Bei Tempo 228 überschlagenFahrer nach A4-Unfall mit einem Toten verurteilt

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Der Unfall hat sich auf der A4 in Höhe des Eifeltors in Fahrtrichtung Olpe zugetragen. (Archivbild)

Köln – Ein Auto wie ein Geschoss: 557 PS unter der Haube, Allrad-Antrieb, schwarz, Marke Mercedes AMG, Höchstgeschwindigkeit: 250 Stundenkilometer, Neupreis: ab 90.000 Euro. „Ich hab mir halt mal was Schönes gegönnt“, sagt Ali I., der das Auto gerade mal drei Wochen geleast hatte (monatliche Rate: 1.150 Euro).

Der Ausrichter türkischer Großveranstaltungen wie Hochzeits- und Beschneidungsfeiern war nach Überzeugung des Gerichts im Oktober 2016 spätabends auf der Autobahn 4 auf Höhe Eifeltor „wie ein Wilder durch die Gegend gefahren“, als es geschah: Der Unternehmer fuhr statt der vorgeschriebenen 120 Stundenkilometer stolze 228, trotz der Dunkelheit, der nassen Fahrbahn, der gelassenen Atmosphäre im Wagen. Er verlor die Kontrolle über das Auto, krachte gegen die Leitplanke, der Wagen überschlug sich mehrfach, kam nach mehr als 50 Metern zum Stehen.

Nicht angeschnallt

Fahrer und Beifahrer krabbelten leicht verletzt aus dem Wagen, suchten verzweifelt nach dem dritten Mann, der ursprünglich hinten Platz genommen hatte. Der Vater zweier Kinder hatte sich entgegen sonstiger Gewohnheit nicht angeschnallt und war durch die ungeheure Wucht des Aufpralls durch das gläserne Panoramadach katapultiert worden, er schlug 50 Meter entfernt auf dem mittleren Fahrstreifen auf. „Das Opfer zerschellte regelrecht auf der Fahrbahn“, beschrieb der Vorsitzende Richter die Situation und die Staatsanwältin ergänzte: „Der Unfall ist eine Horrorvorstellung.“

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Das Opfer hatte schwerste Schädelverletzungen erlitten, sämtliche Knochen waren gebrochen, die Lunge perforiert, die Niere gerissen. Der Mann habe keine Chance gehabt, zu überleben, sagte ein Rechtsmediziner im Zeugenstand. Allerdings stimmte er überein mit der Aussage des technischen Gutachters: „Wäre er angeschnallt gewesen, wäre er trotz hoher Geschwindigkeit weder herausgeschleudert noch so schwer verletzt worden.“

Vollgas vor dem Aufprall

Wegen fahrlässiger Tötung saß I. am Donnerstag auf der Anklagebank. Er behauptete zunächst sogar, die Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn nicht bewusst wahrgenommen zu haben. „Das ist ja noch schlimmer“, entfuhr es daraufhin der Anklägerin. Zumal sein Freund auf der Hinterbank ihn noch bestärkt habe: „So ein schönes Auto, drück doch mal auf die Tube, ich habe keine Angst.“ Die Auswertung des Bordcomputers hatte ergeben, dass der Autofahrer noch in der Sekunde vor dem Aufprall Vollgas gegeben hatte: „Als ich dachte, was ist denn hier los, war es schon zu spät“, erinnerte er den Moment des Kontrollverlustes.

Ein Autofahrer, den er zuvor überholt hatte, beschrieb die Situation so: „Mein Auto hat gewackelt, so schnell ist er an mir vorbeigerast.“ „Es war mörderisch, ja selbstmörderisch, angesichts der Witterungsverhältnisse auch noch voll das Gaspedal durchzutreten“, sagte die Anklägerin und forderte für das „hohe Maß an Pflichtverletzung 20 Monate Bewährungsstrafe. Das Gericht beließ es bei einem Jahr und vier Monaten Bewährung, zuzüglich ein sechsmonatiges Fahrverbot. Letztlich sei der hohe Anteil der „Eigenverantwortung des Opfers“, das sich nicht angeschnallt hatte, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen gewesen.

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