BrandbriefAufstand der Lungenärzte in Köln – Mediziner kritisieren Kürzungen

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Klinik Merheim Banneyer

Die Kliniken in Köln-Merheim

Köln – In einem Offenen Brief an Stadtrat und Oberbürgermeisterin Henriette Reker haben mehr als 20 Lungenärzte aus Köln und der gesamten Region ihre „brennende Sorge“ um die Situation der Lungenklinik in Merheim geäußert. Die Klinik in städtischer Trägerschaft sei ein Leuchtturm für die Versorgung der pneumologischen Patienten und unverzichtbar. Selbst an der Uniklinik gebe es kein vergleichbares Angebot mit diesem nationalen und internationalen Ruf. Dennoch sei das Schlaflabor geschlossen worden, Arztstellen würden nicht nachbesetzt, heißt es in dem Brief, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Das Weaning-Zentrum, in dem schwerstkranke Patienten von der invasiven Beatmung mittels Schlauch entwöhnt werden und lernen, wieder selbstständig zu atmen, sei derart beschnitten worden, dass die Kapazitäten für Neuzuweisungen von außen reduziert sind. „Ich bekomme meine Patienten dort kaum mehr unter. Wenn das so weiter geht, muss ich sie bald nach Essen, Hannover oder Heidelberg schicken“, sagt Norbert Mülleneisen, Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde in Leverkusen.

Selbstausbeutung des Personals

Mülleneisen hat als Obmann der Kölner Pneumologen den Brandbrief verfasst. Unterzeichnet haben ihn auch Kollegen aus Pulheim und Euskirchen, aus Bonn und Aachen, aus Bergisch Gladbach, Gummersbach, Bergheim und Siegburg. Sie fordern die Erhaltung von Weaning-Zentrum und Schlaflabor und die unverzügliche Wiederbesetzung freier Stellen. Die Klinik laufe an ihrer Kapazitätsgrenze und sei nur durch Selbstausbeutung der ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter funktionsfähig. Überstunden seien die Regel, „denn verantwortungsbewusste Ärzte werden ihre Patienten natürlich nicht unversorgt lassen. Diese Situation ist auf Dauer nicht haltbar.“

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Stadt nimmt den Brief ernst

Bei der Stadtverwaltung wird der Brief der Ärzte sehr ernst genommen. „Wir messen dem ein hohes Gewicht zu, denn uns ist bewusst, dass die Autoren eine hohe Reputation haben“, sagte Gesundheitsdezernent Harald Rau auf Anfrage. „Es ist Aufgabe der Geschäftsführung, eine so wichtige Klinik am Leben zu halten.“ Er halte es für sehr schwierig, dass die Klinikleitung einen derartigen Leuchtturm beschneidet, ohne den Aufsichtsrat mit einzubeziehen.

Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeiger hat bereits eine bedeutende Zahl von Ärzten und Pflegepersonal das Haus verlassen, Ersatz zu finden ist aufgrund des Fachkräftemangels schwierig. Nachdem der letzte Atmungstherapeut gegangen ist, hat die Klinik die Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin verloren – ein Siegel, das für strenge Qualitätskriterien bürgt. Die Klinik führt mittlerweile lange Wartelisten von Patienten, die sie nicht mehr bedienen können.

Lungenklinik schreibt schwarze Zahlen

Besonders unverständlich ist für die Ärzte, dass mit der Lungenklinik ausgerechnet ein Bereich beschnitten wurde, der schwarze Zahlen schreibt – alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die städtische Kliniken insgesamt sind seit Jahren defizitär. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass akut die Zahlungsunfähigkeit droht und die Stadt erneut mit einem Millionen-Kredit aushelfen muss. Eine wirtschaftlich arbeitende Abteilung zu beschneiden sei weder medizinisch noch betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. „Das sind Kürzungen mit der Heckenschere, ohne Sinn und Verstand“, kritisiert Mülleneisen.

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Was die Sparmaßnahmen für die Patienten bedeutet, erlebt auch Justus de Zeeuw täglich. Der Lungenspezialist behandelt im Medizinischen Versorgungszentrum in Poll viele Menschen mit Schlafapnoe, einem Syndrom, bei dem im Schlaf die Atmung aussetzt, was zu massiver Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen führt. „Wenn ich bei einem Lkw-Fahrer eine Schlafapnoe diagnostiziere, darf der ab sofort nicht mehr arbeiten“ so Zeeuw. Auf eine Therapie habe man in Köln schon in der Vergangenheit drei Monate warten müssen. Und es werde immer schwieriger, einen Platz zu bekommen. „Es gibt eine akute Unterversorgung.“

Deutschlandweit führend

Geradezu absurd finden es die Ärzte, dass die Kürzungen einen Bereich betreffen, der deutschlandweit führend in der Behandlung von Beatmungspatienten ist. Der Chefarzt für Pneumologie, Professor Wolfram Windisch, hat als Autor maßgeblich an den geltenden Beatmungs-Leitlinien mitgewirkt und hat den Lehrstuhl für Pneumologie an der Universität Witten-Herdecke inne. „Ich kann nicht verstehen, dass man diesem ausgewiesenen Experten die Klinik zusammenstreicht“, kritisiert Facharzt Justus de Zeeuw.

Die Klinik selbst verteidigte in einer Stellungnahme ihre Entscheidung. Die Krankenkassen würden die stationäre Behandlung in Schlaflaboren zunehmend nicht mehr erstatten. Man habe diese Leistung deshalb nicht mehr anbieten können, so der Klinische Direktor, Professor Horst Kierdorf. Die Leistungen des Weaning-Zentrums seien zudem nicht reduziert, sondern lediglich umstrukturiert worden. Dass aufgrund des Fachkräftemangels nicht alle Betten betrieben werden können, bestreitet die Geschäftsführung aber nicht.

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