Betreiber des Kölner Club „Gewölbe“„Wir kleben die Handykameras der Leute ab“

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Betreiber Heiko Rühl im Kölner Club Gewölbe

Köln – Über dem „Gewölbe“ rattern regelmäßig Züge. Der Club – ohne Beschilderung – befindet sich im Westbahnhof am Hans-Böckler-Platz. Die Einrichtung ist minimalistisch, es gibt kaum Gegenstände. Das scheint zu suggerieren: Ein dunkler, einfacher Raum, der dem Sound so viel Platz wie möglich bieten will. Wir haben mit Betreiber Heiko Rühl über die Wiederöffnung nach Corona, die aktuelle Cologne Music Week und das neue Fotoverbot im Club gesprochen.

Herr Rühl, seit einem Monat ist das Nachtleben zurück. Wie fühlt sich das an?

Es fühlt sich immer noch ein bisschen neu und ungewohnt an. Man merkt aber, dass die Normalität zurückkommt und die unglaubliche Lust der Leute, wieder auszugehen, sich auszutauschen. Man sieht jeden Abend den unfassbaren Gesprächsbedarf und den Wunsch nach sozialer Interaktion.

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Die Pandemie ist also noch nicht vergessen.

Nein, allein durch die ganze Situation am Eingang, das Überprüfen der Impfnachweise und Ausweise. Das macht wesentlich mehr Arbeit als früher und wir haben dort mehr Personal. Der Einstieg in die Nacht ist ja schon ein anderer.

Wie einige Clubs macht auch das Gewölbe trotz gelockerter Regelung weiterhin 2G plus Einlass mit PCR- statt Schnelltests. Warum?

Für uns kam es als plötzliche Lockerung um die Ecke. Es hat sich aus dem Bauch heraus nicht gut angefühlt. Deswegen haben wir uns wie viele andere entschlossen, bei der bisherigen Regel zu bleiben: geimpft, genesen und PCR-getestet. 

Haben Sie irgendetwas an dem Club verändert während der anderthalbjährigen Schließung?

Wir haben eine ganz tolle, riesengroße Lüftung. Das war sicherlich eine der wichtigen Hilfen während Corona, dass wir in die Lüftungstechniken investieren konnten, was wir so sonst nie hätten machen können ohne die Wirtschaftshilfen. Das ist eine wesentliche Verbesserung, weil sie den kompletten Laden erfasst, inklusive der Betriebsräume. Sie ist leistungsfähiger und kann in weniger als zehn Minuten einmal die komplette Luft austauschen. Es gibt mir und dem Personal eine gewisse Sicherheit: Denn auch wenn es sich um 2 Uhr nachts manchmal so anfühlt, ist die Pandemie nicht vorbei.

Das Gewölbe nimmt an der Cologne Music Week, der „kleinen“ Schwester der c/o-Pop, teil. Am Freitag legt unter anderem die DJ Dr. Rubinstein auf. Wieso dieser Act?

Das Programm hat die Cologne Music Week zusammen mit unserem Booker gemacht. Dr. Rubinstein ist eine mittlerweile recht bekannte DJ, die ursprünglich aus Israel kommt und in Berlin lebt. Und die für einen jüngeren, härteren Stil von Techno mit Acid-Einflüssen steht.

Was bedeutet die Teilnahme an diesem Festival für den Club? Wie wichtig ist dieses Event für die Musikstadt Köln?

Konzertierte Aktionen, bei denen an vielen Orten gebündelt etwas stattfindet und nach außen kommuniziert wird, sind wichtig für den Standort, um die musikalische Bandbreite und das Interesse und Knowhow von Köln und den Macherinnen und Machern zu zeigen. Auch für mich als Mitglied vom Vorstand der Klubkomm: Wir hatten Workshops und Panels, eine gute Gelegenheit, Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten zu treffen und sich auszutauschen. 

Kölner DJs mit internationaler Strahlkraft wie Michael Mayer (Kompakt) oder Hans Nieswandt geben das Gewölbe an, wenn man sie nach einer guten Adresse im Kölner Nachtleben fragt. Woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen?

Ich glaube, wir punkten durch eine kleine, intime Location, die einfach sehr nah am Gast dran ist. Das ist gerade für bekanntere DJs erfrischend, auch das Publikum direkt vor sich zu haben, statt vor einer großen, anonymen Masse zu spielen. Seit Jahren machen wir mit unserem Booker Shumi ein konsistentes Programm im Bereich elektronischer Musik, das abwechslungsreich ist, das die verschiedenen Spielarten bedient, das am Zeitgeist ist. Gleichzeitig historische Referenzen mitdenkt, also auch ältere DJs bucht, die schon sehr lange dabei sind genauso wie junge, upcoming DJs. Außerdem wird auch häufig von unserer Soundanlage gesprochen.

