Bootshaus in Köln-Deutz„Mit Mutti-Zettel in den Club – das machen wir nicht“

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Bootshaus-Geschäftsführer Tom Thomas (r.) mit  Ulrich Rauschenberger, dem Booker seit den Anfängen des Clubs,  und Social-Media-Manager Nicolas Aigner (M.) 

  • Das renommierte britische Fachmagazin DJ Mag hat das Bootshaus auf dem Deutzer Werftgelände zum besten Club Deutschlands gekürt.
  • Bis zu viermal im Jahr legen auch DJ-Weltstars wie Armin van Buuren, Felix Jaehn, David Guetta, Tiesto, Hardwell und Afrojack auf.
  • Geschäftsführer Tom Thomas im Gespräch über den abgelegenen Standort, den Hype um weibliche DJs und den Umgang des Clubs mit Drogenkonsum.

Köln – Am Eingang des Werftgeländes, wo sich der Deutzer Club „Bootshaus“ befindet, passiert man ein altes, verrostetes Eisen-Tor. Das Gelände zwischen Deutz und Mülheim versprüht Industrie-Charme. An solchen Orten fühlen sich Fans elektronischer Musik besonders wohl. Erst geradeaus, dann links: Es vergehen ein paar Minuten, der Weg führt vorbei an zugedeckten Motorbooten und Schiffscontainern, bis man vor dem Club steht. Ziel erreicht: Ein Klinker-Bau, der früher tatsächlich ein Bootshaus war. Als hier 1991 der Club – damals noch mit dem Namen „Warehouse“ – entstand, war es einer der ersten Underground-Orte für die Technokultur in Köln.  Heute zählt der Club nicht mehr zum Untergrund, ein Großraumclub, wie sie auf dem Land üblich sind, ist er allerdings auch nicht. „Wir sehen uns mit Las-Vegas- oder Ibiza-Clubs verwandt, obwohl wir kein Urlaubsort sind. Ein Hybrid innerhalb der aktuellen Clubentwicklung“, sagt einer der Mitarbeiter. Wir haben Geschäftsführer Tom Thomas getroffen.

Herr Thomas, das renommierte britische Fachmagazin DJ Mag hat das Bootshaus zum besten Club Deutschlands gekürt, es hat damit sogar das legendäre Berghain in Berlin abgelöst. Weltweit gesehen, ist das Bootshaus auf Platz acht gelandet. Kam das unerwartet?

Tom Thomas: Nein, weil wir systematisch daran arbeiten, weltweit unter die Top drei oder vier zu kommen. Wir sind 2013 mit Platz 48 weltweit gestartet, und dann ging es jährlich immer bergauf. Man muss dafür sorgen, dass man international immer bekannter und renommierter wird, dass Menschen in Kanada, Amerika und Asien über den Club reden. Das schafft man, indem man internationale DJs bucht, aber nicht nur: Die Technik muss immer beeindruckender werden, und auch die Eventreihen müssen immer ausgefallener sein – wie bei einem Fußballverein, der sich noch einen Star dazukauft. Manchmal kommt es vor, dass einer der DJ-Superstars bei uns spielen möchte, wie DJ Snake, der Milliarden Streams hat und für einen Auftritt auch mal eine halbe Million Euro nimmt, bei uns aber auf einen Großteil seiner Gage verzichtet.

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Zu Person und zum Club

Tom Thomas führt seit 2012  das Bootshaus. Zudem ist der 46-Jährige unter anderem Geschäftsführer der Discos Vanity und Flamingo Royal auf den Ringen und des Restaurants Spencer & Hill.

Das Bootshaus am Auenweg 173 hat drei Tanzflächen: den Mainfloor, auf den etwa 1200 Menschen passen sowie den Dreherei genannten Floor (Platz für 200 Gäste) und die Blackbox (500 Gäste). Seit drei Jahren gibt es um den Club herum zudem einen Open-Air-Bereich. Im Bootshaus treten bis zu viermal im Jahr auch DJ-Weltstars wie Armin van Buuren, Felix Jaehn, David Guetta, Tiesto, Hardwell und Afrojack auf. Der Club hat etwa elf Haus-DJs, sogenannte „Resident“-DJs. Im Bootshaus arbeiten 14 Festangestellte, darunter der Booker Uli Rauschenberger, der bereits zu Warehouse-Zeiten die Künstler buchte, sowie 150 Minijobber wie Barkeeper, Türsteher und Parkplatzwächter. Ein Sanitäter ist eigens für die Partys immer vor Ort.

