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BayenturmFrauenmediaturm feiert 25-jähriges Jubiläum und lädt alle Kölner ein

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Der Bayenturm 1999

Der Bayenturm 1999

Köln – Wie eine Trutzburg thront der Bayenturm mit seinen 2,5 Meter dicken Mauern am Rhein. Der stärkste Wehrturm der Stadt, der im 12. Jahrhundert gebaut wurde, steht als Symbol für das Selbstbewusstsein der Kölner: Im Jahr 1262 stürmten die Bürgerinnen und Bürger den Turm und verjagten den mächtigen Erzbischof. Seit 25 Jahren ist der symbolträchtige Turm außerdem der Leuchtturm der Frauen. Als „Frauenmediaturm“ (FMT) beherbergt er das bundesweit größte und bedeutendste Archiv zu Emanzipation und Gleichberechtigung und damit das kollektive Gedächtnis der Frauenbewegung.

Der Coup ist Alice Schwarzer zu verdanken: Sie erkannte die Symbolkraft des Ortes und überzeugte die Stadt, das ab Ende der 1980er Jahre für 5,5 Millionen Mark restaurierte Gebäude der „Stiftung Frauenmediaturm“ in Erbpacht zu überlassen, um hier das Dokumentationszentrum der Frauenbewegung einzurichten. Ein Coup in zweifacher Hinsicht: Damals herrschte noch rundherum Ödnis. Heute liegt der historische Turm inmitten des modernen Rheinauhafens an einem der begehrtesten Orte der Stadt.

Viele Kölner aber wissen auch nach 25 Jahren nicht, was der historische Turm birgt und wie das architektonische Juwel im Innern aussieht. „Auch darum machen wir diese Jubiläumsfest ausdrücklich als Fest für die Kölner,“ erläutert Alice Schwarzer, Vorstandsvorsitzende des Frauenmediaturms.

Mehr als 74 000 Texte und 8000 Bilder beherbergt die moderne Bibliothek im Innern. Darunter Schätze wie die Original-Tagebücher der Publizistin Minna Gauer. In denen ist nachzulesen, wie die Pionierin der historischen Frauenbewegung mit den Frauen 1893 hart ins Gericht ging, „weil die ihr Gretchen- und Hausfrauenideal fast bis zur Vernichtung des eigenen Ichs pflegen.“

Aber es geht nicht nur um Schriften von Vorreiterinnen der historischen Frauenbewegung: Auch die Geschichten der neuen Frauenbewegung werden gesammelt und bis heute um immer neue interessante Rollenvorbilder der Gegenwart ergänzt. „Man hat keine Zukunft ohne Geschichte“, erklärt Schwarzer die gesellschaftliche Bedeutung des Ortes für die Zukunft. „Ich wünsche mir, dass die Frauen sich auf die Schulter ihrer Vorgängerinnen stellen können, um weiter zu gucken. Und dass sie nicht immer wieder bei Null anzufangen müssen.“

Soziale Bewegung nicht vergessen

Der Ort soll dafür sorgen, dass die soziale Bewegung, die die Welt im 20. Jahrhundert so umfassend verändert hat, nicht vergessen wird – weil sie gerade bei jüngeren Menschen immer noch wenig im Bewusstsein verankert sind. Denn in den Schulbüchern findet sich dazu oft nur der eine Satz: 1918 bekamen die Frauen Wahlrecht. Die Schwierigkeiten und Kämpfe stehen nicht drin. Welche Schülerin erfährt, dass erst 1977 ein Gesetz gestrichen wurde, dass Frauen ihre Männer fragen mussten, bevor sie arbeiten gingen? Oder dass erst 1997 das Gesetz über die Vergewaltigung in der Ehe verabschiedet wurde? „Gerade die jungen Frauen können das Wissen der Jahrhunderte und den Kampfgeist der vergangenen fünf Jahrzehnte verdammt gut gebrauchen“, konstatiert Schwarzer.

