Artisten-Geschwister begeistern KölnHarmonie am Vertikalseil im Cirque Bouffon

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Artisten-Geschwister: Una und Ezra im Cirque Bouffon.

Köln – Die Harmonie der beiden Artisten ist beeindruckend. Amöbengleich in den fließenden Bewegungen windet sich ein achtgliedriger Körper um das Vertikalseil, verschmilzt und trennt sich wieder, wirkt unentwirrbar verknotet, um im nächsten Moment scheinbar ins Bodenlose zu stürzen, malt Bilder mit Körpern unter die Zirkuskuppel.

Una Bennett (25) und ihr drei Jahre älterer Bruder Ezra Weill verstehen ihr Handwerk und verstehen sich. Und sie sind vielseitig: er ist im Programm des Cirque Bouffon noch als Jongleur von Hüten und Kisten zu sehen, sie beeindruckt mit einer Hula-Hoop-Reifennummer. Und beide spielen auch bei der Musik mit: Una bläst das Sousafon, Ezra zupft das Banjo.

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Seit zehn Jahren erstmals wieder gemeinsam auf der Bühne: Una Bennett und Ezra Weill.

 „Unsere Eltern sind bildende Künstler“, erzählt Una Bennett, die mit einem Franzosen verheiratet ist, „und in der Kunstszene von Seattle, wo wir aufgewachsen sind, sehr präsent. Es gab da eine kleine Zirkusschule, in die wir gingen, seitdem ich sechs und Ezra neun war.“ Zudem waren die beiden auf einer Waldorfschule, an der auch die Eltern unterrichteten. „Also sind wir auch mit Musik aufgewachsen.“

Vom Vater Jonglieren gelernt

Sein Vater habe ihm jonglieren beigebracht, erzählt Ezra. „Wir haben dann auf der Straße performt und auf kleinen Festivals in Seattle. Wir spielten Geige und Una machte Hula-Hoop auf einem Ball. Ich stapelte Skateboards und jonglierte darauf stehend mit Messern.“ Auch Partnerakrobatik hätten sie gemacht, da müsse er so 13 gewesen sein, erinnert er sich. „Es hat total Spaß gemacht“, sagt Una, „und das Geld, das es gab, haben wir gerne mitgenommen. Da haben wir viele Grundlagen gelernt. Vor allem, wie man die Aufmerksamkeit der Leute gewinnt. Wenn die was nicht mögen, gehen sie einfach weiter.“  Der Kinderbonus habe damals bestimmt geholfen.

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Was mit Hula-Hoop-Reifen alles möglich ist, zeigt Una Bennett im Cirque Bouffon, der noch bis 22. Mai in Köln gastiert.

Als Ezra 16 war, durften die beiden in ein Summercamp nach Vermont. Ein Camp, das ein Zirkus war. „Wir hatten ein Zelt, das etwas größer war als das von Bouffon, und wir hatten rund 70 Aufführungen in zwei Monaten.“ Der Ruf dieses Zirkus, in dem die Artisten zwischen zehn und 18 Jahren alt waren, sei richtig gut gewesen, der Eintritt frei. Man tourte durch Neu-England-Staaten wie Maine, Massachusetts oder Upstate New York und wohnte bei Familien vor Ort. „Du bist noch Kind, hast aber einen Stundenplan. Alle Kids interessieren sich für dasselbe. Freiheit und Abenteuer. Das bereitet dich echt auf das Leben vor. Eine Erfahrung, für die wir heute noch dankbar sind“, sagt Una. „Wir wollten das unbedingt“, ergänzt Ezra. „Es ist wie diesen Traum zu leben, dass du von zu Hause wegläufst und beim Zirkus lebst. Nur dass du dabei auch noch betreut wirst, die Strukturen eines Summercamp sind da.“

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Ezra Weill jongliert mit Hüten.

Auch wenn es damals in den Staaten schwer vorstellbar gewesen sei, als professioneller Zirkusartist zu leben, sei der Gedanke damals gereift. Ezra Weill ging auf eine Art Zirkusuniversität nach Montreal, seine Schwester folgte ein Jahr später. „Unser beider Hauptfach“, sagt Una und lacht, „war Seil. Nebenfach bei mir Hula-Hoop, bei Ezra Hüte jonglieren. Das kann man im Cirque Bouffon jetzt sehen.“ Der hervorragende Clown der Show, Antonin Wicky, absolvierte  übrigens die selbe Schule, die drei sind eng befreundet.

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Gingen alle drei auf die Zirkusuni in Montreal: Clown Antonin Wicky, Una Bennett und Ezra Weill (v.l.)

„Im normalen Leben lebe ich in Südfrankreich im Wohnwagen“, erzählt Bennett. Dort steckten sie und etwa 15 andere Artisten in den letzten zwei Jahren fest wegen der Pandemie, Arbeit gab es keine. Ihr Bruder wohnt in Brüssel. Nach einer Südamerikareise, wo er in Bolivien lernte, wie die Hüte gemacht werden, mit denen er jongliert, verschlug es Weill nach Europa.  Er arbeitet drei Jahre in der Schweiz, bevor er in Belgien landete. Auch wenn beide die USA und besonders die Eltern vermissen, lieben sie ihr Leben „in Bewegung“. „Mal gucken, wie das wird, wenn ich mal Kinder habe“, sagt Ezra, „Kinder ohne ihre Großeltern kann ich mir nicht vorstellen.“

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Viel von Köln haben die beiden noch nicht gesehen. Sie mögen die „wirklich freundlichen Menschen", die Cafés im Belgischen Viertel, den Park rund um den Aachener Weiher. „ich war in dem verrückt großen Music Store, aber noch nicht mal im Schokoladenmuseum, obwohl wir hier direkt spielen“, sagt Weill.

Jedes mal, wenn er aus dem Bahnhof komme, raube ihm der Dom den Atem. „Wir sind Freiberufler, wir müssen uns um neue Jobs kümmern und sind dann oft am Computer“, sagte seine Schwester. Beide haben viel Spaß bei Bouffon, nicht nur, weil sie Musik machen können, sondern weil sie nach fast zehn Jahren erstmals wieder zusammen arbeiten können. „Und Direktor Frédéric Zipperlin lässt uns alle Freiheiten, das macht das arbeiten noch schöner.“

Der Cirque Bouffon gastiert noch in Köln bis 22. Mai.

Das Musikensemble des Cirque Bouffon,  Triole & Friends,  spielt sein Solo-Programm „Syno“.  Ein Quartett um den  Komponisten Sergej Sweschinski präsentiert  eine Fusion aus westeuropäischen Einflüssen und osteuropäischen Balkanklängen.  Der Veranstalter verspricht „eine musikalische Welt voller poetischer Bilder, zarter Wildheit und clownesker Soli, die das Herz berührt.“ Das Konzert ist an diesem   Dienstag, 10.Mai, 19.30 Uhr  im Chapiteau des Cirque Bouffon im Rheinauhafen. Tickets gibt es nur ander Abendkasse. Sie kosten 15 Euro.

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