Am Freitag, 28. Juni, feiert der Club sein 15-jähriges Bestehen mit dem Pariser DJ   Snake. Es sind noch Karten für 36 Euro erhältlich.  (gam)

Der Standort auf dem Werftgelände unter der Zoobrücke in Deutz ist für die meisten nicht gerade fußläufig erreichbar. Ist diese Isolation vom restlichen Kölner Nachtleben ein Vorteil oder Nachteil?

Es war am Anfang ein großer Nachteil. Aber 2010 kam die Wende, ab dann ging es stetig aufwärts. Seitdem sehen wir es als Vorteil an, denn die Gäste kommen gezielt zu uns und bleiben. Es gibt nicht diese Pendler, die zu anderen Clubs wandern. Und hier stören wir auch niemanden. Deswegen finden wir gerade dieses Abgelegene gut. Vom Deutzer Bahnhof kommen die Gäste zu Fuß, und Gäste aus anderen Großstädten organisieren sich Mitfahrgelegenheiten in den sozialen Medien.

Was hat diese Wende bewirkt?

Elektronische Musik wurde immer mehr gespielt, viele nehmen das inzwischen auch nicht mehr wahr, wenn im Radio ein Elektro-Künstler läuft, der auch als DJ unterwegs ist. Das ist also ein Trend. Elektronische Musik hat über 20 Stilrichtungen, und wir spielen etwa in den sechs größeren Sparten die größten sowie die aufstrebenden Acts. Jede dieser Szenen soll regelmäßig ein Highlight hier haben. Wir haben uns auch eine richtige Fan-Base aufgebaut. Es gibt welche, die sich unser Logo tätowiert haben – und das nicht nur zehn Leute, sondern um die hundert. Es ist ein Lebensgefühl: Man kommt dem DJ hier sehr nah. In anderen Clubs liegen oft Gräben von zehn oder 20 Metern dazwischen, und hier können die Gäste dem DJ die Hand drücken und Fotos machen. Das feiern auch die DJs.

Weibliche DJs haben eine schwierige Stellung. Wie sieht es in der Elektronik-Szene aus?

In der Elektronik-Szene wird es immer besser. Bei uns spielen circa zehn Prozent weibliche DJs, und das wird immer mehr, vor allem im Techno –  da kann man von einem regelrechten Hype sprechen. So, dass es schon wieder fraglich wird, nach dem Motto: Eine Frau legt auf. Super! Das wird bei uns nicht groß diskutiert, entweder die Kids finden sie cool oder eben nicht. Es wird dann zum Thema, wenn eine DJane in den sozialen Medien mit ihren weiblichen Reizen spielt, statt den Fokus auf ihr musikalisches Können zu legen. So ein Verhalten führt natürlich auch dazu, dass sich das Bild von weiblichen DJs noch langsamer verändert. Andererseits gibt es DJanes wie Alison Wonderland, Amélie Lens und Charlotte de Witte, die sehr erfolgreich sind und auf den großen Bühnen spielen. Da geht es überhaupt nicht darum, ob Mann oder Frau, sexy oder nicht.

Wie ist die Gästestruktur im Bootshaus?

Die Gäste sind schwerpunktmäßig zwischen 18 und 30 Jahre alt, wobei das auch sehr genrespezifisch ist. Der Durchschnittsgast ist aktuell 24. Die Jungen denken einfach nicht so in Schubladen, während Ältere sich irgendwann nicht mehr so gerne von ihrer Schublade trennen. Und die Jungen nehmen gerne an, was wir  ihnen als unseren Einfluss anbieten. Da wir nicht nur eine Szene bedienen, preisen wir dieses genreübergreifende an und auch die Toleranz für die anderen Sparten.

