Angst wegen CoronaKölner Freiberufler erzählen von ihrer größten Existenzkrise

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Die Stadt Köln ruht. Restaurants bleiben geschlossen, Aufträge werden gestrichen und Konzerte fallen aus.

Köln – Gastronomen, Künstler und viele andere Freiberufler blicken besorgt in die Zukunft. Nur wenige von ihnen haben die Rücklagen, um eine längere Durststrecke zu überstehen. Uns haben Betroffene ihre Situation geschildert.

„Wir Künstler brauchen jetzt ein Grundeinkommen“ 

Marie Köhler, Künstlerin: Als Fotografin und Medienkünstlerin komme ich nicht auf die Grundsicherung von 1124 Euro im Monat. Dazu hatte ich einen Minijob als Kellnerin auf 450 Euro-Basis. Letzte Woche wurden mir alle Aufträge für die nächsten Monate gestrichen. Gestern hat das Café, in dem ich arbeite, schließen müssen. Für mich wurde Kurzarbeitergeld beantragt, sollte es bewilligt werden, bekomme ich 60 Prozent abzüglich der Steuern, also maximal 200 Euro. Ich kann kein Harz IV beantragen, denn ich bin Teilzeit angestellt. Ich habe durch mein geringes Einkommen kein Recht auf Arbeitslosengeld 1. Ich bin Risikopatientin mit schwerem Asthma und vertrage kein Cortison.

Ich kann nicht in der Pflege arbeiten und momentan auch nirgendwo sonst. Außer von Zuhause aus. Ich habe noch für eine Woche etwas zu Essen, denn ich habe mich vorbereitet. Ab dann kann ich nicht mehr für mich selbst sorgen. Ich kann weder Miete, Strom, Telefon noch meine Krankenversicherung zahlen. Ich bin eine etablierte Künstlerin, mit Buchveröffentlichungen und vielen Ausstellungen. Wir Künstler brauchen für die nächsten sechs Monate eine Grundsicherung von 1000 Euro! Den Rest schaffen wir selbst. Haben wir immer geschafft. 

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„Wenn das drei Monate dauert, machen 90 Prozent der Gastronomen die Tür zu“

Marc Flogaus, „Metzger + Marie“: Wir sitzen gerade zusammen und fragen uns, wie es weiter geht. Lieferservice machen jetzt alle, das bringt ja auf Dauer nichts. Der Zeitpunkt der Krise ist für uns sehr schlecht. Für ein Speiserestaurant wie „Metzger + Marie“ läuft bis Karneval wenig. Eigentlich beginnt das Geschäft jetzt mit dem Frühling. Eine Pause von vier Wochen sollten wir alle überstehen, aber wenn das zweieinhalb, drei Monate dauert, machen 90 Prozent der Gastronomen die Tür zu. Wir haben am Montag Kurzarbeit für unsere 16 Mitarbeiter beantragt, aber bis heute noch nichts von der Arbeitsagentur gehört. Das kann eigentlich nicht sein.

Neben dem Restaurant bin ich seit fast drei Jahren auch der Mannschaftskoch vom 1.FC Köln. Unsere Catering-Firma liefert fünf Mal die Woche Essen an die Profis, wir betreuen auch die Trainingslager – das fällt jetzt alles weg. Genau wie die Betreuung der Vox-Serie „First Dates“ – da ist nicht klar, ob weiter gedreht werden kann. Wir haben Fixkosten von rund 50.000 Euro im Monat und gerade viel Geld in unsere Küche investiert. Und natürlich will ich meine Leute behalten – gutes Personal ist schwer zu finden.

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Über Hilfe in Form von Krediten wird bisher nur geredet – was genaues gibt es nicht. Aber selbst wenn wir die jetzt schnell bekämen – wir könnten die doch gar nicht zurück bezahlen. Nach der Krise kommt das Sommerloch, und alle müssen sparen. Da geht doch keiner ins Restaurant. Dann ist Weihnachten sehr weit weg.

„Aus blühender Landschaft wird Steppe“

Matthias Klimsch, Musiker: Ich habe Musik an der Hochschule in Köln studiert, und arbeite als Pianist, Musikproduzent und Bandleaderim Jazz- und Pop-Bereich. Neben eigenen Produktionen im Tonstudio, schreibe ich etwa Arrangements für Projekte wie die „Pop Nights“ , bei denen wir mit unserer Band „Sonic Pearls“ und Künstlern wie Clueso, Max Mutzke und Gentleman weltweit unterwegs sind. Seit Oktober gestalten die „Sonic Pearls“ als Hausband das musikalische Programm in „Harrys New York Bar“ im Dorint. Jeden Freitag und Samstag sind wir dort mit hervorragenden Musikern und einem vielfältigen Programm. Und dann kommt Corona und alles bricht weg.

Alles stagniert – keine Messen, keine Konzerte, nichts mehr. Null Einnahmen, und die Kosten bleiben. Aus blühender Landschaft wird Steppe, es drohen Insolvenzen. Welche unserer Kunden werden das auch überleben? Die Corona Situation fühlt sich für uns Künstler – bei allem Verständnis – wie ein Flächenbrand in Australien an. Wir hoffen, dass danach noch genügend Lebenskraft in allen Unternehmen und Künstlern steckt, damit die Kultur sich wieder erholen und zum Leben erweckt werden kann. 

Aufgezeichnet von Uli Kreikebaum und Stefan Worring 

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