„Sind ein vergessener Stadtteil“Kölner Anwohner leiden unter der Brücken-Baustelle

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Eine Baustellenampel sorgt für zusätzliche Abgas-Emissionen.

Köln-Merkenich – Noch wird auf der Großbaustelle der Leverkusener Brücke gearbeitet, aber viel los ist nicht. Ein einsamer Bauarbeiter steht auf dem Brückenbauwerk und klopft die Fixierstäbe fest. Letzte Arbeiten, die vom Bauunternehmen Porr ausgeführt werden. Das Bauwerk wird lediglich stabilisiert, damit es nicht einstürzt. Seit dem 24. April herrscht Baustopp.

An dem Tag kündigte Straßen NRW, als Landesbehörde Bauherr der Brücke, den Vertrag mit dem österreichischen Konzern Porr AG. Grund sind mangelhaft verarbeitete Stahlteile aus China. Für Merkenich wurde damit ein Alptraum wahr. Bereits jetzt ist das Dorf von der Großbaustelle verunstaltet, vor drei Jahren begannen die Arbeiten. Das Ortsbild wirkt zerzaust: Kaputte Straßenbeläge, demolierte Baumscheiben. Hinzu kommt die Belastung durch Lärm und Schmutz.

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Michael Klais (l.), sein Vater Bruno Klais (M.) und Thomas Schmidt (r.) vom Bürgerverein beklagen, dass die Merkenicher Bürger zu wenig Gehör finden.

In einigen Hausfassaden beginnen, sich Risse zu bilden. Öffentlich wird kaum wahrgenommen, dass die Autobahnbrücke auch auf Kölner Stadtgebiet verläuft und dass Kölner Bürger direkte Anlieger sind. Merkenich mit seinen knapp 6000 Einwohnern liegt im toten Winkel. „Wir sind ein vergessener Stadtteil“, sagt Thomas Schmidt vom Bürgerverein.

Alles zum Thema Henriette Reker

Andere Belange fallen unter den Tisch

Er ist zum Pressetermin gekommen, genauso wie Bruno Klais und sein Sohn Michael, ebenfalls aktiv im Bürgerverein. Mitte April habe er von dem Desaster rund um die Brücke erfahren, erzählt Schmidt. Es sei ein bitterer Triumph gewesen, recht zu behalten. Er erinnere sich noch gut an eine Veranstaltung mit Straßen NRW im Pfarrheim St. Brictius vor zwei Jahren.

„Damals haben wir den Projektleiter Thomas Raithel gefragt, warum die Brückenteile in China gefertigt werden sollen, wo es doch in Duisburg in nur 80 Kilometern Entfernung Stahlwerke gibt.“ Raithel habe geantwortet, im Baugewerbe sei es üblich, Stahl aus China zu beziehen. Michael Klais befürchtet: „Weil Straßen NRW nur noch mit der Aufarbeitung beschäftigt sein wird, werden andere Belange, wie zum Beispiel der Lärmschutz, unter den Tisch fallen.“

Deutliche Verzögerungen

Ursprünglich sollte die neue Brücke, bestehend aus zwei Bauteilen, im Jahr 2023 in Betrieb gehen. Nun aber wird höchstens noch der erste Brückenteil in drei Jahren fertig sein. Auch der Abbruch der alten Brücke wird wohl länger dauern als geplant. Ein Jahr war dafür veranschlagt. Die Nachricht, dass Schadstoffe wie Asbest und PCB verbaut sind, erfülle ihn mit Sorge, sagt Bruno Klais. Er erwarte, dass der Rückbau nun ähnlich vorsichtig erfolge wie beim Hochhaus der Deutschen Welle in Raderberg. Die drei vom Bürgerverein sehen den Baustopp auch als Chance, das Umfeld der Großbaustelle neu zu ordnen.

Im Brückentunnel etwa herrscht ein Wirrwarr aus Absperrgittern und Ampeln. Vor allem für die Schulkinder, die morgens an der Schlettstadter Straße den Bus zum Norbert-Gymnasium in Knechtsteden nehmen, sei die Situation gefährlich, sagt Bruno Klais. Auch deshalb, weil ständig LKW unterwegs sind. „Die Fahrer scheren sich nicht um den übrigen Verkehr“, hat Helga Schneider beobachtet. Mit ihrem Lebensgefährten wohnt sie in der Siedlung nördlich der Brücke, am Beginn der Alten Römerstraße. Haus und Garten liegen direkt an der Baustelle. Schlimm sei der Staub überall, sagt Schneider. Die Steine auf der Straße fegt sie selbst weg. Niemand habe sich für zuständig erklärt, weder die Stadt Köln noch die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB). Straßen NRW: „Dafür stehen keine Steuergelder zur Verfügung.“ Einmal sei über mehrere Tage hinweg unterirdisch ein Kanal gezogen worden. Vorab-Information habe es nicht gegeben.

Enttäuscht von der Kölner Stadtspitze

Enttäuscht sei man von der Kölner Stadtspitze, sagt Bruno Klais. In Leverkusen sei es seit Jahren üblich, dass der jeweilige Oberbürgermeister die Brücke zu seinem Thema macht. Das habe Reinhard Buchhorn (CDU) so gehalten und gelte auch für seinen Nachfolger Uwe Richrath (SPD). Henriette Reker aber halte sich heraus. Dabei sei es die Aufgabe der Stadt, für ihre Bürger einzustehen. Der Bürgerverein sei es leid, die Infoveranstaltungen stets selbst zu organisieren.

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Um eine Stellungnahme gebeten, teilte das Presseamt im Auftrag der OB mit: Die Stadt sei „in ständigem Austausch mit Bund und Land, um die Belastungen der unmittelbaren Brücken-Anwohner so kurz und so gering wie möglich zu halten.“ Doch handele es sich nun mal um eine Baustelle des Landes NRW. 

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