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Auf dem Fahrrad durch KölnADAC-Pannenhelfer lässt das Auto stehen

Lesezeit 5 Minuten
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André Bolte gibt Starthilfe – der Pannen-Klassiker 

Köln – Wenn plötzlich ein grünes Männchen in einem komischen Anzug über die Schildergasse marschierte, könnten die Passanten dort kaum verwunderter gucken, als es Autofahrer beim Anblick von André Bolte tun. Das ist nachvollziehbar. Jahrhundertelang ließ man uns glauben, dass Engel sich mittels ihrer Flügel fortbewegen. Dann kamen Wesen – die gelben jedenfalls – im Auto angerauscht, was unser Engel-Bild schon ziemlich aufgewirbelt hat. Und jetzt treten gelbe Engel auch in die Pedale?

Ja, aber nur vereinzelt. ADAC-Mitarbeiter André Bolte tut dies zum Beispiel. Nach einer Testphase im vorigen Sommer hat sich der gebürtige Bremer (sowie zwei weitere Kölner Kollegen) darum beworben, Pkw- oder Motorradfahrern auf einem Spezial-Fahrrad zur Hilfe eilen zu dürfen.

Fahrrad wiegt mehr als 100 Kilo

Ob er zu Schichtbeginn in seinen Dienstwagen steigt oder auf den Sattel, obliegt ihm selbst. An diesem sommerlich warmen Morgen ist das keine Frage. Punkt 8.15 Uhr setzt Bolte sein mehr als 100 Kilo schweres E-Bike, eine Spezialanfertigung, vor seinem Lövenicher Zuhause in Richtung Sülz in Bewegung, wo bereits eine Frau neben ihrem blauen Kleinbus wartet.

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Bei diesem ersten Einsatz des Tages handelt es sich um den Pannen-Klassiker schlechthin: „Mein Fahrzeug springt nicht an“, erklärt die Frau, die den herbeiradelnden Straßenwachtfahrer zuerst wie einen Außerirdischen beäugt und sich dann mit Blick aufs Equipment skeptisch erkundigt: „Können Sie mir damit überhaupt helfen?“ – André Bolte antwortet auf eine Art, die ihm besonders überzeugend gelingt. Er lächelt.

Dann zieht er am Griff der gelben Metallkiste, die vor seinem Lenker installiert ist, und entnimmt der eine Batterie, die aufgrund der beiden Tragegriffe an eine Handtasche denken lässt. Als nächstes hebt er die Motorhaube des nicht fahrwilligen Mercedes-Busses an und befestigt schließlich die Kabelzangen an den Batteriepolen. Danach vergehen nur ein paar Sekunden, bis der Motor des Busses schnurrt.

„Sie sind ein Engel“, bescheinigt die Fahrerin dem Mann mit der knielangen gelben Hose, der an diesem Tag noch etliche dankbare Sätze zu hören bekommen wird. An seinem Bordcomputer kann der Kfz-Mechanikermeister ablesen, dass nur wenige Radminuten entfernt das nächste Pannenfahrzeug steht; diesmal ein Transporter, der nicht anspringt. Bolte ist gespannt.

Der Weg mit dem Rad ist begrenzt

„Bei großen Fahrzeugen kann es ein Problem geben,“ räumt er ein, während er den Riemen seines Helmes schließt. Für sein dreirädriges E-Bike hat er zwar zwei Akkus dabei, die eine Reichweite von insgesamt 60 Kilometern gewährleisten. Eine zweite tragbare Batterie hat er indes nicht. Große Wohnmobile fährt er deswegen bei Starthilfe-Problemen erst gar nicht an. Bei Autobahnpannen kann er natürlich auch nicht mit dem Lastenrad anrücken. „Und bei Wasserverlust können wir auch nicht helfen, weil wir keine Schläuche dabei haben.“

Gewusst wie

Am Sülzgürtel gegenüber der neuen Rewe-Filiale wird der ADAC-Mann ebenfalls freudig erwartet. Der Iveco-Transporter von Atasoy Tunal hatte ein paar Tage gestanden, während der Halter und seine Frau in Budapest waren. Bolte erledigt das Problem ruckzuck und ist Minuten später auf dem Weg in die Südstadt. Dort hat ein Mann versehentlich die Tür seines VW-Bulli zugeschlagen und den Schlüssel dringelassen. „Sie haben ja schon gute Vorarbeit geleistet“, meint der Helfer mit Blick auf den Holzkeil, mit dem die Tür bereits einen Spalt breit geöffnet worden ist.

