Ausweis-Jagd im SelbsttestWarum es in Kölner Ämtern zurzeit keine Termine gibt

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Bürgeramt Mülheim Köln

In vielen Kölner Bürgerämtern, wie hier in Mülheim, ist es sehr schwierig aktuell an einen Termin zu kommen. (Archivbild)

Köln – Sie brauchen einen neuen Personalausweis oder Reisepass, wollen Ihren Wohnsitz ummelden oder einen Bewohnerparkausweis beantragen? Wenn Sie solche Dokumente noch in diesem Jahr benötigen, wird das sehr schwierig. Für fast jede Meldeangelegenheit muss online ein Termin zur Vorsprache in einem der neun Bürgerzentren gebucht werden. Das geht bis zu 60 Tage im Voraus. Eigentlich. Denn sämtliche Termine sind im Grunde vergeben. Dennoch gibt es kleine Chancen auf eine Audienz bei den Behörden – doch dafür braucht es eine Menge Glück und Spontanität.

Einfach aufs Amt gehen, eine Wartemarke ziehen und ausharren bis man drankommt, das ist in Corona-Zeiten kaum mehr möglich. Es müssen für fast alle Melde-Dienstleistungen vorab Präsenz-Termine vereinbart werden – entweder über die Website der Stadt Köln oder telefonisch über die Bürgernummern 115 oder 221-0. Doch wer sich durch den Online-Terminkalender der Stadt klickt, sieht bis in den Januar 2022 fast nur inaktive Felder. Das hat nach Angaben der Stadt mehrere Gründe.

Ansturm auf Anträge

Zum einen hätten Bürgerinnen und Bürger bestimmte Anliegen in der Pandemie verschoben, weil sie die dafür notwendigen Dokumente nicht brauchten. Da etwa Reisen eine Zeit lang kaum möglich waren, verzichteten viele auf einen neuen Reisepass. Nun sind Reisen in die meisten Länder wieder möglich, weshalb viele Urlauber oder Geschäftsleute auf einen Schlag Anträge stellen wollen, erklärt die Stadt.

Auch andere Vorhaben wie Umzüge haben die Menschen wegen Corona umgeplant und holen sie nun vielfach nach – inklusive Um- oder Anmeldung des Wohnsitzes. Zurzeit bestehe also aktuell schlicht eine „hohen Bedarfslage“, sagt die Verwaltung. „Eine Vorsprache vor Ort ohne Termin würde insofern die Bearbeitungszeit nicht verringern.“

Nach Worten der Stadt ist es aber auch die Gedankenlosigkeit mancher, die die Terminvergabe verkompliziert: „Einige Bürgerinnen und Bürger erscheinen trotz Terminerinnerung, die sie 36 Stunden vor ihrem Termin per E-Mail erhalten, nicht zu ihrem Termin, sagen aber leider auch nicht vorher ab, sodass diese Termine nicht mehr neu vergeben werden können.“

„Härtefallregelungen“

Was also tun, wenn der Urlaub im Januar schon gebucht ist, aber der Personalausweis im Dezember abläuft? Oder der Umzug zum 1. Dezember geschieht, man jedoch gar keine Gelegenheit bekommt, sich rechtzeitig umzumelden? Die Stadt stellt tagesaktuell – meist morgens oder nachmittags – Termine ein, die Bürgerinnen und Bürger abgesagt haben und die dann online oder telefonisch gebucht werden können.

Das sind jedoch unseren Recherchen zufolge in sämtlichen Bürgerämtern der Stadt meist weniger als eine Handvoll pro Tag. Wer einen davon ergattern will, muss also täglich online nachschauen oder die Servicenummern anrufen. Und dann schnell und spontan zusagen, denn diese Termine sind oft in wenigen Minuten vergeben.

Temporäre Anlaufstelle bleibt vorerst

Die Stadt versucht, der Flut der Anfragen etwas entgegen zu setzen. Sie hat vor Monaten eine zusätzliche, temporäre Anlaufstelle an der Dillenburger Straße in Kalk eröffnet, bei der Pässe und Ausweise beantragt sowie Wohnsitzangelegenheiten erledigt werden können. Sie soll nach Angaben der Stadt bis auf weiteres geöffnet bleiben.

