Bunker unter RudolfplatzSo hätten Kölner vor einem Atomangriff gerettet werden sollen

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 Eine Panzertür aus Stahl über den Personen den Zivilschutzbunker in der U-Bahn Haltestelle Rudolfplatz betreten hätten.

  • Im Fall eines atomaren Angriffs hätten hier 1500 Kölner Schutz gefunden.
  • Seit dem Kalten Krieg befindet sich unter dem Rudolfplatz ein großer Bunker, den bis heute kaum jemand betreten hat.
  • Am kommenden Sonntag wird die Anlage erstmals öffentlich zu sehen sein – unser Autor war schon vorher drin.

Köln – Die Anlage, die im Ernstfall 1500 Menschen hätte schützen sollen, liegt mitten in der Stadt, doch niemand erkennt sie. Ein Antennenmast neben der Bushaltestelle und ein Lüftungsschacht in der Mitte des Hohenzollernrings. Das ist alles, was sie oberirdisch von sich preisgibt. Der Rest liegt versteckt hinter Türen eine Etage tiefer. Die U-Bahn-Haltestelle Rudolfplatz war, solange der „Kalte Krieg“ atomare Bedrohungsszenarien bereithielt, ein hybrides Gebilde. In Friedenszeiten gab sie sich als normaler Verkehrsknotenpunkt aus, doch im Falle einer bevorstehenden Kernwaffenexplosion auf Kölner Gebiet hätte sie sich zur Trutzburg für Schutzsuchende verwandelt. Allerdings wäre es eine Trutzburg mit Schwächen gewesen.

Heute hat die Dokumentationsstätte Kalter Krieg die Schlüssel zur längst außer Dienst gestellten „Mehrzweckanlage“ (MZA) Rudolfplatz. Der Vorsitzende Robert Schwienbacher geht die Treppe am Hahnentor hinab in Richtung Zwischenebene der U-Bahn-Station. Am Ende der Treppe schließt er eine Tür auf, hinter der der Maschinenraum der Anlage liegt. Teile des Lüftungssystems stehen noch immer in den drei durch schwere Drucktüren voneinander getrennten Räumen. Die atomar verseuchte Luft wäre zunächst von einer Sandfilter-Anlage und dann von Aktivkohlefiltern gereinigt worden. Der Sandfilter hätte die Luft zudem bis zu sechs Stunden lang gekühlt – für den Fall, dass draußen die ganze Stadt brennt.

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Dicke Rohrleitungen der Versorgungsanlage für die Atemluft im Bunker.

Zum Teil gibt es kein Licht in der kargen Betonwelt, Robert Schwienbacher muss sich mit der Taschenlampe vortasten. Das Notstromaggregat hat die Feuerwehr, die hier mal das Sagen hatte, abtransportiert. Bis ins Jahr 2000 sei der schwere Schiffsdiesel einmal monatlich getestet worden, so Schwienbacher. Seitdem liegt die Anlage, die die 1987 fertiggestellte U-Bahn-Station um rund drei Millionen D-Mark verteuerte, im Dornröschenschlaf. Am Sonntag, 29. September, wird sie im Rahmen einer „Bunker-Fahrrad-Tour“ erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.Im Ernstfall sollten sich 1536 Menschen unterhalb des Rudolfplatzes aufhalten, die – so die offizielle Lesart – ihre privaten Schutzbunker nicht mehr erreichen konnten. Durchreisende etwa oder Angestellte aus den umliegenden Büros. 14 Tage waren für die Vorbereitungen vorgesehen, inklusive Einlagerung von Trinkwasser und Nahrungsmitteln. Ein Szenario mit schweren Nebenwirkungen, wie Robert Schwienbacher findet. Denn schon die Umrüstung der U-Bahn-Anlage hätte bei den Kölnern wohl blankes Entsetzen hervorgerufen.

