Auf den Spuren seiner ElternMusiker reist mit Zigeunerwagen von Auschwitz nach Köln

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Musiker Markus Reinhardt

Musiker Markus Reinhardt

Köln – Sechs Verwandte von Markus Reinhardt wurden in Auschwitz ermordet. Sein Vater, sein Opa, fünf Tanten und Onkels überlebten und gingen nach Kriegsende 1100 Kilometer von Auschwitz zurück nach Köln. Als sie halb verhungert nach Bickendorf kamen, waren ihre Zigeunerwagen weg. Auf dem Schwarz-Weiß-Platz, auf dem die Nazis die Menschen selektiert hatten, um sie von Deutz-Messe aus in die Arbeits- und Konzentrationslager zu deportieren, lebten noch bis 1958 Sinti- und Roma-Familien. Ihren Wagen, von den Nazis zerstört oder gestohlen, hat der Staat der Familie nie ersetzt.

74 Jahre nach der Befreiung wird Markus Reinhardt mit seiner Familie und Musikerfreunden auf den Spuren seiner Eltern und Großeltern von Auschwitz nach Köln reisen. In den Sommerferien 2019 werden sie die Strecke mit einem alten Zigeunerwagen nachfahren, in fünf bis sechs Wochen. Der historische Wagen fährt mit einer Zugmaschine höchstens 25 Kilometer pro Stunde. An Wochenenden sind größere Gastspiele und Festivals in Städten geplant, unter der Woche kleine, organisierte und spontane Veranstaltungen. Ein Filmteam soll das Projekt dokumentieren.

Vom größten Todeslager zurück in die Heimat

„Wir gehen diesen Weg, um den Opfern ihre Würde und ihren Stolz zurückzugeben und um zu zeigen, dass die Nazis unser Selbstbewusstsein und unsere Kultur nicht vernichten konnten“, sagt Reinhardt. Im Moment recherchiert er mit seinen Onkels und Tanten die exakte Route, die seine Familie gegangen ist, um vom größten Todeslager der Nazis zurückzugehen in ihre Heimat Köln. Die Idee, sagt Reinhardt, treibe ihn schon länger um. Jetzt merke er, dass es Zeit wird. „Ein Onkel, der in Auschwitz war, ist 95, eine Tante 94. Sie wollen loslassen, und brauchen einen Abschluss. Auch für die Jungen ist die Tour ein wichtiges Symbol.“ Die über 90 Jahre alten Auschwitz-Überlebenden sollen mit dem Zug an einzelne Orte der Tour kommen.

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Dort will der Geigenspieler Markus Reinhardt mit seiner Familie, seinen Freunden und seiner Band Konzerte geben, Lesungen und Diskussionen veranstalten. Der mobile Zigeunerwagen – Zigeuner Sinti und Roma zu nennen, findet Reinhardt politisch überkorrekt – dient dabei als mobiles Kulturzentrum. Er ist ein Symbol für das Überleben einer Kultur, die in Deutschland bis heute oft mit Vorurteilen verbunden wird.

„Auschwitz-Tour“ als kulturelles Großprojekt

„Auschwitz-Tour“ haben Markus Reinhardt und seine Familie ihr kulturelles Großprojekt genannt – das Konzept basiert auf der Zigeunerwagen-Tour durch die Kölner Stadtteile in diesem Jahr, bei dem Reinhardt und seine Freunde mit Ausstellungen, Konzerten, Filmen und Diskussionen viele Menschen erreicht haben. Zum Auftakt ist eine große Gedenkfeier in Auschwitz angedacht, mit Zeitzeugen, Musikern und vielen Gästen.

„Egal was passiert, wir treffen uns in Köln“, hatte Reinhardts Opa gesagt, als die Familie in die Lager deportiert wurde. In Köln soll es zum Abschluss der „Auschwitz-Tour“ eine große Party geben.

Im Moment befinden sich die Organisatoren um Markus Reinhardt und Rudi Rumstajn auf Sponsorensuche, führen Gespräche mit Stiftungen, Unternehmen, Politikern und Journalisten. 300.000 Euro könnte das Projekt kosten. Noch steht die Finanzierung nicht. „Aber wir wollen im Sommer losziehen“, sagt Reinhardt. „Nur wenn es ernsthaft klemmt, würden wir um ein Jahr verschieben.“

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