Stolperstein-VerlegungBritin hatte zunächst Angst vor einem Besuch in Köln

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Francis Marks

Britin mit deutschen Wurzeln: Frances Marks steht vor dem Haus an der Kinkelstraße, in dem ihre Mutter aufwuchs.

Lindenthal – Ob das wirklich das Elternhaus ihrer Mutter ist? Frances Marks ist sich nicht sicher, als sie vor dem Gebäude an der Kinkelstraße 9 steht. „Ich war ein einziges Mal mit ihr in Köln“, sagt sie. „Damals muss ich wohl so sieben Jahre alt gewesen sein. Ich erinnere mich nur an Schutt. Vielleicht haben sie es später wieder aufgebaut?“ Doch bei der Stolpersteinverlegung erfährt Marks, die aus London angereist ist, dass es sich tatsächlich um das Gebäude handelt, in dem ihre Mutter aufwuchs und nur die Fassade verändert wurde.

Davor lässt der Künstler Gunter Demnig zwei seiner mit Kupferplatte und Namensgravur versehenen Pflastersteine in den Gehweg ein – zum Gedenken an die beiden Opfer des Holocausts, die dort lebten. Einer trägt den Namen von Marks Mutter Margarete Heymann-Loebenstein, der andere den ihrer jüdischen Großmutter Emma Heymann. Letztere wurde 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Kinder konnten vor Nazis ins Ausland fliehen

Ihr Mann war bereits vorher verstorben. Die Kinder konnten letztendlich vor den Nazis ins Ausland fliehen, dennoch war auch der Lebensweg Margarete Heymann-Loebensteins von den Verbrechen der Nazis nachhaltig gezeichnet. Sie war eine der bedeutendsten Keramikerinnen des 20. Jahrhundert, gehörte damals zur Avantgarde der Bauhaus-Ära.

Sven Vorderstrase, Mitarbeiter des Design-Onlineportals Markanto, hat sich intensiv mit ihrem beruflichen Werdegang befasst: Zusammen mit ihrem Mann gründete Margarete Heymann-Loebenstein um 1923 die sehr erfolgreiche Keramikmanufaktur „Hael Werkstätten“ in Berlin. Fünf Jahre später kam der Mann bei einem Autounfall ums Leben. Heymann-Loebenstein steuerte den Betrieb, in dem zu Hochzeiten bis zu 120 Mitarbeiter beschäftigt waren, alleine durch die Wirtschaftskrise. Doch 1933 starb dann noch ihr fünfjähriger Sohn bei einem Unfall im Haus.

Ein Ausdruck von Antisemitismus

Das Kindermädchen zeigte sie an. Der Vorwurf wurde nicht weiter verfolgt, war aber bereits Ausdruck des Antisemitismus, der sich in der Gesellschaft breitmachte. In der wirtschaftlich und persönlich schwierigen Zeit legte Heymann-Loebenstein den Betrieb zunächst still. Als sie ihn kurze Zeit später wieder aufnehmen wollte, fand sie niemanden mehr, der mit einer Jüdin Geschäfte machen wollte.

Vorderstrase schildert die Folgen der Ausgrenzung: „Sie sah sich gezwungen, ihr Unternehmen an den NS-Funktionär Heinrich Schild zu verkaufen, welcher dort zusammen mit der Keramikerin Hedwig Bollhagen die HB-Werkstätten für Keramik gründete“, erzählt Sven Vorderstrase. „Über die Angemessenheit des damals gezahlten Kaufpreises in Höhe von umgerechnet nur 45.000 Euro wird seitdem immer wieder heftig diskutiert.“

Deutsch sprach sie nie wieder

Margarete Heymann-Loebenstein war in die Schusslinie geraten. Im Jahr 1936 wanderte sie nach Großbritannien aus. Dort heiratete sie erneut und nahm den Namen Grete Marks an. Deutsch sprach sie nie wieder.

Und so hat auch Frances Marks die Sprache ihrer Mutter nicht gelernt. Den Besuchern der Stolpersteinverlegung berichtet sie auf Englisch von der Frau, die jeden Tag gemalt hat, fast zwanghaft, doch nie wieder so berühmt wurde, wie sie es in Deutschland einst war.

Ambivalentes Gefühl gegenüber Deutschland

Sie ist sichtlich bewegt, als sie spricht – und sehr ehrlich: „Ich hatte Angst hierherzukommen. Ich hatte keine Ahnung, wie es mir gehen würde. Ich kam mir vor wie in eine Falle getappt. Ich hatte immer so ambivalente Gefühle gegenüber Deutschland.“

Erst in den vergangenen Jahren sei es besser geworden. Da habe sie ein Appartement an Deutsche vermietet – und sich langsam emotional angenähert an die Menschen und das Land, aus dem ihre Mutter einst floh.

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