Apotheker-Vorsitz im Interview„Politik könnte die Maskenpflicht bald anders bewerten“

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In Jena ist die Maskenpflicht bereits beschlossen.

  • Solidarisch anmutende Dekoration oder ein Schritt auf dem Weg zu mehr Lockerungen – welche Rolle können Atemmasken im Verlauf der Corona-Epidemie spielen?
  • Zu diesem Thema haben wir in einer Sonderfolge unserer Corona-Expertenserie Thomas Preis, den Vorsitzenden des Apothekerverbandes in Köln, befragt.
  • Er erklärt, warum er eine baldige Maskenpflicht auch in Köln für wahrscheinlich hält.

Köln –  Herr Preis, welche Bedeutung werden Atemmasken aus Ihrer Sicht in den kommenden Monaten einnehmen?

Die Meinung zum Tragen von Schutzmasken hat sich bei Virologen in den letzten Wochen deutlich geändert. Mittlerweile sind sich nahezu alle Experten einig, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sehr sinnvoll sein kann. Ziel ist, die Geschwindigkeit des Atemstroms oder Tröpfchenauswurfs, z. B. beim Husten, Sprechen oder Atmen zu reduzieren. Gleichzeitig werden sowohl das Bewusstsein für „Social Distancing“ sowie ein gesundheitsbezogener und achtsamer Umgang mit sich und anderen sichtbar unterstützt.

Welche Maskenart bietet welchen Schutz?

Man kann drei Maskentypen unterscheiden: Communitymasken, also selbst hergestellte Masken ohne technische Prüfung einer Wirksamkeit, einfache Mund-Nasen-Schutzmasken und FFP-2 oder FFP-3 Masken mit hoher beziehungsweise sehr hoher Filterwirkung.

Bei Community-Masken handelt es sich um Mund-Nasen-Masken, die aus Stoff genäht wurden, oft selbst gemacht. Diese Masken sind nicht zertifiziert und entsprechen keiner Norm. Sie haben für den Träger selbst keine besonders starke Schutzwirkung, wohl aber für die Personen in seiner unmittelbaren Nähe. So kann dieser einfache Mund-Nasen-Schutz verhindern, dass Personen, die bereits infiziert sind – häufig, ohne es selbst zu wissen – weitere Personen mit dem Virus anstecken.

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Besonders effektiv sind diese Masken, wenn der verwendete Stoff dicht gewebt und zweilagig ist. Wichtig ist, dass die Masken mindestens einmal täglich mit Vollwaschmittel, am besten bei 60 Grad Celsius, gewaschen werden. Mikrowellenbehandlung oder lediglich heißes Bügeln reicht nicht aus. Auch der medizinische Mund-Nasen-Schutz, auch „OP-Maske“ genannt, dient vor allem dem Fremdschutz. OP-Masken können bei festem Sitz in begrenztem Umfang auch den Träger der Maske schützen.

Durch filtrierende Halbmasken, also FFP2- und FFP3-Masken, wird die Atemluft gefiltert, damit die Viren deutlich weniger stark hindurch kommen. Diese Masken sind in erster Linie Ärzten und Pflegepersonal vorbehalten, da diese durch den direkten Patientenkontakt einer hohen Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind.

Welchen Effekt haben Atemventile?

Masken mit Ventil filtern nur die eingeatmete Luft und sind daher nicht für den Fremdschutz ausgelegt. Masken ohne Ventil filtern sowohl die eingeatmete Luft als auch die Ausatemluft und bieten daher sowohl Eigenschutz als auch Fremdschutz. Diese Masken können meist – ebenso wie ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz – bei Versorgungsengpässen bis zu maximal zweimal dekontaminiert und wiederverwendet werden. Dafür kann man im privaten Bereich einen Umluft-Backofen nutzen, 65–70 Grad Celsius und 30 Minuten reichen hier aus. Am besten beim ersten Mal nicht unbeaufsichtigt durchführen. Benutzte FFP-Masken oder Mund-Nasen-Schutz-Masken sollten niemals mit Desinfektionsmittel besprüht oder gereinigt werden. Die Filterwirkung könnte Schaden nehmen.

Von welchen Faktoren hängt es ab, dass Masken effizient zur Eindämmung des Virus beitragen?

Ganz wichtig ist für Maskenträger, alle anderen Hygienemaßnahmen nicht zu vernachlässigen. Dann können Masken eine große Hilfe sein. Auch der richtige Umgang mit den Masken ist sehr wichtig. Beim Anziehen ist darauf zu achten, dass die Innenseite nicht kontaminiert wird. Die Hände sollten vor dem Aufsetzen und nach dem Absetzen gründlich mit Seife gewaschen oder desinfiziert werden.

Halten Sie eine allgemeine Maskenpflicht für sinnvoll?

Seit Mittwoch haben wir ja eine klare Empfehlung der Politik, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Supermärkten Masken zu tragen. Das ist sehr sinnvoll, denn es ist beim Einkaufen oder in Bus und Bahn oft gar nicht möglich, ausreichend Abstand zu halten. Wenn dann alle Menschen dort oder auch an anderen Stellen des öffentlichen Lebens eine Maske tragen, wird eine schnelle Übertragung vermieden. Zur Zeit ist es gut, dass es noch keine Maskenpflicht gibt. Eine Maskenpflicht würde zu einem Ansturm auf die Apotheken führen. Grundsätzlich ist es noch schwierig, genug Masken zu vernünftigen Preisen zu besorgen. Ich kann mir vorstellen, dass ich in wenigen Wochen sich die Liefersituation geändert haben wird und die Politik dann das Thema Maskenpflicht noch einmal neu bewertet.

Sind die Apotheken denn aktuell ausreichend ausgestattet?

Die Apotheken haben viel investiert, um Kunden und das Personal vor Infektionen zu schützen. So haben die meisten Apotheken jetzt an den Beratungsplätzen im Verkaufsraum hygienische Plexiglasabtrennungen und Abstandsregeln in den Verkaufsräumen. Zusätzlich finden regelmäßig interne Schulungen statt. Die Apotheken haben auch ausreichend Medikamente vorrätig. Hamsterkäufe sind auch deshalb nicht zu verzeichnen.

Trotzdem beobachten wir sehr genau den Arzneimittelmarkt, denn viele Medikamente werden in China produziert. Dort fand ja einige Wochen und Monate keine Produktion statt. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass mit zeitlicher Verzögerung das ein oder andere Medikament nicht zu bekommen ist.

Wir gehen aber dann davon aus, dass wir dann immer ein alternatives Medikament anbieten können, so das niemand unversorgt bleibt. Wir sind froh, dass alle Apotheken in Köln in Betrieb sind. In anderen Bundesländern gab es schon einzelne Schließungen, weil auch das Apothekenpersonal an dem Coronavirus erkrankt war.

Sind Ihre Mitarbeiter überlastet?

In den letzten Wochen und jetzt auch aktuell ist die Arbeitsbelastung sehr groß. Das Coronavirus führt natürlich zu einer erhöhten Verunsicherung bei den Bürgern. Die vielen Fragen werden in unzähligen Beratungsgesprächen geklärt. Zusätzlich versorgen wir immer mehr Patienten direkt zu Hause durch unsere apothekeneigenen Botendienste, damit insbesondere Ältere und chronisch Kranke möglichst kontaktarm mit ihren notwendigen Arzneimitteln versorgt werden. Wir sind sehr stolz, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in diesen nicht einfachen Zeiten sich so engagiert und motiviert zeigen.

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