Antisemitismus in Köln„Menschen schließen sich zusammen, um Angst zu verbreiten“

Lesezeit 3 Minuten
Synagoge Polizei

Erhöhte Polizeipräsenz an der Synagoge in der Roonstraße

Köln – Der Kölner Helge David Gilberg, Mitglied der jüdischen Gemeinde und der SPD, erhält massive Morddrohungen. Patrick Fels vom NS-Dokumenationszentrum erklärt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, warum sich Hetzkampagnen häufen und was sich dagegen tun lässt.

Bedrohungen gegen Menschen, die öffentlich vor der AfD und Rechtsextremismus warnen, häufen sich. Woran liegt das?

Bei der Anhängerschaft der AfD scheint die Reaktionsschwelle, wenn ihrer Partei unterstellt wird, undemokratisch zu sein, sehr niedrig zu sein. Im Internet – aber nicht nur dort – erleben wir seit einigen Jahren eine massive Verrohung – inzwischen reichen vermeintlich lapidare Anlässe wie das „Umweltsau“-Lied, um einen Shitstorm und rechtsextreme Proteste auszulösen. Das geht teilweise bis hin zu Morddrohungen. In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass sich Menschen gezielt zusammenschließen, um Angst zu verbreiten.

Patrick Fels, (c) ibs

Patrick Fels vom NS-Dokumenationszentrum

Und damit immer wieder Erfolg haben – mehrere Bürgermeister haben sich nach Drohungen in jüngster Zeit zurückgezogen, einer, Christoph Landscheidt aus Kamp-Lintfort, will sich bewaffnen.

Es ist keinem zu verdenken, Konsequenzen zu ziehen, die Eingriffe sind zum Teil sehr massiv, damit kommt nicht jeder zurecht. Ein bisschen beruhigend für die Betroffenen ist es womöglich, dass es in den allermeisten Fällen bei den Bedrohungen bleibt und keine Taten folgen. Es geht den Tätern darum, Angst zu verbreiten. Wir weisen in Beratungsgesprächen immer darauf hin, dass die Bedrohungen zwar sehr ernst zu nehmen sind, in der Regel damit aber lediglich Drohkulissen aufgebaut werden sollen.

Haben antisemitische Bedrohungen aus der Erfahrung Ihrer Beratungsstelle zugenommen?

Ja, so wie Unmut und Hass insgesamt häufiger und deutlicher geäußert wird. Nach der Kölner Silvesternacht bekamen das vor allem Initiativen, Verbände, Politiker und engagierte Menschen zu spüren, die sich für Flüchtlinge einsetzten, momentan sind die Adressaten diverser: Besonders häufig bedroht werden Politiker der Grünen und der SPD, Frauen, Flüchtlingshelfer und Mitglieder der jüdischen Gemeinde.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das ist aber nicht neu?

Jeder jüdische Bürger – in Köln und in ganze Deutschland – wird von antisemitischen Vorfällen erzählen können. Die jüdischen Gemeinden erhalten seit jeher Drohbriefe. Das ist traurige Realität seit vielen Jahrzehnten.

Es braucht nur ein paar Klicks, ein Prepaid-Handy und einen Fake-Account, um Menschen zu bedrohen. Die Täter können sehr oft nicht ermittelt werden. Wie könnte dem grassierenden Hass und den sich häufenden Drohungen wirkungsvoller begegnet werden?

Wichtig ist es, sich nicht einschüchtern zu lassen. Denn das ist es, was die Hetzer wollen. Wir empfehlen in der Regel einen offensiven Umgang, das heißt sich Unterstützung und Hilfe zu holen, an die Öffentlichkeit zu gehen und strafbare Inhalte anzuzeigen. Wichtig kann zusätzlich ein Kontakt zu und Austausch mit anderen Betroffenen sein. Man sollte aber auch die Politik nicht aus ihrer Pflicht entlassen, denn der Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger gehört zu ihren zentralen Aufgaben. Je nach Konstellation kann aber auch ein (vorübergehender) Rückzug aus der Öffentlichkeit ein richtiger Schritt sein. Niemand muss sich solchen Dingen aussetzen und damit dauerhaft Abstriche bei der Lebensqualität machen.

KStA abonnieren