Breslauer PlatzKölns Polizeipräsident nimmt Urteil zu Videoüberwachung „zur Kenntnis“

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Am Breslauer Platz stehen drei solcher Masten.

Köln – Um zu zeigen, wie unverzichtbar die Überwachungskameras am Breslauer Platz sind, stellt die Polizei am Tag nach einem womöglich wegweisenden Gerichtsurteil einen Fall vom Montagabend in den Mittelpunkt: Ein 36-jähriger mutmaßlicher Brandstifter wird dort auf frischer Tat festgenommen, als er zwei Papiermüllcontainer und eine Bauplane anzündet. Die Polizei hebt deutlich hervor, dass die Beamten den Mann dank der Videoüberwachung identifiziert und wenig später in Tatortnähe festgenommen hätten. Er wurde am Montagabend einem Haftrichter vorgeführt.

Anlass dieser Mitteilung ist das Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln, das der Polizei auferlegt, vorerst alle Kameras am Breslauer Platz auszuschalten (hier lesen Sie mehr). Das Gericht befand in einem Eilverfahren, dass der Platz kein Kriminalitätsschwerpunkt sei, was aber Voraussetzung für den Betrieb von polizeilichen Videokameras ist. Antragssteller Torben Strausdat hatte sich in seinen Freiheitsrechten eingeschränkt gefühlt und geklagt – mit Erfolg. Der Unmut über die Entscheidung ist bei der Polizei deutlich zu vernehmen.

Polizeipräsident Jacob reagiert auf Urteil

Polizeipräsident Uwe Jacob habe den Beschluss „zur Kenntnis genommen“, heißt es maximal kurz aus dem Präsidium. „Ich habe sofort die Abschaltung der Kameras am Breslauer Platz angeordnet“, sagt Jacob, behält sich aber Konsequenzen vor. „Meine Fachleute werden die Inhalte des Beschlusses analysieren und prüfen, ob die Polizei in die Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster gehen wird.“ Diese muss binnen 14 Tagen eingereicht werden.

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In seinem Beschluss hatte sich das Verwaltungsgericht zuvor lange Zeit gelassen. Seit November 2019 war das Eilverfahren gegen die drei Kameramasten am Breslauer Platz anhängig. Üblicherweise werden Verfahren solcher Art deutlich schneller geführt. Grund war eine langwierige Analyse des Kriminalitätsgeschehens auf dem nördlichen Bahnhofsvorplatz. Die Polizei dürfe einen öffentlich zugänglichen Ort nur dann mittels Bildübertragung beobachten und die übertragenen Bilder aufzeichnen, wenn die Straßenkriminalität dort „signifikant hoch“ wäre, sagte das Gericht. Das sei auf dem Breslauer Platz aber nicht der Fall: Nur 0,2 Prozent aller derartigen Delikte auf Kölns Stadtgebiet würden hier begangen.

Kölner Polizei bezeichnet Bahnhofsbereich als „Hotspot“

Seit 2015 sei die Straßenkriminalität hier sogar um etwa die Hälfte zurückgegangen. Die Daten habe die Polizei auf Antrag vorgelegt, sagte ein Gerichtssprecher. Die Wache der Bundespolizei habe außerdem eine „hinreichend abschreckende Wirkung auf potenzielle Straftäter“, entschied das Gericht. Die Argumentation der Polizei, dass der Bahnhofsbereich – also auch das Domumfeld und der südliche Vorplatz – gemeinsam als Hotspot zu betrachten seien, wies das Gericht zurück.

Videoüberwachung in Köln

Nach der verheerenden Silvesternacht 2015/16 hat die Polizei Stück für Stück zentrale Plätze mit Videokameras ausgestattet. Zunächst wurden die Masten um Dom und Hauptbahnhof und entlang der Ringe zwischen Rudolfplatz und Kaiser-Wilhelm-Ring aufgestellt. Weniger Jahre später folgten Ebertplatz, Breslauer Platz, Neumarkt und Wiener Platz. In Planung ist auch, den westlichen Teil der Kalker Hauptstraße und die Kalk-Mülheimer Straße zu beobachten.

Die übertragenen Videobilder werden 24 Stunden am Tag von Beamten der Leitstelle gesichtet und bewertet. Alle Bänder werden aufgezeichnet, gespeichert und nach 14 Tagen gelöscht, sofern sie nicht als Beweismittel in Strafverfahren dienen. Seit November 2020 werden bei Versammlungen die fest installierten Kameras durch herunterfahrbare Rollos sichtbar verdeckt und die drehbaren Kameras erkennbar weggeschwenkt, sodass keine Bilder aufgezeichnet werden. (hol)

Diese Niederlage hat der Polizei mit Strausdat jemand beigebracht, der schon seit Langem gegen die Videoüberwachung in Köln zu Felde zieht. „Hunderttausende werden beobachtet, wenn sie auf die betreffenden Plätze gehen. Das steht in überhaupt keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Kriminalitätszahlen“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das Verhältnis von Bürgern und Staat wird durch Kameras verändert“, sagt er weiter. „Außerdem ist nicht ersichtlich, dass durch Kameras überhaupt Straftaten verhindert werden können. Wenn dann ein solches Mittel nicht zweckdienlich ist, aber in die Rechte aller Bürger eingreift, ist es falsch.“ Angesichts recht niedriger Kriminalitätszahlen am Breslauer Platz sei die Videoüberwachung so, „als würde man mit Kanonenkugeln auf Spatzen“ schießen, sagt Kläger-Anwalt Michael Biela-Bätje.

Womöglich hat das Urteil auch eine Präzedenzwirkung auf die gesamte polizeiliche Videoüberwachung in Köln. Gegen die Kameras auf allen anderen Straßen und Plätzen (siehe „Überwachungskameras in Köln“) sind ebenfalls Verfahren am Verwaltungsgericht anhängig. Gegen die Masten am Neumarkt und Ebertplatz laufen sogar weitere Eilverfahren, die innerhalb der nächsten Wochen entschieden werden könnten. Hier lagen die Kriminalitätszahlen – vor allem Drogendelikte – in den vergangenen Jahren aber deutlich höher als am Breslauer Platz. Der Nachweis, dass die Plätze Hotspots sind, dürfte der Polizei daher einfacher fallen. Denkbar sei laut Biela-Bätje aber, dass die Videoüberwachung zeitlich und örtlich eingeschränkt werde. In dem Fall dürften die Kameras nur abends und nachts laufen und nicht mehr auch umliegende Straßen abdecken.

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