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Kölner Sommerblut-Festival„Glaubt doch, was ihr wollt“

Lesezeit 4 Minuten
Bei einer Theaterprobe lasen die Teilnehmer ihre biografischen Texte vor und gaben sich gegenseitig ein Feedback.

Bei einer Theaterprobe lasen die Teilnehmer ihre biografischen Texte vor und gaben sich gegenseitig ein Feedback.

Köln-Chorweiler – Es ist ein Mitmachstück, das am heutigen Donnerstag in der Freien Waldorfschule Premiere feiert. Titel: „City of Faith – Glaubt doch, was ihr wollt“. Dabei geht es um die Vielfalt der Religionen in Köln, vor allem in Chorweiler, wo besonders viele Religionsgemeinschaften aktiv sind. Kein Wunder, leben doch in Chorweiler-Mitte Menschen aus aller Welt, aus 120 Nationen. Es sei kein Stück, um sich nur berieseln zu lassen, erklärt Regisseur Stefan Herrmann. „Die Zuschauer werden sofort aufgefordert, zu agieren.“ Sie sollen erzählen, welchen Stellenwert Religion für sie hat.

Das rund 20-köpfige Ensemble und das Publikum werden sich auf Augenhöhe begegnen, die Schauspieler sind keine Profis, sondern Laien, normale Menschen aus Chorweiler, aber auch aus anderen Stadtteilen. Auch sie erzählen Persönliches, berichten von ihrer Religionsausübung, stellen Überlegungen an, was das heißt, zu glauben. Einige Geschichten sind voller Extreme.

Flucht von Syrien nach Deutschland

So schildert Ahmad, ein 24 Jahre alter Syrer, seine Flucht, die ihn über die Türkei und den Balkan nach Deutschland führte. In Damaskus hatte ihn eine Bombe so schwer verletzt, dass er fast gestorben wäre. Weil es keine Behandlungsmöglichkeit gab, musste er sein Heimatland verlassen. „Nach der Bombe bin ich noch gläubiger geworden als vorher, mein Glaube hat mir Kraft gegeben, den Schmerz zu überwinden.“

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Varvara, gebürtig aus Russland, berichtet schonungslos, wie sie in jungen Jahren von der Heroinsucht beherrscht wurde, bis sie eines Tages bei einem Gottesdienst vor der versammelten Gemeinde zu weinen begann. Heute ist die Mutter einer 22-jährigen Tochter drogenfrei.

Die mobile Friedensglocke der Katholischen Pfarrgemeinde Heiliger Johannes XXIII. kommt zum Einsatz, ihr Läuten wird den Ablauf mit strukturieren. Einzelne Gesprächsgruppen finden in Klassenzimmern statt, dann wieder versammeln sich alle Mitwirkenden in der Aula, die zum Amphitheater umgebaut wird. Das Ensemble wird sich zum Chor aufstellen und die Ringparabel aus „Nathan der Weise“ vortragen. Das Drama von Gotthold Ephraim Lessing gilt als zentrales Werk der Aufklärung, als Appell für Toleranz und Religionsfreiheit. Die Ringparabel erzählt die Geschichte vom Vater, der jedem seiner drei Söhne den gleichen Goldring schenkt. Nach seinem Tod geraten die Brüder in Streit, wer den echten Ring hat. Am Ende erkennen sie: Der materielle Wert ist unwichtig, es ist die innere Einstellung, die aus dem Geschenk einen kostbaren Gegenstand macht. Den Ring wollte Lessing als Metapher für die Religion verstanden wissen.

Für Toleranz und Religionsfreiheit

Die Inszenierung in Chorweiler gehört zum Sommerblut-Festival. Das findet derzeit an zahlreichen Orten in Köln statt, läuft noch bis zum 11. Juni und hat den Themenschwerpunkt „Glaube“. Festivalleiter Rolf Emmerich habe den Anstoß gegeben, nach Chorweiler zu gehen und nach Menschen zu suchen, die Lust hatten, sich mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen, berichtet Herrmann, der die Teilnehmer auswählte.

Zum Leitungsteam gehören außer Herrmann noch Maria Llabres, Angelo Lancuba und Christina Siegert. Bislang habe er Chorweiler kaum gekannt, sagt Herrmann, der in Bonn wohnt. „Der Ort hat ja das Label, sozialer Brennpunkt.“ Das Klischee habe sich nicht bestätigt, eher im Gegenteil. „Ich bin richtig begeistert von Chorweiler, bin auf große Offenheit gestoßen.“

Die Menschen hätten ihn beeindruckt. „Das fand ich sehr interessant, neue Welten kennenzulernen, einzutauchen in die Biografien, ich bin selbst eher nicht religiös, habe aber durch die Gespräche gemerkt, dass ich mit Gläubigen viele Werte teile wie Nächstenliebe und Achtsamkeit.“ Thi-Hang Mai (35) wuchs in Chorweiler auf, wohnt heute am Eigelstein. Mit ihrer elfjährigen Nichte macht sie bei der Aufführung mit. Die beiden geben einen Einblick in den buddhistischen Alltag. „Wir Vietnamesen fallen in Chorweiler kaum auf, ich wollte unserer Community eine Stimme geben“, erklärt sie ihre Teilnahme beim Theaterprojekt.

ZUR AUFFÜHRUNG

Das Theaterstück „City of Faith – Glaubt doch, was ihr wollt“ wird in der Freien Waldorfschule, Weichselring 6-8, drei Mal aufgeführt, heute Abend (Premiere), am Freitag, 31. Mai, und Samstag, 1. Juni. Beginn 19 Uhr, Dauer 100 Minuten. Die Karten kosten 10 Euro, ermäßigt 5 Euro. Die Aufführung am 31. Mai wird mit Gebärdensprache übersetzt. (kaw)

www. Sommerblut.de

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