiner mehr von seiner Angst leiten lassen darf“, hält Christoph Bouillon dagegen. Es gehe längst ums Ganze. Menschen aus dem innersten Kern der Gemeinden verließen in Scharen die Kirche, weil sie vieles nicht mehr mittragen könnten.

Selbst wenn die Kölner Beteiligung an der Aktion #liebegewinnt zahlenmäßig bescheiden bleibt – mit dem eigens produzierten „Rainbow Edition“-Video ihres Hits „Liebe gewinnt“ gibt Brings als Kölner Band ihr Gesicht und Stimme. Am 10. Mai spielt Brings live in Hamm in der St. Agnes-Kirche, wo „liebegewinnt-Mitinitiator Bernd Mönkebüscher Pfarrer ist. Der dortige Segnungsgottesdienst wird ab 19 Uhr live auf dem Youtube-Kanal und der Facebook-Seite von #liebegewinnt übertragen.

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