Ein Fest für die Kölner Bürger

Mit einem großen Fest im Turm für die Kölner Bürger wird der Geburtstag des Frauenmediaturms am Anna-Schneider-Steig 8 am Sonntag begangen. Um 15 Uhr startet das Fest mit Musik von Kindern und Jugendlichen der Jazzhausschule. Stiftungsgründerin Alice Schwarzer begrüßt um 16 Uhr die Gäste. Von 16.30 Uhr bis 18 Uhr lesen unter anderem Schauspielerin Cordula Stratmann und Kabarettistin Anka Zink Schlüsseltexte des Feminismus vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Barbara Schock-Werner, Mitglied im Vorstand des Frauenmediaturms, führt ab 17 Uhr durch den mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichneten sanierten Turm Dabei kann auch die Bibliothek besichtigt werden. Ab 18.30 Uhr gibt es Musik mit Stefan Knittler & Band. Der Eintritt ist frei. (ari) 

Daher bietet der Frauenmediaturm Führungen an, um das Angebot der Bibliothek – an die auch eine Fernleihe angeschlossen ist – bekannt zu machen. „Es kommen ganz unterschiedliche Gruppen von der Schulklasse bis zum Männer-Kegelclub“, erzählt Kulturmanagerin Julia Hinz. Das seien immer sehr interessante Debatten. „Es kommen auch Schülerinnen, die etwa im Rahmen ihrer Facharbeiten in der 10. Klasse über Themen wie das Frauenbild in der Werbung arbeiten“, ergänzt Bibliothekarin Sarah Dolguschin.

Wer kommt, genießt den Luxus, bei der Recherche fachlich begleitet zu werden. Die umfangreiche Datenbank umfasst Schlagwörter, die von der Geschlechtertheorie bis zu Essstörungen und Pornografie reichen. Für die Zukunft ist geplant, sich noch mehr als Debattenort mit Veranstaltungen zum Zeitgeist zu etablieren – so wie 1999, als man Denkerinnen aus aller Welt nach Köln lud, um Bilanz zu ziehen. Gerade die „MeToo“-Debatte zeige, wie groß der Bedarf sei, so Schwarzer. Letztlich sei das aber eine Frage der Ressourcen.

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Das Ringen um die Finanzierung begleitet die 25 Jahre: Für die Anschubfinanzierung hatte Jan Philipp Reemtsma mit zehn Millionen Mark gesorgt. Geld, das bis 2010 reichte. Danach sprangen anteilig die NRW-Landesregierung und der Bund ein. Bis 2014 ausgerechnet die Rot-Grüne Landesregierung den Geldhahn zudrehte. Parallel dazu gab es Ärger mit der Stadt, weil die Stiftung den Gewölbekeller für Veranstaltungen vermietet haben soll. Nachdem die Stiftung klarstellte, es habe sich um eine Einnahme von nur 100 Euro gehandelt für die Überlassung des Raumes an eine Frauengruppe, wurde der Streit beigelegt.

Unterstützung von der Stadt gewünscht

Es ist Ironie der Geschichte, dass mit der damaligen Bundesfrauenministerin Christina Schröder (CDU) ausgerechnet die Vertreterin eines konservativeren Frauenbildes, mit der sich Schwarzer zuvor scharfe Debatten geliefert hatte, zur Retterin avancierte: Sie übernahm den Ausfall und bewahrte das Archiv vor der Schließung.

Im Rahmen des Ausbaus einer deutschlandweiten digitalen Plattform als Digitales Deutsches Frauenarchiv besteht Aussicht auf weitere Förderung über Ende 2019 hinaus. „Aber es ist eines so stolzen Ortes unwürdig, von Projektförderung zu Projektförderung zu leben“, sagt Schwarzer. Sie wünsche sich mehr Unterstützung von Seiten der Stadt, um den FMT als Kölner Bildungsort auszubauen.

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