Bahnbrechende EntdeckungKölner Mediziner weckt Hoffnung auf HIV-Impfstoff

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Philipp Schommers

Köln – Herr Schommers, Sie haben einen Antikörper entdeckt, der das HI-Virus in Schach halten kann und nach 40 Jahren Forschung die Hoffnung auf eine Impfung gegen HIV weckt. Können Sie kurz für Laien erklären, was Sie und das Team, in dem Sie arbeiten, tun?

Philipp Schommers: Man kann da ganz gut Analogien zu Corona ziehen. Bei Corona besteht nach einer Infektion ein recht guter Schutz gegen eine Neuinfektion – etwa 80 Prozent der Infizierten bilden neutralisierende Antikörper, die das Virus bekämpfen. Auch bei HIV werden neutralisierende Antikörper gebildet, aber viele Patienten können nur einen kleinen Teil der HI-Viren bekämpfen. Nur ganz wenige, nämlich zirka ein bis fünf Prozent bilden Antikörper aus die fast alle HI-Viren weltweit bekämpfen könnten. In den vergangenen Jahren hat man es geschafft, Antikörper von diesen Patienten zu isolieren und aus den Informationen biotechnologisch entwickelte Antikörper herzustellen. Wir können so mit Hilfe von einzelnen Antikörpern Therapien entwickeln – und womöglich irgendwann auch einen Impfstoff.

„HIV-Virus ist sehr variabel“

Und Sie an der Uniklinik Köln haben einen Antikörper namens 1-18 gefunden, der sich besonders gut eignet.

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Wir haben bei mehr als 2000 Patienten nach Antikörpern gesucht, die Fluchtmutationen des Virus in Schach halten können – und bei einem Patienten einen Antikörper gefunden, der das besser kann als alle anderen. Das Problem bei HIV ist, dass das Virus sehr variabel ist. Bei fast allen anderen Antikörpern konnte das Virus schnell der Antikörperantwort entkommen – bei 1-18 gelingt das dem Virus deutlich weniger gut. Das ist dadurch begründet, dass der Antikörper an einer Stelle angreift, die nicht zu leicht mutieren kann.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mithilfe dieses Antikörpers irgendwann ein Impfstoff hergestellt werden kann?

20 Jahre lang dachte man in der Wissenschaft, es gäbe gar keine Antikörper, die HIV bekämpfen können. Inzwischen wissen wir, dass das nicht stimmt – und sind dabei, Antikörper zum Schutz und der Therapie im Menschen einzusetzen. Bei Covid 19 war das sehr einfach – da konnte man dem Immunsystem das Oberflächenprotein präsentieren, und der bildet daraufhin Antikörper – das ist bei HIV schwieriger.

„HIV ist bestes erforschtes Virus aller Zeiten“

Würde es gegen HIV einen Impfstoff geben, wenn man genauso intensiv geforscht hätte wie seit zwei Jahren zu Covid 19?

HIV ist das bisher beste erforschte Virus aller Zeiten. Zu keinem Virus gibt es mehr wissenschaftliche Publikationen. Jedoch ist die Wandelbarkeit des Virus sehr viel höher und die Impfstoffentwicklung dadurch deutlich schwieriger. Das Virus ist einfach flexibler. Bei SARS-CoV-2 ist das Oberflächenprotein relativ stabil. Bei HIV hat jeder Infizierte zig Tausend bis Millionen Varianten des Virus im Körper. Man muss weltweit gegen Milliarden verschiedene Oberflächenproteine eine Impfung finden. Zudem ist es so, dass viele Erkenntnisse aus 40 Jahren HIV-Forschung anderen Bereichen entscheidend geholfen haben, wie z.B. der Entschlüsselung der Immunantwort von Menschen gegen SARS-CoV-2 oder bei neuen Krebstherapien.

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Wie lange dauert es noch bis zu einer Impfung gegen HIV?

Bis es effektive Vakzine gibt, wird es wohl mindestens noch zehn bis zwanzig Jahre dauern. Aber der entscheidende Schritt ist mit der Entdeckung der wirksamen Antikörper getan, da wir erst jetzt wissen, was wir mit einer Impfung überhaupt erreichen können.

Nicht nur Glück

Sie haben für die Entdeckung des HIV-Antikörpers jüngst den Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung und davor schon einige andere renommierte Preise erhalten. Wie viel Glück braucht es für solch eine Entdeckung?

Einen Antikörper wie 1-18 haben weltweit Forschergruppen gesucht. Da gehört auch ein bisschen Glück dazu – weil man sich nie alle Antikörper in einem Patienten angucken kann. Wir haben aber in Köln inzwischen so gute Teams und Methoden, dass wir international sehr gut konkurrieren können – wenn der 1. FC Köln 40 Mal aufs Tor schießt, der Gegner aber nur fünfmal, ist es auch nicht nur Glück, dass Köln gewinnt.

Klimawandel macht Pandemien weltweit wahrscheinlicher

Haben Sie angesichts der fortschreitenden globalen Flächenversiegelung und fehlender Rückzugsräume für Tiere die Sorge, uns könnte ein Pandemiezeitalter bevorstehen?

Dieser Faktor sowie der Klimawandel werden Pandemien wie die nun fast 40 Jahre bestehende HIV-Pandemie oder die SARS-CoV-2 Pandemie sicherlich noch häufiger machen. Es liegt letztlich an uns, hier Vorsorgemaßnahmen zu etablieren und Systeme zu schaffen, die solche Ausbrüche rasch erkennen. Denn die sicherste und effektivste Maßnahme zur Bekämpfung von Infektionserkrankungen ist immer, diese gar nicht erst entstehen zu lassen. Jedoch bleibt abzuwarten, wie solche Systeme etabliert werden in Zukunft. Diese sind nämlich meist auf den ersten Blick teuer und wie man sagt: „There is no Glory in Prevention“ – Vorsorge bringt keinen Ruhm.

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