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Zudem hat die Verwaltung einen 21 Mitarbeiter umfassenden „Springerpool“ eingerichtet. Die Springer helfen aus, wenn in den Meldestellen ein Kollege oder eine Kollegin ausfällt. Und dann stellt die Verwaltung „Härtefallregelungen“ in Aussicht, wenn Fristen aufgrund des Terminmangels nicht eingehalten werden können. Wenn jemand „glaubhaft versichern kann“, dass etwa die „verspätete Beantragung eines seit kurzem ungültigen Personalausweises durch die längere Wartezeit bei der Terminvereinbarung begründet ist, wird dies im Rahmen des Ermessens akzeptiert“, sagt die Stadt.

Wie genau diese glaubhafte Versicherung aussieht und ob es ausreicht zu sagen, dass man sich auf der Suche nach einem Termin seit Wochen die Finger wund klickt oder wählt, lässt die Stadt indes offen.

Termin beim Bürgeramt? Ein Erfahrungsbericht aus der Redaktion.

Zehn Jahre gilt ein Personalausweis. In der Zeit habe ich etwa fünf Mal darauf geguckt, ansonsten schlummert er in meinem Portemonnaie. Vor sechs Wochen habe ich eher zufällig einen Blick darauf geworfen und erschreckt festgestellt: Der ist abgelaufen.

Also hurtig auf die Website der Stadt, einen Termin für einen neuen Ausweis klarmachen. Im Bürgeramt meines Bezirks war nichts mehr frei. Dann eben in einem anderen Bürgeramt – vergebens. Vielleicht hilft das gute alte Telefonat weiter. Beim Bürgertelefon erreiche ich eine sehr freundliche und hilfsbereite Dame. Aber Hilfsbereitschaft bedeutet eben nicht automatisch Hilfe.

„Da kann ich leider nichts für Sie tun“

„Da kann ich leider nichts für Sie tun“, bedauert sie, „es sei denn, Sie können in fünf Minuten in Kalk sein“. Da wäre gerade etwas frei geworden. Kann ich aber nicht, ist am anderen Ende der Stadt. Es würden aber täglich neue Termine online gestellt, wenn Leute abgesagt hätten, ich müsste eben regelmäßig nachschauen, sagt sie und hat noch einen Tipp (der mit dieser Veröffentlichung keiner mehr ist): morgens und nachmittags sind die Chancen am größten.

Fast jeden Tag klicke ich mich zu verschiedenen Uhrzeiten erfolglos durch die Kalender der Bürgerämter. Dann plötzlich nach etwa zwei Wochen: In Rodenkirchen ist ein Termin zu haben, der einzige in allen Meldestellen. Jedoch erst kurz vor Weihnachten. Zu spät, ich brauche zu Jahresbeginn einen gültigen Pass.

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Eine Woche später: ein einsamer Termin, diesmal in Chorweiler, dem ersten auf der Liste der Bürgerämter. Bevor ich zusage, klicke ich noch schnell auf mein Bürgeramt Ehrenfeld, um zu sehen, ob dort etwas frei ist, dann auf Nippes und Lindenthal, weil das auch nicht weit weg ist – nichts zu holen. Dann eben Chorweiler. Aber ach: Die kaum zehn Sekunden, die ich zögerte, in Chorweiler zuzuschlagen, waren zu viel. Irgendjemand hat mir in diesem Moment den Termin weggeschnappt.

Wieder eine Woche später, wieder gibt es einen einzigen Termin. Im Bürgeramt Innenstadt, in drei Wochen. Das dürfte reichen, um bis Januar einen gültigen Personalausweis zu haben. Ohne zu zögern sage ich zu, auf die Uhrzeit gucke ich erst gar nicht. Den nimmt mir diesmal keiner weg! Sekunden später bekomme ich eine automatisierte Mail der Stadt und bestätige den Termin.

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