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Aushilfen verzweifelt gesuchtAkute Personalnot macht Kölner Gastronomen zu schaffen

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Biergarten Aachener Weiher GERFRA Steinauer

Die Biergärten wie hier am Aachener Weiher sind voll zur EM, aber den Wirten mangelt es an Servicekräften.

Köln – Endlich sind die Inzidenzen so niedrig, dass Kneipen und Restaurants wieder öffnen dürfen, da tut sich ein neues Problemfeld auf: Es ist in der Gastro-Branche aktuell sehr schwer, Personal zu finden. „Mich haben allein in der letzten Woche acht Kollegen von befreundeten Gaststätten angerufen und gefragt, ob ich nicht noch jemanden kennen würde, der arbeiten will“, sagt Simon Stahl vom Müngersdorfer Wirtshaus „Em Ringströßje“, der „aufgepeppte gutbürgerliche Küche“ bietet, 40 Plätze drinnen und 35 draußen hat.

Aber Stahl, der zum 1. Juli wieder eröffnen möchte, sucht selbst Aushilfen für den Service und die Küche.

Von den fünf 450-Euro-Jobbern, die er vor Corona beschäftigte, haben sich drei anders orientiert. „Die lernen andere Jobprofile kennen“, sagt der 46-Jährige, „und egal ob Werbeagentur oder Lieferdienst  – Arbeitszeiten von 18 bis null oder ein Uhr sind da selten bei. Das sind ja meist Studierende, und den jungen Menschen wird die Work-Life-Balance immer wichtiger, die sind wahnsinnig fixiert auf ihre Freizeit.“ Da helfe es auch nicht, mit 12 Euro pro Stunde über Tarif zu bezahlen. Einen Teilzeitkoch hat er über die Agentur für Arbeit gesucht: „Die haben uns nach und nach 38 Vorschläge geschickt – gemeldet hat von sich denen kein Einziger.“

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Auch Tobias Mintert ist gekniffen. „Zwei meiner Betriebe, die Barracuda-Bar und die Bar 2 in Ehrenfeld, habe ich noch geschlossen, weil mir das Personal fehlt.“ Er arbeite fast ausschließlich mit studentischen Hilfskräften, was Fluch und Segen zugleich sei. „Die meisten, die im Nachtleben arbeiten, sind da nur zu Besuch“, sagt Mintert. Die wollten einen Job, keine langfristige Ausbildung. Trotzdem müsse man für einen Szene-Laden mit Anspruch die Leute anlernen. „Ich muss jetzt komplett neue Teams aufbauen, im laufenden Betrieb. Das ist alles sehr personalintensiv, ein Kaltstart. Und ich kann ja nicht zehn Neue in eine Schicht packen.“ Deshalb wäre derzeit nur die „Forelle Blau“ geöffnet: „Selbst bei einem Aperol Spritz kann man viel falsch machen, von Cocktails ganz zu schweigen.“  Zehn bis fünfzehn Aushilfen fehlen ihm derzeit, aber die Konkurrenz sei groß: „Im Moment kann man sich in der Gastro aus 20 Jobs einen aussuchen.“

4500 Betrieben fehlen bis zu 25.000 Aushilfen

Das kann Mathias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer der Dehoga Köln, nur bestätigen: Es haben sich ganz viele Aushilfen umorientiert, das ist nicht nur in Köln ein Problem. Seiner Schätzung nach fehlen den etwa 4500 Betrieben bis zu 25.000 Aushilfen. „Und das Reboarding läuft nur langsam an. Wir bieten tolle Jobs mit Trinkgeld, aber die Bereitschaft, am Wochenende oder abends zu arbeiten, ist geringer geworden.“ Ein Phänomen, das man übrigens auch aus anderen Branchen hört. Was die Konkurrenzsituation zusätzlich verstärkt.

Konkurrenz durch Corona-Testzentren

„Das ganze Gewerbe leidet doppelt unter Corona“, sagt Josef Rayes, „erst unter dem Lockdown, jetzt unter den mehr als 800 Testzentren in der Stadt.“ Er schätzt, dass bis zu 8000 Aushilfen dort einen Job gefunden haben, die der Gastronomie jetzt fehlen. Dem Betreiber des Biergartens am Aachener Weiher fehlen jetzt, zur EM, die Aushilfen im Service besonders.  „Ich brauche dringend mehr Leute“, sagt Rayes, besonders für den Biergarten. Beim Consilium, seinem Restaurant im Rathaus, laufe der Betrieb erst langsam an. „Unter der Woche ist noch wenig los, weil die Touristen fehlen“, erläutert er, und für Hochzeiten und Geburtstage würde jetzt erst nach und nach wieder reserviert.

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„Gutes Personal ist schwer zu finden“, weiß auch Markus Werker vom Lommerzheim in Deutz. „Wir konnten Gott sei Dank alle unsere Leute halten.“  Der Wirt hat seine fast 20 festangestellten Küchen-, Service- und Putzkräfte mit Kurzarbeit und dem Versprechen auf Weiterbeschäftigung durch den Lockdown gebracht. Ihm fehle die „Sucherfahrung“, aber bei Kollegen wie bei Lieferanten sei das Personalthema omnipräsent. Er hofft auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität, auch bei seinen Gästen. „Es läuft schon ganz gut, besonders draußen“, sagt er, „aber Geld verdienen wie früher? Soweit sind wir noch lange nicht.“  

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