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Die vier Treppenabgänge zur Zwischenebene wären von mächtigen Stahltoren, die sich noch heute hinter den blau gekachelten Fassaden verbergen, verriegelt worden. Zwei weitere Toranlagen hätten den U-Bahn-Tunnel abgesperrt. Die Menschen wären schließlich durch zwei Schleusen vor den Treppen-Toren eingelassen worden – penibel gezählt von einem Schleusenwärter hinter einer winzigen Glasscheibe. Danach hätten sie bis zu zwei Wochen lang auf Liegen in der Zwischenebene und in sechs Straßenbahnen verbringen können, die zu diesem Zweck in die Station eingefahren wären. „Teile der Zwischenebene wären mit Vorhängen abgetrennt worden, das wäre dann die Krankenstation gewesen“, sagt Robert Schwienbacher.

Tour zu mehreren Bunkern

Die „Bunker-Fahrrad-Tour“ bieten die Akademie för uns kölsche Sproch und die Dokumentationsstätte Kalter Krieg am Sonntag, 29. September, von 11 bis 15 Uhr an. Ausgehend vom Hochbunker im Skulpturenpark am Konrad-Adenauer-Ufer werden der Röhrenbunker am Oberlandesgericht, der Atombunker Rudolfplatz und der Atombunker in Kalk besichtigt. Tickets für 15 Euro sind online erhältlich.

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Allzu komfortabel wäre der Aufenthalt auch aus anderem Grund nicht geworden. „Es hätten die Lüftung und der Strom funktioniert“, sagt der Experte. Eine Abwasseranlage jedoch habe es nicht gegeben. Auf den Toiletten hätten so genannte Trockenbeutel bereitgelegen – als Ersatz für die fehlende Spülung. Auch die Notküche, die von den U-Bahngleisen aus zu erreichen ist, wurde niemals fertig. Der Raum ist leer geblieben, nur ein Waschbecken hängt an der Wand. Anders als ihr größeres Pendant in der U-Bahn-Station Kalk Post sei die von 1984 bis 1987 gebaute Mehrzweckanlage Rudolfplatz nie richtig fertig geworden und auch nur halbherzig betreut worden, sagt Robert Schwienbacher. Noch 1991 habe die Feuerwehr moniert, dass noch immer keine anständige Übergabe stattgefunden habe: „Die wussten gar nicht, wie die Anlage richtig funktionierte.“

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Ein einzelnes Waschbecken hängt an einer Wand in einem als Küche vorgesehen Raum des Zivilschutzbunkers.

Ohnehin habe die Stadt die Schutzanlagen des Kalten Kriegs nur unter dem Druck der Bundesregierung gebaut. „Die Stadt wollte es eigentlich nicht machen“, so Schwienbacher. Letztendlich seien in Köln auch nur die U-Bahn-Stationen Kalk-Post und Rudolfplatz als Mehrzweckanlagen für atomare Schläge ausgebaut worden. Darüber hinaus wurden die Weltkriegs-Hochbunker Elsaßstraße (Südstadt), Körnerstraße (Ehrenfeld) und Grüner Hof (Mauenheim) für den Kalten Krieg ertüchtigt. Auf diese Weisen entstanden Plätze für gerade einmal 7000 Menschen, wobei die Hochbunker schon nach zehn Stunden wieder geräumt worden wären.

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 Robert Schwienbacher, Vorsitzender des Vereins Kölner Festungsmuseum und Leiter der Dokumentationsstätte Kalter Krieg (DOKK).

Der städtische Krisenstab hätte den Zivil- und Katastrophenschutz währenddessen von einer „Befehlsstelle für die Führungsorgane der Stadt“ unterhalb des historischen Rathauses gelenkt. Er wurde komplett ausgerüstet, ebenso wie die drei Ausweichstellen in Dellbrück, Klettenberg und Ossendorf. Die ursprünglichen Pläne, in weiteren acht U-Bahn-Stationen Unterkünfte für die Zivilbevölkerung zu schaffen, wurden jedoch niemals realisiert.

„Zur Beruhigung der Bevölkerung“

Dies wohl aus gutem Grund: „Jedem muss klar sein, dass die Anlagen zur Beruhigung der Bevölkerung dienten und es im Ernstfall problematisch gewesen wäre, sie zu betreiben“, sagt Schwienbacher. Allein die Frage, was mit den Menschen nach 14 Tagen passiert wäre, treibt den 56-Jährigen um. Offiziell wären sie mit Bussen abgeholt worden. Doch wohin wären sie gebracht worden, wenn alles zerstört und verseucht ist und es womöglich weder Busse noch Straßen gibt?

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