Null Toleranz bei Drogen

Das Bootshaus geriet Ende 2018 auch in die Schlagzeilen, weil eine junge Frau nach einer durchfeierten Nacht im Bootshaus ins Koma fiel und starb. Es waren Drogen im Spiel. Wie gehen Sie mit dem Thema Drogenkonsum im Club um?

Wir haben eine Null-Toleranz-Strategie gegen Drogen. Der Fall wurde aufgeklärt. Man hat herausgefunden, dass sie die Pille vorher genommen hat und dann zu uns gefahren ist. Wir haben ein Sicherheitskonzept. Die Leute werden am Eingang kontrolliert. Und wir schauen den Leuten in die Augen und sehen, ob sie womöglich schon was genommen haben. In der Zeit, als das passiert ist, haben wir auch mit der Drogenhilfe Köln zusammengearbeitet und  in den Toiletten umgebaut. Es gab dort Ablagen, auf denen man theoretisch hätte konsumieren können, und diese haben wir abgeschafft. Alle Frauen bekommen von uns einen Becher mit einem Deckel, sodass niemand dort etwas hineinkippen kann. Auf unseren Toiletten hängen jetzt auch Banner, auf denen wir dazu auffordern, noch mal darüber nachzudenken, bevor man sich etwas einschmeißt. Jeder sollte seine Grenzen kennen.

Wie sieht die Türpolitik  aus? Gibt es einen Dresscode?

Man kann sagen, dass jede Szene ihren Dresscode hat. Wir passen uns dabei dem Subgenre an. In manchen Szenen wäre ein eher legerer Look unüblich, da gehen wir dann härter vor: wie bei solchen, die übergroße Jogging-Hosen mit Aufschriften tragen. Viel eher kommt es uns aber auf die Haltung an. Ist jemand aggressiv oder auffällig? Die werden dann ausgeschlossen sowie die, die unter 18 sind. Wir erhalten jede Woche etwa 20 Nachrichten von Jugendlichen, die fragen, ob sie mit einem Mutti-Zettel ins Bootshaus dürfen. Machen wir nicht.

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Es herrscht ein Festival-Boom in Deutschland. Das Bootshaus ist auf Elektro-Festivals mit eigenem Line-Up vertreten. Warum ist Ihnen diese Präsenz so wichtig?

Vor etwa vier Jahren hat unser Booker Uli ein paar Festivals mit aufgebaut und betreut – wie das World Club Dome in Frankfurt und das Parookaville in Weeze. Dort ist das Bootshaus mit Bühnen vertreten. Das ist also ein Mehrwert für die Festivals, weil es authentischer wirkt, wenn Szene-Marken dort auftreten. Für uns ist es gut, weil wir uns auf einer großen Plattform zeigen können und eine große internationale Reichweite erzielen. Gäste aus England, den Niederlanden, Belgien, Australien und Kanada sollen zu uns in den Laden kommen und nicht nur Deutsche oder Kölner.

Wie viele Bootshausgänger sind denn Kölner?

Mindestens die Hälfte kommen aus dem Umland. Etwa 30 bis 50 Prozent sind Kölner und Leute aus der Umgebung, und der Rest kommt von außerhalb: Düsseldorf, Essen, Aachen. Und wenn spannende DJs da sind, fliegen die Gäste auch aus ganz Europa her. Amerikaner und Australier gab es auch schon.

Auf Konzerten und Partys ist das Smartphone nicht mehr wegzudenken. In den sozialen Medien hat das Bootshaus seine Gäste dazu aufgerufen, das Handy mal in der Tasche zu lassen. Warum?

Statt den Moment zu genießen und zu feiern, nehmen sie ihn auf, um ihn dann zu teilen. Dadurch machen sie aber auch viel kaputt. Wir freuen uns natürlich, wenn die Leute uns markieren, aber es bringt uns nichts,  wenn im Laden keine Stimmung ist. Es geht nicht darum, das Smartphone zu verbieten, sondern darum, die Gäste zu sensibilisieren. Auf Facebook gab es Diskussionen darüber. Orte wie das Bootshaus könnten dazu anregen, von der digitalen Welt auch mal Distanz zu nehmen.

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