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Bauarbeiten im KVB-TunnelDie Millionen-Sanierung ist ein Kampf gegen die Zeit

Lesezeit 4 Minuten
Die zehn Zentimeter dicken Gleise müssen mit einer Kreissäge durchgeschnitten werden.

Die zehn Zentimeter dicken Gleise müssen mit einer Kreissäge durchgeschnitten werden.

  • Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) arbeiten am Appellhofplatz an einem Millionenprojekt.
  • Unser Autor war bei den Arbeiten unter der Erde dabei.
  • Worauf es im Tunnel ankommt, wie sich die Baustellen für Köln auswirken und wieso die Zeit so wichtig ist – die Reportage.

Köln – Funken sprühen in die Höhe, als sich ein KVB-Mitarbeiter daran macht, ein Gleisstück an der Haltestelle „Appellhofplatz“ mit einer Kreissäge zu durchtrennen. Einen Steinwurf weiter lösen Arbeiter mit einer Schraubenmaschine Bolzen von Schwellen, bevor die großen Kräne zum Einsatz kommen. Ketten werden an den Enden der Gleisstücke festgemacht und mit einem Ruck wird die 18 Meter lange und viereinhalb Tonnen schwere Einheit samt Schwellen und aus dem Schienenbett gehoben. Bagger graben anschließend den Schotter ab, der mit Schienenzügen entsorgt wird.

Gleisbauarbeiten in der Innenstadt: Die KVB saniert für 2,5 Millionen Euro auf 1600 Metern am Appellhofplatz und an der Poststraße die Gleise. Repariert werden in die Jahre gekommene Schienen, über die täglich Dutzende 40 Tonnen schwere Bahnen fahren, vier Weichen und zwei Kreuzungsanlagen werden ausgetauscht.

Schall und Schwingungen dämpfen

Unter den Gleisen werden vor allem aber Gummimatten verlegt, die Schall und Schwingungen dämpfen sollen. Denn in der Vergangenheit sind die Bahnen nicht nur quietschend um die eine oder andere Kurve gefahren, sondern haben die Umgebung vibrieren lassen. „Manche Nachbarn haben sich beschwert“, sagt KVB-Sprecher Stephan Anemüller.

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Die Umbauarbeiten sind auch ein Kampf gegen die Zeit. Die Sanierung soll während der Herbstferien erfolgen, wenn es etwas weniger Fahrgäste in den Kölner Bahnen gibt. Denn für die Arbeiten muss ein beträchtlicher Teil des KVB-Schienenverkehrs auf den Kopf gestellt werden.

Bahnen werden umgeleitet

Die Linie 3, 4, 16 und 18 müssen umgeleitet werden. Die Bahnen der Linien 16 und 18 fahren über die Ringe, die der Linien 3 und 4 über Friesenplatz und Ebertplatz in Richtung Norden beziehungsweise aus dem Osten kommend bis zur Suevenstraße. Der Neumarkt kann in der Zeit der Baumaßnahme nur oberirdisch erreicht werden, zwischen Neumarkt und Dom verkehren Ersatzbusse (Linie 116), zwischen Suevenstraße und Severinstraße der Ersatzzug E4.

Der Eingriff ins Zentrum des Kölner Bahnverkehrs hat für die Fahrgäste durchaus Folgen. Vieles klappt gut, aber die Ringbahnen sind proppevoll, und manchmal kommt es zu Rückstaus. An der Zwischenebene am Neumarkt studieren immer wieder Kunden mit irritierten bis verzweifelten Blicken die Informationstafeln der KVB.

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Touristen wie der Berliner Stephan Krawjeski (61), der Freunde in Braunsfeld besucht hat, haben es besonders schwer. „Ich habe von der Sanierung nichts mitbekommen“, sagt er, „und bin not amused.“ Er muss nämlich seinen Zug in die Hauptstadt erwischen und langsam wird die Zeit knapp. Einem Hinweis zur Linie 116, der an der Nordseite des Neumarkts hält, folgt er dankbar.

„Irgendwann muss auch mal saniert werden“

Aber auch viele Kölner haben Probleme. An der Ecke Appellhofplatz/Breite Straße zählt eine elektronische Anzeige Stadtbahnen auf, die am anderen Ende des Platzes verkehren. Ein Hinweisschild hätte wohl vielen Fahrgästen geholfen. Auch Christine Willems, die von Zollstock in die City gefahren ist, hätte sich mehr Informationen gewünscht. Eine Studentin (21) aus der Südstadt, die ihren Namen nicht nennen will, ist auf dem Weg zur Universität und läuft nun zehn Minuten zwischen Severinstraße und Neumarkt, wo sie in die Buslinie 136 in Richtung Humanwissenschaftliche Fakultät einsteigt. Sie äußert sich aber verständnisvoll: „Ich habe damit keine Probleme. Irgendwann muss auch mal saniert werden.“

Weil die Linie 16 und 18 nun über den Ring fahren, können Menschen mit Behinderung die Bahnen hier kaum nutzen. Denn der Ausstieg aus der U-Bahn ist bei der Linie 16 und 18 nicht ebenerdig und daher nicht barrierefrei. Probleme hat zum Beispiel Johannes Schwarz (30). Er ist Rollstuhlfahrer und wohnt in Höhenhaus. Bislang ist er am Wiener Platz in die Linie 18 umgestiegen, wenn er zum Neumarkt wollte. „Das geht jetzt nicht mehr und das ist Mist.“

Mutter Stefanie Meier (37) hat den Kinderwagen gegen ein Tragetuch eingetauscht, um Tochter Emily durch die Stadt zu transportieren. Sie kommt aus Kalk und will nach Bickendorf. Statt am Appellhofplatz in die Linie 4 umzusteigen, wartet sie auf die 116 am Neumarkt. Weniger die Sanierungsarbeiten als die oft defekten Aufzüge ärgern sie. „Der Aufzug an der Kalker Post ist schon seit Monaten defekt.“

„Hier ist nichts los, absolut tote Hose“

Auch für manchen Händler kommt die Sanierung ungelegen. Durch die Arbeiten kommen deutlich weniger Kunden in die Passage in der Zwischenebene am Neumarkt. Der Zeitungskiosk hat hier bereits vorübergehend geschlossen, der Getränkekiosk nebenan wird wohl ab morgen folgen. Angestellte Florinda Machado hat eine Strichliste angefertigt, wie viele Produkte sie heute verkauft hat. Das Zahlenwerk ist ziemlich überschaubar: zwölf Päckchen Zigaretten und zehn Getränke. „Hier ist nichts los, absolut tote Hose“, sagt sie.

Händler Isa Armagan, der im Zwischengeschoss am Appellhofplatz einen Kiosk führt, hat zwar Verständnis für die Arbeiten, doch auch leidet unter Kundenschwund. „Es ist sehr schwer“, sagt er. Sein Nachbar Metehan Süli verkauft seit elf Jahren Brötchen und Kaffee an die Laufkundschaft und denkt auch über eine Schließung nach. Derzeit kommt er nur noch, weil er auch einen Catering-Service hat und hier die Waren zusammenstellt. „Die Kunden sind weg, aber unsere Kosten bleiben bestehen“, sagte er.

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