Zur Person und zum Club

Heiko Rühl ist 40 Jahre alt und in Süddeutschland aufgewachsen. Seit lebt er 1999 in Köln. Er kam nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann kam her. 2008/09 übernahm er den Club Gewölbe am Westbahnhof, in dem er vorher schon gearbeitet hat. Das Gewölbe gibt es seit circa 20 Jahren. Es passen etwa 400 Menschen ins Gewölbe.

Was ist an der Soundanlage denn so besonders?

Es ist eine besondere Anlage, die für den Raum hier gebaut wurde. Ein Hifi-Boxenentwickler aus Berlin hat sie gebaut. Er hat dieses Horn-System Anfang der 80er entwickelt. Das kommt in Studios zum Einsatz oder bei Hifi-Freaks zuhause mit größerem Geldbeutel.  Wir entwickeln sie natürlich immer weiter, weil der Raum per se schwierig ist: Rundungen, verschiedene Deckenhöhen, kein Rechteck, das einfach zu bespielen ist. 

Im Gewölbe dürfen Gäste neuerdings nicht mehr fotografieren. Ein Fotoverbot gibt es zum Beispiel auch in anderen Clubs wie im berühmten Berghain in Berlin. Wieso diese Maßnahme?

Wir hatten auch früher die Gäste gebeten, nicht zu fotografieren und es gab schon Hinweisschilder. In den letzten Jahren hat es dennoch Überhand genommen, dass die Leute mit dem Handy auf der Tanzfläche standen, Fotos gemacht haben, teilweise mit Blitzlicht und auch Videos, was total störend für die anderen Gäste ist. Vor allem auch für den DJ: Während er im Flow ist, holt einer das Handy mit Blitzlicht raus und macht ein verwackeltes Foto. Seit der Wiedereröffnung nach Corona sind wir konsequenter: Wir bitten die Leute, die Kameras ihrer Handys abzukleben. Die machen zu 98 Prozent mit. Die Party läuft viel entspannter ab. Es ist dieser Impuls, digital den Eindruck mitzunehmen, das kann ich verstehen. Aber in dem Setting, wo man sich abseits vom Alltag mal fallen lassen möchte, ist es störend.

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Bei einem Blick auf das Programm fällt auf, dass es recht weiblich ist. Von rund zehn Veranstaltungen sind vier mit weiblichen DJs. Das ist mehr als in manch anderem Club in einem Jahr. Achten Sie drauf oder ist es so, dass sich immer mehr Frauen trauen und daher die Auswahl immer größer und besser wird?

Wir unterstreichen das nicht explizit nach außen. Von wegen: Schau mal, Freitag legt eine Frau auf. Wir machen das, weil wir das für richtig halten. Frauen sind innerhalb der elektronischen Musikszene nach wie vor nicht ausreichend präsent. Es gibt mittlerweile eine Reihe von talentierten Künstlerinnen, die werden auch immer mehr. Wir versuchen, es in unserer Programmplanung entsprechend zu spiegeln. Sicherlich sind wir da nicht am Ende der Entwicklung, dem eigenen Anspruch genügt es noch nicht. 

Was macht für Sie ein gutes DJ-Booking aus?

Es muss verschiedene Spielarten elektronischer Musik enthalten. Die versuchen wir bestmöglich abzudecken. Wir wollen aktuelle Trends, wie gerade schnelleren, härteren Techno abbilden, sowie House und andere Subgenres, die daran angedockt sind. Wir versuchen DJs, die schon lange im Geschäft sind, unsere Freunde, die uns schon lange begleiten, weiter zu buchen. Gerade jetzt am Anfang sollen die Locals zuerst zum Zuge kommen.

Der Club ist nicht riesig und dennoch trägt das Line-Up häufig schillernde Namen der Szene. Wie stemmt man das wirtschaftlich?

Das geht nur, weil diese schillernden Namen bereit sind, aufgrund der Atmosphäre hier oder aufgrund guter, langjähriger persönlicher Verbindungen und dem Wunsch, auf der Anlage zu spielen, auf Teile der Gage zu verzichten.

Blickt man als Clubbetreiber einer elektronischen Spielstätte immerzu nach Berlin?

Man verfolgt grundsätzlich Szenen in anderen Städten. Wir schauen auch nach Berlin, aber bei weitem nicht nur. Gerade bei der Lage Kölns schauen wir auch sehr viel nach Amsterdam, das ist mindestens genauso wichtig für uns.

Was fehlt dem Kölner Nachtleben, was könnte besser sein?

Wir haben in den letzten Jahren einige Spielstätten verloren. Über die Clublandschaft hinaus wäre es schön, wenn es mehr freie Flächen für Kunst und Kultur gäbe, wo man experimentieren kann. Und für die Musik wäre schön, wenn in dieser Stadt mehr Dinge möglich wären, gerade im Bereich von Zwischennutzungen und Open-Air. Es gibt tolle Orte, innerstädtische Kontexte, da hätte Köln was zu bieten. Die Dachterrasse vom Museum Ludwig war ein toller Ort, den gibt es nicht mehr.

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