Bolte greift zu seinem selbst gebastelten Werkzeug, einer Drahtschlinge, die er mit einem Benzinschlauch ummantelt hat. Damit tastet er sich von innen an der Scheibe entlang, bis er das Knöpfchen zu fassen und den T3 geöffnet kriegt. Weil es uns brennend interessiert und wir ihn entsprechend löchern, erzählt Bolte später, welche Fahrzeugfabrikate sich besonders leicht knacken lassen; ein im Job erworbenes Spezialwissen, das wir hier jedoch tunlichst verschweigen werden.

Die Sache mit dem Vorführeffekt

Minuten später bittet der Fahrer eines Suzuki-Motorrads um Hilfe und staunt, wie und vor allem wie schnell diese naht. Und wieder wird Bolte keine Gelegenheit gegeben, Werkzeug oder Ersatzteile auszupacken. Kaum dass er Hand anlegt, schnurrt der Motor der Maschine. „Gibt’s doch nicht“, murmelt Lars, der Besitzer des blauen Zweirads. Auch der nächste Fall – praktischerweise ebenfalls in der Südstadt – entpuppt sich als blinder Alarm.

Die beim Startversuch aufleuchtende Stop-Leuchte hatte Ursula Dreiser irritiert. Die gehbehinderte Kölnerin schimpft auf ihr „fürchterliches Auto“, derweil Bolte beginnt, mit seinem Diagnosegeräts den Fehlerspeicher des Autos auszulesen und die ältere Dame in Zuversicht zu wiegen. Am Ende zeigt auch dieser PKW keine Mucken. Die Fahrerin strahlt. Weiter geht’s zu einem Reifenhändler an der Weißhausstraße, wo ein Mann vergeblich versucht, seinen Smart ans Laufen zu kriegen. „Ich kotz’ gleich“, stellt der Kölner fest, als er sieht, wie Bolte dies mit einem Handgriff schafft. Es ist als Dankeschön gemeint.

„Frauen sind viel hilfsbereiter“

Bei nächsten Fahrzeug auf dem Parkplatz des Justizzentrums kann der ADAC-Helfer leider nichts ausrichten. „Da ist die Kupplung kaputt, der muss abgeschleppt werden“, bescheinigt Bolte dem Autofahrer, der daraufhin so brummig schaut, als sei Bolte schuld, dass sich kein Gang mehr einlegen lässt. Solch eine Reaktion sei jedoch die Ausnahme. „Meistens sind die Leute freundlich.“

Was ihm und seinen 75 Kölner Kollegen zu schaffen mache, sei die Rücksichtslosigkeit der Leute. „Vor allem die Männer, die hupen und brüllen, sobald ein ADAC-Fahrzeug eine Fahrspur blockiert. Frauen sind viel hilfsbereiter.“

Soeben wird Bolte wegen eines Radwechsels an den Stadtwaldgürtel gerufen. Da der Fahrer den Original-Wagenheber dabei hat, ist es kein Problem. Dann geht es in die Innenstadt zu einem Fahrzeug auf der Mittelstraße, das nicht anspringt. Und schon folgt ein Notruf vom Neumarkt, wo der Pannenhelfer mit dem Dreirad eindeutig schneller hinkommen kann, als ein Pkw. Verdacht auf einen Defekt des Nockenwellensensors, stellt Bolte fest und verständigt Kollegen mit Abschleppwagen.

Bis Dienstende sind es 13 Pannen, eine gewöhnliche Tagesbilanz, jedoch ohne weinende Kinder im Auto oder bei Hitze eingeschlossene Hunde. „Das ist alles schon vorgekommen, aber nie so schlimm, dass ich eine Scheibe einschlagen musste.“

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